Reifen-Problem schon vor Abflug
Der heftige Crash von Daniil Kvyat in Silverstone hatte seinen Ursprung nicht in einem Fahrfehler. Die Onboard-Kameras belegen eindeutig, dass sich der Reifen schon vorher von der Felge löste. Warum das Problem auftrat, wird jetzt untersucht.
In Runde 11 des Silverstone-Rennens stockte den Fans der Atem. Daniil Kvyat hatte bei knapp 300 km/h am Eingang in die Highspeed-Kurvenkombination Maggotts, Becketts und Chapel die Kontrolle über seinen Alpha Tauri verloren. Nach einem Dreher durch ein kleines Kiesbett rutschte der Russe vorwärts in die Begrenzungsmauer.
So früh am Kurveneingang war die Bande weder mit Reifenstapeln noch mit TecPro-Barrieren abgesichert. Deshalb musste man sich zunächst ernste Sorgen um die Gesundheit des Piloten machen. Nach einer kurzen Schrecksekunde gab Kvyat aber selbst über Funk Entwarnung. Ein Check im Medical-Center ergab zum Glück keine größeren Blessuren.
Dass an der Einschlagstelle keine dämpfenden Elemente angebracht waren, hatte einen einfachen Grund. Normalerweise fliegen Autos an dieser Stelle nicht ab. Trotzdem wurde der Unfall zunächst als Fahrfehler eingestuft, was auch an den Aussagen von Kvyat selbst lag.
Noch im Auto hatte sich der Red-Bull-Junior über Funk bei seinem Team für den Fahrfehler entschuldigt. Im TV-Interview erklärte Kvyat hinterher, dass er kurz zuvor Einstellungen am Lenkrad vorgenommen habe, wodurch seine Konzentration gestört war. Dann sei er am Kurveneingang etwas zu weit über den Randstein gerollt, was das Auto in einen instabilen Fahrzustand versetzte.
Kvyat ohne Schuld am Crash
Wie sich später herausstellte, entsprach diese Darstellung jedoch nicht der Wahrheit. Die Bilder der nach hinten gerichteten TV-Kamera am Alpha Tauri entlasten den Piloten. Im Onboard-Video ist klar zu erkennen, dass am rechten Hinterrad der Gummi schon wenige Sekundenbruchteile vor dem Abflug von der Felge rutscht.
Im ganzen Chaos der Reifenplatzer in den letzten Runden ging der Fall Kvyat zunächst ein wenig unter. Mittlerweile hat Pirelli aber mit der Analyse begonnen, um die Ursache des Problems herauszufinden. Der rechte Hinterreifen wurde zu einer genaueren Untersuchung ins Labor nach Mailand gebracht.
"Wir glauben, dass es sich um einen schleichenden Plattfuß handelte, der dazu führte, dass der Reifen von der Felge sprang", erklärte Pirelli-Sportchef Mario Isola in einer ersten Stellungnahme. Möglicherweise habe aber auch ein Problem mit der Felge den Abflug verursacht. "Wir werden den Reifen genau untersuchen, um zu verstehen, was passiert ist", versprach Isola.
Neue Kerbs in Becketts
Im Falle der geplatzten Vorderreifen von Hamilton, Bottas und Sainz ist die Pirelli-Analyse bereits abgeschlossen. Hier wurde ein übermäßig hoher Verschleiß durch die extremen Kurvengeschwindigkeiten und den langen Stint als Ursache ausgemacht. Damit das Problem beim zweiten Silverstone-Wochenende nicht noch einmal auftritt, wird der Mindestluftdruck der Vorderreifen von 25 PSI auf 27 PSI erhöht.
Auch an der Strecke wurden aus Sicherheitsgründen Modifikationen vorgenommen. Am Ausgang der Becketts-Kurve waren die Piloten am vergangenen Wochenende reihenweise neben den Streckenrand auf den Dreck gekommen. Damit die Reifen an der Kante zum Asphalt keinen Schaden nehmen, wurden am Dienstag neue erweiterte Randsteine eingesetzt.