Porsche 935 2018 (991.2)
Porsche baut einen Rennwagen im Retrolook, der keinem Reglement gehorcht: Der neue 935 ist technisch mit dem 911 GT2 RS verwandt und erinnert optisch an den 935 von 1978. Nun zeigt Porsche das Auto, wie Ingenieure und Mechaniker es schufen.
Der Porsche 935/78 zählt zu den prägnantesten Rennwagen der Geschichte. Eine weiße Grundlackierung, Martini-Sponsoren-Tattoos, eine sehr breite und überlange Karosserie: Diese Zutaten brachten dem Rennwagen den Kosenamen „Moby Dick“. Der weiße Pottwal fuhr 1978 vier Rennen, darunter die 24 Stunden von Le Mans. Mehr als ein achter Platz sprang nicht heraus. Trotzdem erinnern sich Rennsportfans gerne an den bis zu 365 km/h schnellen 935/78.
Das weiß selbstverständlich auch Porsche. Und weil im vergangenen Jahr der 70. Geburtstag gefeiert wurde – 1948 wurde mit dem 356 Nummer 1 Roadster der erste Porsche überhaupt für die Straße zugelassen -, beschenkte sich der Sportwagenbauer selbst. Die Motorsportabteilung baute kurzerhand einen neuen 935. 77 Exemplare wird es von der Kleinserie geben. Zum Stückpreis von 701.948 Euro plus Mehrwertsteuer. Kein Exemplar wird je ein offizielles Rennen fahren. Porsche hat den neuen 935 nicht homologiert. Auf die Rennstrecke gehört er trotzdem: Der 935 ist gebaut und gedacht für Clubsport-Veranstaltungen und private Rundstreckentrainings.
700 PS wüten im neuen Pottwal
„Dieses spektakuläre Auto ist das Geburtstagsgeschenk von Porsche Motorsport an die Fans in aller Welt“, sagte Dr. Frank-Steffen Walliser, Leiter Motorsport und GT-Fahrzeuge, bei der Enthüllung des Clubsport-Renners. „Da das Auto nicht homologiert ist, mussten Ingenieure und Designer nicht den üblichen Reglements folgen und konnten sich dementsprechend frei entfalten.“
Als Basis hält der Porsche 911 GT2 her. Die Ingenieure strecken wie beim 935/78 die Karosserie mit CFK-Anbauteilen. In der Länge überragt der moderne Pottwal den Straßensportwagen um 31,6 Zentimeter. In der Breite sind es 5,6 Zentimeter. Der Antrieb ist derselbe. Im Porsche 935 wütet ein 3,8-Liter-Sechszylinder-Boxer, den zwei Turbolader unter Druck setzen. Das Ergebnis sind 700 PS. Das sind weniger als vor 40 Jahren. Der Porsche 935/78 presste maximal 845 PS aus seinem doppelt aufgeladenen 3,2-Liter-Sechszylinder. Für den Le Mans-Marathon nahmen die Ingenieure zugunsten der Zuverlässigkeit die Leistung auf rund 750 PS zurück.
LED-Rückleuchten vom 919 Hybrid
Ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe überträgt die Power in der Reminiszenz auf die Hinterachse. 310 Millimeter breite Schlappen müssen die Leistung auf den Boden bringen. Die vorderen Radhäuser tragen auf der Oberseite Kiemen für die Entlüftung. Das bringt aerodynamische Vorteile. Am Heck dominiert ein 1.909 Millimeter breiter und 400 Millimeter tiefer Flügel. Porsche zitiert mit dem 935 viele alte Rennwagen. Neben der Formgebung weisen auch die rot verkleideten Räder auf den 935/78 hin. Die Idee der LED-Rückleuchten in den Heckflügelendplatten hat man vom Porsche 919 Hybrid übernommen, die Außenspiegel vom GT-Rennwagen 911 RSR, die markante Titanabgasanlage vom 908 von 1968.
Der Pilot sitzt auf einem Rennschalensitz, wird von einem Sechspunktgurt festgezurrt und von einem Käfig geschützt. Das Cockpit bestückt Porsche optional mit einem zweiten Sitz. Der Wählhebel des Getriebes ist in Schichtholz-Optik gestaltet und erinnert an Rennmodelle wie den 917, den 909 Bergspyder oder den Supersportwagen Carrera GT. Das Carbon-Lenkrad und das dahinterliegende Farbdisplay übernimmt der 935 vom 911 GT3 R des Modelljahres 2019, der vermutlich vom Saugmotor auf Turbotechnik umsatteln wird. Für die Fahrsicherheit stattet Porsche den 1.380 Kilogramm schweren 935 mit ESP (Porsche Stability Management) und ABS aus. Die Systeme lassen sich vollständig abschalten.
Die Farben legendärer Porsche.Rennwagen
Die Käufer beglückt Porsche ab Sommer 2019 im Rahmen exklusiver Auslieferungs-Events. Dann wird der wiederauferstandene 935 nicht mehr im Martini-Look erstrahlen, sondern in sieben anderen Farbdesigns, in denen Porsche.Rennwagen in vergangenen Zeiten große Erfolge feierten. Die vom Design-Team um Grant Larson erdachten sogenannten Liveries sollen die bekannten Lackierungen vergangener Motorsportzeiten neu interpretieren. „Wir haben die verschiedenen Renn-Epochen des 935 mittels Designprogrammen am Computer neu interpretiert und uns anfangs geometrisch am Design der Martini Racing-Variante orientiert“, sagt Larson. Alle grafischen Daten mussten jedoch neu gestaltet und per Virtual Reality auf die Außenhaut des 935 gelegt werden.
Heraus kam beispielsweise das rot-gelbe Momo-Design, das Gianpiero Morettis 935 Gruppe 5 bei den 1.000-Kilometer-Rennen in Spa, Watkins Glen und Silverstone trug. Weniger bekannt dürfte die Interscope-Farbgebung sein, in der der Rennwagen in den frühen Achtzigerjahren in den USA unterwegs war. Die weiteren Liveries präsentieren jene Looks, in denen das sehr erfolgreiche Kunden-Team Kremer Racing einst unterwegs war: Schwarz-Gold von John Player Special, Weiß-Blau von Sachs oder das auffällige Türkis des geldgebenden Heizungsherstellers Vaillant. Aber in dessen Jubiläumsjahr wird auch den legendären Lackierungen des Porsche 917 gehuldigt: Die Gulf-Farben Hellblau und Orange sind ebenso präsent wie das Weiß-Rot von Porsche Salzburg, in dem 1970 der erste Le-Mans-Sieg gelang.
Die Wiederauflage des 935 macht aber auch vollkommen nackt eine hervorragende Figur. Porsche veröffentlichte auf seinen Kanälen in den sozialen Netzwerken Fotos, die den Clubsport-Renner im reinen Karbon-Outfit zeigen und die wir in der Fotoshow zeigen. Da dürfte der ein oder andere Käufer noch mal ins Grübeln kommen, ob er vielleicht doch lieber auf das Rennsport-Outfit verzichtet.