Was plant Red Bull?
Es sind Festspiel-Wochen für Mercedes. Zum fünften Mal in diesem Jahr startet das Weltmeisterteam von Pole-Position. Zum vierten Mal sind beide Autos gemeinsam in der ersten Reihe. Valtteri Bottas bezwang Lewis Hamilton in letzter Sekunde. Red Bull bleibt mit Max Verstappen nur eine Alternativstrategie.
Dieses Team operiert nah an der Perfektion. Vier Siege, fünf Pole-Positions, Doppelführung in beiden Weltmeisterschaftswertungen, und ein Auto, das der Konkurrenz um eine Sekunde überlegen ist. Bestes Chassis, bester Motor: Mercedes kann sich im Jahr 2020 nur selbst schlagen, die Konkurrenz nur anerkennend applaudieren. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas müssen kein anderes Auto fürchten, sondern können sich ganz auf den teaminternen Zweikampf konzentrieren.
Es war mal wieder ein deprimierender Samstag für die Formel 1B. Nico Hülkenberg büßte als Drittschnellster bereits 0,928 Sekunden auf die Pole-Position-Zeit von Bottas ein. Max Verstappen lag als Vierter mehr als eine Sekunde zurück. Red Bull macht zwar Fortschritte, versteht den störrischen RB16 immer besser, doch der Rückstand auf die schwarzen Silberpfeile wird nicht kleiner. Denn auch Mercedes entwickelt sich weiter.
In dieser Situation greift der Herausforderer zu jedem Strohhalm. Vor der Qualifikation tüftelten Red Bulls Strategen eine Alternativ-Taktik aus. Verstappen qualifizierte sich als einziger Fahrer auf dem harten Reifen für den dritten Qualifikationsteil. Als einziger Fahrer aus den Top 10 wird er den Grand Prix mit diesem Reifen.yp beginnen. "Der harte Reifen war letzte Woche der Medium. Das war ein guter Rennreifen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden", erklärt Verstappen.
Moral-Schub für Bottas
Eigentlich kann nur Chaos die Mercedes stürzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Bottas und Hamilton das Rennen unter sich ausmachen. "Und vom ersten Startplatz kann es mein Zeil nur sein zu gewinnen", sagt der Finne. Wenn er den Start gewinnt, wird er in sauberer Luft fahren und kann das Rennen von vorneweg kontrollieren. Welchen Vorteil das bringt, sah man in der Vorwoche, als Hamilton seinen Hintermann in turbulenter Strömung verhungern ließ. Bottas drückte zwar, bezahlte es aber mit höherem Reifen.erschleiß.
Dieses Mal entschied der Finne den teaminternen Zweikampf für sich. Dieses Mal entriss der WM-Zweite dem Meisterschaftsführenden in letzter Sekunde den besten Startplatz. 63 Tausendstel trennten die Mercedes auf der 5,891 Kilometer langen Runde. Der Jubel am Boxenfunk offenbart, wie wichtig dieser Trainingssieg für Bottas ist. Für den Rennsonntag, aber auch für die Moral allgemein. Nach drei Hamilton-Siegen in Serie und einem punktelosen ersten Silverstone-Rennen aufgrund einer Reifen.anne wurden die Zweifel wieder größer. Der 30-Jährige steht unter Zugzwang. Ansonsten enteilt ihm der WM-Zug. Und der Formel 1 schwindet die Hoffnung. Nur Bottas kann Hamilton auf dem Weg zum siebten WM-Titel gefährlich werden.
Bottas führte die Pole-Position auf ein besseres Setup zurück. In der Vorwoche war ihm im dritten Qualifikationsdurchgang die Balance verrutscht. Dieses Mal war der Mercedes W11 mit der Startnummer 77 vom ersten bis zum letzten Qualifikationsteil beständig. Bottas holte die Bestzeiten in Q1, Q2 und Q3. "Uns ist ein Schritt gelungen. Schon mit dem Basis-Setup im ersten Training habe ich mich wohler gefühlt. Darauf konnte ich aufbauen. Im Prinzip habe ich über das Setup und einen angepassten Fahrstil jeweils ein bisschen Rundenzeit gefunden. Das hat gereicht, um Lewis heute zu schlagen."
