Hülkenberg nimmt Abschied
2019 war ein enttäuschendes Jahr für Renault. Der Werksrennstall überzeugte nur an der Motorenfront. Das Team gelobt für 2020 Besserung. Doch sollte Renault nicht besser alle Jetons auf 2021 setzen?
Renault ist froh, dass es vorbei ist. Es war eine Saison der Enttäuschungen für die Mannschaft mit Stammsitz im englischen Enstone. Renault schlich häufiger mit gesenkten Köpfen von der Rennstrecke als zu überzeugen. In 13 von 21 Rennen punktete der fanzösische Automobilhersteller. Richtig fette Beute gab es nur in Kanada (14 Punkte), Italien (22) und mit Abstrichen in Austin (10). Der R.S.19 verfehlte seine Entwicklungsziele.
So konnte nicht mehr herausspringen als der fünfte Platz in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Und selbst um den hat Renault bis zum letzten Rennen gezittert. Durch den chaotischen GP Brasilien kam Toro Rosso bis auf acht Punkte heran. Daniel Ricciardo bibberte bis zum Feuerwerk von Abu Dhabi. „Ich war ziemlich nervös. Ich wusste, dass Kvyat in den Punkten ist, aber nicht, wo Gasly steckt. Ich hatte schiss, dass sie uns in der WM noch überholen. Das wäre übel gewesen.“
Der Australier wurde wohl nicht informiert. Gaslys Toro Rosso verlor im Startgetümmel den Frontflügel. Da schmolzen Toro Rossos Chancen, Renault noch zu überholen, auf ein Minimum. Obwohl ohne Zählbares den Grand Prix beendete, rettete man Platz fünf um sechs Punkte vor Toro Rosso.
Pech mit Bottas und DRS
Es war der Tag, an dem Nico Hülkenberg seinen vorerst letzten Grand Prix bestritt. Sein 177. Rennen in der Königsklasse brachte dem Rheinländer keine Punkte. Dafür aber schöne Erinnerungen. Vor dem Rennen stand Renault Spalier. Hülkenberg klatschte sein Team auf dem Weg in die Garage ab. Nach dem Rennen klopfte ihm Lewis Hamilton auf die Schulter. Der Mercedes-Superstar wünschte dem Le Mans-Sieger von 2015 alles Gute. „Hoffentlich sehen wir dich bald wieder.“ Diese Szene zeigt zwei Sachen. Hamilton ist auch abseits der Rennstrecke ein Großer. Und Hülkenberg genießt in der Renngemeinde größten Respekt. Obwohl er es in seiner Formel 1-Laufbahn nie auf das Podest schaffte.
Das Abschiedsrennen hätte mit dem siebten Platz und sechs Punkten enden können. Doch dafür hätte entweder Valtteri Bottas von seiner gewohnten Startposition im Vorderfeld losfahren müssen. Oder das DRS eine Runde länger nicht funktionieren dürfen. „Ohne DRS war es ein ganz anderes Rennen. Ich dachte mir die ganze Zeit: Warum bekommt der Kerl mich nicht auf der Gerade“, berichtete Hülkenberg. Just in dem Moment, als es Rennleiter Michael Masi nach einer Technikpanne freigab, schnupfte Bottas den vorausfahrenden Renault auf.
Das Überholmanöver des Mercedes-Fahrers kostete Hülkenberg zwei Sekunden. Genau die fehlten ihm, um nach seinem Boxenstopp in Runde 18 vor Lando Norris wieder auf die Bahn zu kommen. Statt Elfter war Hülkenberg Zwölfter. Und er steckte hinter dem McLaren fest. „ Bottas hat mich eine halbe Runde zu früh überholt. Sonst hätte ein richtig gutes Ergebnis herausspringen können. Wenn ich vor Lando geblieben wäre, wäre ich in sauberer Luft gefahren. Dann hätte sich eine gute Strategie aus Soft-Medium entwickelt. Es hätte sich voll ausgezahlt, lange auf den Softreifen draußen zu bleiben.“
Reifen hinter Norris kaputt
18 Runden harrte Hülkenberg auf den heiklen weichen Reifen aus. So brachte er sich fast in eine Position, um nicht nur Norris, sondern auch Sergio Perez und Kvyat. itemprop="name" />Daniil Kvyat./span> zu schlagen. Die beiden genossen im ersten Rennteil den Luxus der freien Reifenwahl. Niemand wusste vor dem Rennen, wie groß dieser Vorteil ausfallen würde. Nach dem Grand Prix waren alle schlauer. Es war besser, am Samstag nicht ins Q3 der Qualifikation zu kommen.
