Pirelli macht Rennen spannend
Lewis Hamilton beschwert sich stellvertretend für seine Kollegen über die Reifen. Er hätte gerne einen Hypersoft, mit dem er einen ganzen Stint lang Tempo machen kann. Damit wären die Rennen aber noch langweiliger, meint Michael Schmidt.
Rennfahrer sind schlechte Ratgeber, wenn es um die Technik geht. Sie hätten am liebsten ein Auto, mit dem man das ganze Rennen lang Qualifikation.runden drehen kann. Und sie verfluchen Rennautos, in denen sie auf die Reifen, die Bremsen, den Spritverbrauch und den Motor aufpassen müssen. Die Kart-Generation wünscht sich ein Go-Kart zurück, mit dem sie von der ersten bis zur letzten Runde am Limit fahren können. Eines mit maximalem Abtrieb und 1.000 PS.
Lewis Hamilton muss an der Spitze des Feldes ziemlich langweilig sein, sonst hätte er nicht diese uralte Diskussion neu angestoßen. Es geht um ein Thema, das in regelmäßigen Abständen wiedergekäut wird und zu keiner Lösung führt. Der Weltmeister nahm wieder mal die Reifen unter Beschuss.
Sie sind nur gut für eine Runde. Im Rennen dreht sich alles nur darum, sie über die Distanz zu bringen. Das nennt man auf Neudeutsch Reifen.anagement. Hamilton hätte lieber mehr Boxenstopps, kürzere Stints und Reifen, auf denen er zwischendurch Qualifikation.runden drehen kann. So etwas wie Pirellis Hypersoft-Reifen mit Grip für 20 Runden. Seine Kollegen denken genauso.
Qualifying andere Disziplin
Man kann im Sinne des Sports nur hoffen, dass es nie so weit kommt. Das wäre fatal. Stellen Sie sich vor, alle wären in der Lage zu jeder Zeit annähernd die Rundenzeiten zu fahren wie in der Qualifikation. Dann würde es kein Überholmanöver geben, weil das Samstags-Tempo das Sonntags-Tempo ist. Und Mercedes wäre noch überlegener.
Die Fahrer sollten langsam mal kapieren, dass Qualifikation und Rennen zwei komplett unterschiedliche Disziplinen sein müssen. Wenn nicht, wäre das Rennen ja überflüssig. Ein kompletter Rennfahrer kann am Samstag so schnell wie möglich schnell fahren und am Sonntag so schnell wie möglich langsam. Das war in der Formel 1 schon immer so, lieber Lewis.
Es braucht im Rennen ein Korrektiv, das manche Autos mehr einbremst als andere. Der Reifen, der Grip verliert. Der Motor, dessen Leistung man zurückdrehen muss, damit er nicht so viel Sprit verbraucht. Die Bremsen, die man schonen muss, damit sie die Renndistanz schaffen. Nur daraus entsteht Spannung. Würde Pirelli perfekte Reifen bauen, hätte es die zwei Silverstone-Dramas nie gegeben. Mercedes hätte beide Grands Prix mit haushohem Vorsprung gewonnen.
Hamilton sollte wissen, dass Pirelli schon seit neun Jahren daran scheitert, ihm den Reifen zu bauen, den er gerne hätte. Es ist also ziemlich sinnlos, den Italienern einen Wunschzettel auf den Tisch zu legen. Es werden unerfüllte Wünsche bleiben.
Reifenkrieg bringt nicht viel
Der Titelverteidiger blickt wehmütig auf die Zeit zurück, in der es noch einen Reifen.rieg gab. Das ist ein bisschen verwunderlich, denn diese Zeit hat der Champion gar nicht miterlebt. Michelin verabschiedete sich nach der 2006er Saison aus der Formel 1. Danach war Bridgestone vier Jahre lang allein auf weiter Flur. Es mag sein, dass Pirelli mit Konkurrenz bessere Reifen bauen würde, doch ich habe meine Zweifel, ob sie dann so gut sein würden, wie es die Fahrer fordern.
Der Vergleich mit der Vergangenheit ist ungerecht. Nie waren die Autos so schnell wie heute. Nie hatten sie so viel Abtrieb. Nie waren sie so schwer. Seit der Turbo-Ära in den 80er Jahren hatten sie nicht mehr so viel Power. Das alles ist eine riesige Herausforderung für die Reifen.
Als Michelin und Bridgestone im Wettbewerb standen, waren die Autos 140 Kilogramm leichter als heute. Die Pole Position auf dem Hungaroring war um 6,1 Sekunden langsamer. Im letzten Bridgestone-Jahr 2010 betrug das Mindestgewicht 620 statt 746 Kilogramm. Die schnellste Trainingsrunde in Budapest lag damals 5,3 Sekunden über dem Wert von Hamilton in diesem Jahr. Auch in Silverstone und Barcelona sind die Autos um fünf Sekunden schneller als damals.
Die Frage, wie ein anderer Reifen.ersteller mit den viel höheren Belastungen umgehen würde, müsste zuerst beantwortet werden. Vielleicht wollen wir die Antwort gar nicht wissen. Seien wir froh, dass es mit Pirelli noch einen Unsicherheitsfaktor in diesem sonst so berechenbaren Spiel gibt.