„So ein schlechter Verlierer“

Nach zwei Spielberg-Heimsiegen in den letzten Jahren ging Red Bull dieses Mal leer aus. Neben der eigenen Zuverlässigkeit sorgte vor allem die harte Verteidigung von Lewis Hamilton gegen Alex Albon für Ärger.
Wegen der Ferrari-Schwäche ruhen die Hoffnungen der neutralen Fans dieses Jahr ganz auf Red Bull, damit es doch noch zu einem spannenden WM-Kampf kommt. Nach der enttäuschenden Leistung im Qualifying keimte kurz vor dem Rennen plötzlich neue Hoffnung auf. Die Teamführung bat die FIA-Kommissare, die Gelbe-Flaggen-Untersuchung gegen Lewis Hamilton noch einmal aufzurollen.
Der Weltmeister hatte im Qualifying seine schnellste Rundenzeit gesetzt, obwohl Valtteri Bottas vor ihm ins Kies gerutscht war. Red Bull bat um den Videobeweis. "Die Bilder der 360°-Kamera waren vergleichbar mit der Strafe gegen Max (Verstappen) in Mexiko", erklärte Teamchef Christian Horner. "Deshalb haben wir die Stewards aufgefordert, sich das noch einmal anzuschauen. Dieses Videomaterial stand in der ersten Untersuchung noch nicht zur Verfügung."
Nach Sichtung der Bilder sprachen die Schiedsrichter eine Rückversetzung Hamiltons um drei Startplätze aus – genau wie im Fall Verstappens vor einem Dreivierteljahr. Der Holländer rutschte somit kampflos in die erste Startreihe. Mit dem Vorteil des Medium-Reifens am Start hoffte man, den weichbereiften Valtteri Bottas im Rennen auch noch knacken zu können.
Verstappen-Ausfall früh im Rennen
Doch dazu sollte es nicht kommen. Schon in Runde elf stotterte plötzlich der Antrieb im Red Bull mit der Startnummer 33. Verstappen hatte erst kurz zuvor eine Motoreinstellung verändert. Red Bull sprach anschließend von einem Elektrik-Problem. "Genaueres können wir aber erst sagen, wenn die Technik von Honda genau untersucht wurde", bat Horner um Geduld.
Der Vorjahressieger von Spielberg schob verständlicherweise Frust: "So will man eine Saison natürlich nicht beginnen. Ich hatte einen besseren Start als letztes Jahr, aber dann war Valtteri vorne sehr schnell. Mit dem Sieg wäre es wohl schwierig geworden. Aber für das Podium hätte es wohl locker gereicht. So ist der Sport nun mal. Ich hoffe, dass es am nächsten Wochenende besser läuft."
Damit war das heißeste Red-Bull-Eisen nicht mehr im Feuer. Mercedes schien schon auf dem besten Weg zum Doppelsieg zu fahren, als eine Safety-Car-Phase Teamkollege Alexander Albon plötzlich eine zweite Chance bescherte. Im Gegensatz zur Konkurrenz setzte Red Bull den Thailänder auf frische Soft-Reifen.
Mit dem Grip-Vorteil machte Albon nach dem Restart direkt Attacke. Doch beim Angriff auf Hamilton kam es in Kurve 4 zur Kollision. "Alex hatte die Kurve schon für sich entschieden. Der Kontakt erfolgte am Ausgang. Ich weiß nicht, warum Lewis dort sein Rad reingehalten hat", schimpfte Horner. Albon ließ seinem Frust über Hamilton am Funk freien Lauf: "Der Typ ist so ein schlechter Verlierer!"
Genau wie in Brasilien verhinderte der Weltmeister damit das sicher geglaubte erste Podium des Youngsters. "Für Alex war es nun schon das zweite Mal innerhalb von drei Rennen, das so etwas passiert. Das war echt unglücklich. Er hätte sonst eine Chance gehabt, das Rennen zu gewinnen", glaubt Horner.
