Neuer HaasF1 VF-17 für die Formel 1-Saison 2017

HaasF1 bezieht 70 Prozent der Teile von Ferrari. Während das US-Auto letztes Jahr noch starke Ähnlichkeiten mit dem großen Bruder aufwies, trägt das zweite Modell viel mehr eine eigene Handschrift. Wir sagen wo und warum.
Das zweite Jahr ist immer das schwerste. Im ersten werden viele Einsteiger von einem Eroberungsgeist getragen und von der Konkurrenz unterschätzt. 2016 schwang sich HaasF1 zum besten Einsteiger seit Red Bull auf. Nach Platz 8 in der WM und 29 Punkten auf dem Konto gehören die Amerikaner bereits zum Establishment. Der Bonus der Nachsicht mit dem Neuling ist aufgebraucht.
Bei der Konstruktion des neuen HaasF1 VF-17 galten für den US-Rennstalls die gleichen Regeln wie für alle anderen auch. 25 Stunden pro Woche im Windkanal, 25 Teraflops Rechenkapazität in der CFD-Entwicklung. Beim ersten Auto profitierte HaasF1 noch davon, dass dem Neuling keine Grenzen gesetzt waren. Dazu kommt: Wegen der neuen Regeln beginnen alle bei Null. Auch der große Bruder Ferrari. Und da schaut jeder erst einmal auf sich selbst.
Der HaasF1 trägt jetzt auch Knollennase
So ist es kein Wunder, dass sich das zweite Auto von HaasF1 deutlich stärker von dem neuen Ferrari SF70H unterscheidet als der Vorgänger. Obwohl der Anteil an Ferrari.Komponenten gleich groß ist. HaasF1 entwickelt weiterhin nur die Teile selbst, die das Reglement verlangt: Chassis, Flügel, Verkleidung, Unterboden, Kühler. Selbst bei der Aufhängung, die im Prinzip identisch mit dem Ferrari ist, erkennen wir Unterschiede. Die Querlenker am HaasF1 sind zum Teil breiter und anders geformt. Oberer und unterer Dreieckslenker an der Vorderachse scheinen enger zusammenzustehen.
Beim Rest des Autos gibt es deutlich Alleinstellungsmerkmale. Die HaasF1-Ingenieure unter der Leitung von Rob Taylor und Ben Agathangelou haben zwar auch auf eine Knollennase umgestellt, doch ist die Nasenspitze dünner und länger und die Frontflügelhalterung nicht so weit ausgestellt wie beim Ferrari SF70H. „Wir haben diese Lösung gewählt, weil wir so mehr Luft unter dem Auto durchkriegen“, erklärt Teamchef Guenther Steiner die Abkehr von der eleganteren Mercedes-Nase.
Der Ferrari hat einen S-Schacht, der HaasF1 nicht. Jedenfalls nicht auf den Präsentations-Fotos. Allerdings fehlen auf diesen Bildern auch die Bremsbelüftungen. Vermutlich mit Absicht. Wir hören, dass sich HaasF1 mit den hinteren Bremsschächten etwas Besonderes ausgedacht hat.
Ein Unterboden mit Tablett
Auch im Bereich zwischen Vorderachse und und Seitenkasten gehen die beiden Teams unterschiedliche Wege. Ferrari mit seiner spektakulären Schleife um den Kühleinlass. HaasF1 mit einem eher konventionellen Bügelflügel, dafür aber ähnlich wie Mercedes mit einem Schwert am Chassis und einem doppoelt gestaffelten Leitblech.
Interessant ist der Unterboden im vorderen Drittel. Auf einer Länge von rund 25 Zentimeter ist ein rechteckiger Ausschnitt, der mit einem an zwei Stegen befestigten Tablett gefüllt wird. Hier werden ganz offenbar Luftwirbel erzeugt, die den Unterboden seitlich abdichten. An den Studiofotos ist ziemlich deutlich eine stärkere Anstellung des Autos nach hinten zu erkennen.
Auch bei den Kühleinlässen geht HaasF1 seinen eigenen Weg. Sie sind nicht so oval wie beim Ferrari. Ähnlich stark ausgeprägt ist bei beiden Autos der Unterschnitt der Seitenkästen im vorderen Bereich. Auch bei der Airbox ist die Formgebung unterschiedlich, das Konzept ähnlich. Der Einlass am HaasF1 VF-17 ist dreieckig, der am Ferrari SF70H oval. Beide haben eine Etage tiefer eine zusätzliche Öffnung, die Getriebe- und ERS-Kühlern Luft zuführt.
Weitere Ähnlichkeiten sind am Unterboden vor den Hinterrädern zu erkennen, im Detail aber individuell ausgeführt. Die S-förmigen Slots im Boden haben nur Ferrari und HaasF1. Das US-Auto einen mehr als Ferrari. Aus der Vogelperspektive zeigt sich am HaasF1 aber ein ungewöhnliches Detail in diesem Bereich. Der Boden rund um die Hinterräder ist zweifach eingezogen.
Das Motto von HaasF1: Größer, besser, schneller, leichter
Natürlich hat auch der US-Ferrari ein Schwert hinter der Airbox. Dank einer coolen Lackierung in den Hausfarben dunkelgrau, hellgrau, rot und schwarz fällt die Finne aber nicht so auf wie bei anderen Autos. Man kann in der Seitenansicht kaum ihre Form erkennen. Normalkost auch beim Heckflügel. Die Endplatten tragen unten sieben Fransen. Das ist bislang Rekord.
Teambesitzer und CNC-Maschinen-König Gene Haas hat an der Formel 1 und ihrer Komplexität Gefallen gefunden. Der 64-jährige Amerikaner erklärt, warum er weiterhin rund 100 Millionen Dollar in den 130 Millionen-Etat seines Teams steckt: „In der Formel 1 zu bestehen bringt dir als Unternehmen mehr Glaubwürdigkeit als jede andere Form von Werbung. Hier kannst du zeigen, was du kannst. Wenn du es schaffst, dich in der Formel zu etablieren, glauben dir die Leute, dass du auch in deinem anderen Geschäft gut sein musst.“
Haas stellt das zweite Jahr in der Königsklasse unter das Motto: „Größer, besser, schneller, leichter.“ Tatsächlich waren die Ingenieure in Kannapolis, Banbury und bei Dallara in Italien in der Lage, Gewicht zu sparen und deutlicher unter dem neuen Gewichtslimit von 728 Kilogramm zu liegen als im Vorjahr unter 702 Kilogramm. „Damit können wir mehr Ballast platzieren und bekommen so eine bessere Gewichtsverteilung“, erklärt Teamchef Steiner.
Dunkelgrau überwiegt am neuen VF-17
Weil die neuen Reifenkonstruktionen von Pirelli noch ein Fragezeichen sind, und die Ingenieure bei der rasanten Entwicklung noch nicht in der Lage sind vorherzusagen, wo die Reise mit dem Abtrieb hingeht, hat sich HaasF1 beim Fahrwerk so viel Flexibilität wie möglich erlaubt. „Nennen wir es eine eingebaute Anpassungsfähigkeit“, sagt Steiner.
Der komplett neue Aerodynamik-Ansatz dokumentiert sich auch in der neuen Farbgebung. Die Farbtöne sind zwar noch die gleichen, aber anders aufgeteilt. Dunkelgrau überwiegt und hat hellgrau in den Hintergrund gedrängt bei ungefähr gleich viel Rot und mehr Schwarz. Guenther Steiner hat keine Angst vor dem zweiten Jahr: „ Wir haben alles in dieses Auto gesteckt, was wir im ersten Jahr gelernt haben.“