Kein Fahrer hielt anfangs länger auf dem Softreifen durch. Es hätte für Hülkenberg keinen Sinn gemacht, den ersten Stint weiter auszudehnen. „Die Reifen gingen in die Knie. Hätte ich ausgeharrt, wäre auch Vettel vorbei. Dann wäre ich auch in seiner dreckigen Luft gefahren. Das hätte mich zwei weitere Sekunden gekostet.“
Norris entpuppte sich für Hülkenberg als unüberwindbares Hindernis. „Die Pace war sehr hoch. Ich hing 30 Runden hinter dem McLaren. Das fraß meine Reifen auf. Carlos und Daniel drückten von hinten. Deshalb konnte ich die Reifen nicht schonen. Am Ende haben wir den Preis bezahlt. Die Reifen waren hinüber.“
Harter Reifen killt Ricciardos Rennen
Hülkenberg wurde durchgereicht. Erst kassierte ihn Perez, dann Kvyat. Eine halbe Runde fehlte, um wenigstens einen Punkt mit ins Formel 1 lose Jahr zu nehmen. Auf der letzten langen Geraden griff Sainz an. „Carlos hat mich in Kurve 11 überholt. Ich habe versucht, in Kurve 13 zu kontern. Dabei bin ich ziemlich aggressiv abgebogen, habe den Randstein hart getroffen und hätte mich beinahe gedreht. Da ist mir Daniel noch durchgehuscht.“
Ein zweiter Stopp, wie ihn der Teamkollege einlegte, sei für ihn nicht infrage gekommen. „Ich hatte Track Position. Wir hätten mit einem zweiten Stopp sicher gegen Perez und Kvyat verloren. Man sieht es ja an Daniel. Wir haben versucht, es auszusitzen.“ Der Teamkollege konnte sich aus dem gewonnenen Duell in der Schlussrunde nichts kaufen.
Ricciardo war froh, dass eine lange und enttäuschende Saison für sein Team vorbei ist. Während Hülkenberg mit seiner Reifenfolge Soft-Medium zufrieden war, ärgerte sich Ricciardo über die Kombination Soft-Hard. Renault wagte in Runde 11 den Undercut gegen Sainz. Und man gab dem Australier für die angestrebte Fahrt bis ins Ziel, immerhin 44 Umläufe, die härteste Reifenmischung mit. Statt des ursprünglich geplanten Mediums.
„Der harte Reifen hat mein Rennen gekillt. Darauf war ich langsam wie eine Schnecke“, beschwerte sich Ricciardo in seiner gewohnt sympathischen Art. „Manchmal weiß man schon in der Outlap, dass es mit einem Reifen nichts werden wird. Ich habe es schon in Kurve acht gefühlt. Mein Popometer hat mir gesagt, dass das ein mieser Stint wird. Ich habe es nicht direkt am Funk gesagt. Ich wollte nicht negativ klingen. Nach ein paar Runden habe ich es dann dem Kommandostand mitgeteilt.“
Problembereich Fahrzeugfront./strong>
Ricciardo glaubt an Besserung im kommenden Jahr. Dann sitzt Esteban Ocon neben ihm im zweiten Renault. „Wir werden besser. Ich werde besser.“ Es sei wichtig für den Teamgeist gewesen, wenigstens den fünften Platz zu verteidigen. „Der Verlust wäre ein Schlag ins Gesicht gewesen. Finanziell und für die Motivation.“
Jetzt sind seine Künste als Motivator gefragt. „Wir sind über den Großteil der Saison unter unseren Möglichkeiten geblieben. Ich muss dafür sorgen, dass die Motivation über den Winter hochbleibt, und sich die Jungs nicht runterziehen lassen. Wenn das der Fall wäre, kommen wir nächstes Jahr nicht weiter“, sagt der siebenfache GP-Sieger. Der Pilot findet gleichzeitig kritische Worte. Die Weiterentwicklung des R.S.19 habe nicht die gewünschten Ergebnisse eingebracht.
Die Updates brachten nicht den Durchbruch. Die Piloten konstatierten nur kleine Verbesserungen. „Wir haben die Ressourcen und das Budget, es nächstes Jahr besser zu machen“, glaubt Ricciardo. Wo muss Renault ansetzen? Ricciardo: „Bei der Fahrzeugfront. Da sind wir nicht den besten Weg gegangen. Das wissen wir und ändern es. Wir können viel mehr aus dem Auto herausholen.“
2021er Auto in der Entwicklung
Renault will im nächsten Jahr den vierten Platz von McLaren zurück. Im Team sind sie trotz der mäßigen Saison überzeugt, dass das gelingen kann. „McLaren hat 2018 früh hergeschenkt, um 2019 besser aufgestellt zu sein. Es hat sich für sie ausgezahlt. In diesem Jahr konnten sie das nicht machen. Wir haben eine gute Chance, an sie heranzurücken. Der vierte Platz muss unser Ziel sein“ , sagt Einsatzleiter Alan Permane. Doch es gibt auch Stimmen im Fahrerlager, die Renault nahelegen, 2020 schon jetzt abzuhaken und als Übergangsjahr zu betrachten.
Unter dem bestehenden Regelwerk wird der französische Rennstall vielleicht wieder zur vierten Kraft aufsteigen. Je nachdem, wer den Entwicklungswettkampf gewinnt: McLaren oder Renault. Aber zu den drei Topteams wird Renault nicht aufschließen. Das würde einem Wunder gleichkommen.
Die Möglichkeit dazu ergibt sich 2021. Dann beginnt die Formel 1 von einem weißen Blatt Papier. Experten sprechen von der größten Regelrevolution der Geschichte. Das Regelwerk birgt die Chance, den goldenen Treffer zu landen, sagen Technikexperten. Wer früh seine Ressourcen auf 2021 verlagert, erhöht seine Chancen, ins Schwarze zu treffen. Renault hat bereits ein 2021er Modell im Windkanal. „ Die Entwicklung findet derzeit hauptsächlich am Simulator statt“, sagt Permane.