Albon auf dem Weg zum ersten Sieg
Nach dem Rennen hielt sich Albon mit Anschuldigungen aber zunächst zurück: "Ich muss aufpassen, was ich sage. Am besten ich sage da gar nichts dazu außer, dass ich frustriert bin. Ich denke, dass wir das Rennen locker hätten gewinnen können. Wir hatten eine tolle Strategie, die Jungs waren schnell bei den Boxenstopps und wir hatten etwas Glück mit den Boxenstopps."
Einige Experten kritisierten Albon dafür, dass er mit dem Angriff zu ungeduldig war. Für den Piloten selbst war Abwarten aber keine Option: "Ich wusste, dass die harten Reifen an den Mercedes beim Restart noch kalt sein würden. Ich hatte mir den Plan schon zurechtgelegt, sie mir innerhalb der ersten Runden zu schnappen. Ich hatte das Manöver gegen Lewis abgeschlossen und war mit den Gedanken schon bei Bottas. Es hat mich echt überrascht, dass es noch zum Kontakt kam. Ich war ganz außen und habe extra Platz gelassen."
Am Ende fliel Albon dann mit einem Antriebsproblem ganz aus. Auch hier wartet man noch auf die Analyse von Honda. "Mit zwei Ausfällen ist das natürlich ein erschütterndes Ergebnis", klagte Red-Bull-Sportchef Helmut Marko. "Der Rammstoß von Hamilton war sicher nicht hilfreich. Mit den frischen weichen Reifen war Albon am Ende klar schneller. Man hat ja gesehen, wie er an Hamilton vorbei ist. Das hätte sicher zum Sieg gereicht."
Horner versuchte der Nullnummer noch etwas Positives abzugewinnen: "Unser RB16 ist von der Basis her ein sehr gutes Auto. Honda hat uns in Sachen Motorleistung das geliefert, was versprochen wurde. Es ist ermutigend, dass wir heute mit Max komfortabel zwischen beiden Mercedes fahren konnten. Jetzt müssen wir nur noch ein paar Balance-Probleme im Qualifying aussortieren. Dann sollten wir hoffentlich schon nächstes Wochenende stärker zurückkommen. Ich denke das Potenzial ist da, um Mercedes zu schlagen. Vielleicht nicht unbedingt im Qualifying auf dieser Strecke, aber im Verlauf dieser Saison kann sich das noch ändern, wenn man sich mal unsere Rennpace anschaut."
Red Bull geht weiter Risiko
Laut Horner könnte die Zuverlässigkeit diese Saison eine entscheidende Rolle spielen. Neun Ausfälle von 20 Autos sprechen eine eindeutige Sprache. "Wenn wir diese Jahr nur acht Rennen haben, dann ist der Einfluss der Zuverlässigkeit auf den WM-Kampf sicher groß. Mit zunehmender Zahl der Rennen sollte er aber hoffentlich abnehmen. Wir haben gesehen, dass die Randsteine hier sehr aggressiv sind. Die Vibrationen könnten einige der Probleme verursacht haben. Am Ende ist die Herausforderung aber für alle gleich."
Red Bull will seine Herangehensweise aber nicht ändern und plötzlich auf Nummr sicher gehen: "Wir sehen praktisch jedes Rennen wie ein Finale an. Beide Autos sind heute auf Sieg gefahren. Diesen Ansatz werden wir auch in den nächsten Rennen wählen."
Beim zweiten Spielberg-Rennen in sieben Tagen werden beide Autos übrigens mit den gleichen Teilen antreten. Dieses Mal war Albon noch mit einer alten Nase unterwegs, weil Ersatzteile gefehlt haben. "Bei den unterschiedlichen Teilen ging es weniger um einen Performance-Vorteil sondern um eine andere Charakteristik des Autos. Nächste Woche werden beide Autos sicher die gleiche Spezifikation nutzen. Ob das die von Max oder die von Alex sein wird, müssen wir jetzt erst noch anhand der Daten entscheiden", so Horner.