Mercedes überall überlegen
Der Sieger des GP Österreich ging nach dem letzten Rennwochenende in Klausur, tauchte in die Daten ein und stieg in den Simulator. "Das habe ich auch getan", wirft Hamilton ein. "Es ging aber nicht um dieses Wochenende, sondern die Zukunft." Vermutlich probierten die Piloten die nächsten Upgrades aus. Zum nächsten Dreierpack in Belgien, Monza und Mugello wollen die Ingenieure nachlegen. Vielleicht gibt es einen kleinen Vorgeschmack beim GP Spanien nächste Woche.
In Silverstone sind die schnellsten Autos des Feldes unverändert. Nur die Reifen wurden gewechselt. Im dritten Quali-Durchgang schnallten die Mechaniker an beiden Autos erst den Soft und für die letzten Minuten den härteren Medium auf, der in Silverstone aber nicht langsamer ist. Am Mercedes funktionierte die etwas härtere Mischung auf eine Runde besser. "Deshalb sind wir zuerst mit dem Soft gefahren, und hinten heraus mit dem Medium als die Verhältnisse am besten waren", erklärt Bottas. Hamilton ergänzt: "Wir haben vor der Qualifikation ausgemacht, dass wir so verfahren."
Die Mercedes waren in allen Sektoren am flottesten. Der Weltmeister war der schnellste Mann im ersten und letzten Abschnitt. Bottas dafür im Mittelsektor, der mit seinen neun Kurven bis dahin eigentlich der Paradesektor des siebenmaligen Silverstone-Siegers war. "Ich habe nicht in einer speziellen Kurve den Unterschied gemacht. Es ging einfach darum, eine saubere, letzte Runde zu fahren und alle Sektoren zusammenzubringen", berichtete der Pole-Setter. Hamilton war zufrieden mit seinem ersten Run, haderte aber mit der Schlussattacke. "Da ist mir die perfekte Runde nicht gelungen. Das Auto war gut, Valtteri besser." Ansonsten gab sich Hamilton wenig auskunftsfreudig. Wie so oft nach Niederlagen wurde der 35-Jährige wortkarg und einsilbig.
Außenseiter-Strategie bei Red Bull
Die Mercedes werden auf den Medium-Reifen starten. Verstappen hingegen auf dem harten Reifen.yp. Und ihm sitzt Nico Hülkenberg im Racing Point vor der Nase. "Wir hätten Dritter werden müssen. Leider haben wir uns selbst ein bisschen verwirrt. Die Abläufe waren nicht perfekt. Ich fuhr zuerst mit den weichen Reifen, dann mit den harten, dann mit dem Medium und hinten heraus mit dem Soft. Das macht es dem Fahrer schwer, weil man sich auf die anderen Reifen immer wieder neu einstellen muss. Mit einer optimalen letzten Runde wäre ich an Hülkenberg vorbeigekommen und hätte mich den Mercedes bis auf 0,7 Sekunden genähert", glaubt Verstappen. "Im Renntrimm sind wir sicher schneller als Racing Point."
Der harte Reifen wird für ihn am Start einen Gripnachteil bedeuten. Das kann ein paar Meter ausmachen. "Ich werde die erste Runde überleben müssen. Ich mache mir aber nicht allzu große Sorgen. In der letzten Woche hatte ich auch ein paar weicher bereifte Autos hinter mir, kam aber als Dritter aus der Startrunde zurück."
Verstappen wähnt sich für den ersten Stint auf dem besseren Rennreifen. "Der Medium war letzte Woche der Soft. Und den wollte damals keiner haben." Doch um die Mercedes wenigstens zu ärgern, muss der Poker aufgehen. Verstappen spekuliert auf ein frühes Safety Car, das Mercedes zum Reifen.echsel zwingt – und ihm die Führung bringt. "Eine Außenseiter-Strategie. Aber sie müssen es wagen", meint Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Eine Einstoppstrategie sei auch mit dem harten Reifen am Start nicht machbar, befindet Verstappen. Reifen.ieferant Pirelli sieht in der mutmaßlichen Mercedes-Strategie einen von zwei schnellsten Wegen ins Ziel. Medium und danach zwei Mal den harten Reifen. Allerdings hat Pirelli die Verstappen-Strategie gar nicht auf der Rechnung.