Neuer Vertrag nur mit Ferrari
Durch die Corona-Krise stocken die Vertragsverhandlungen zwischen Ferrari und Sebastian Vettel. Es gibt derzeit andere Prioritäten. Andererseits bleibt genug Zeit, die Gespräche bis zum ersten Rennen abzuschließen.
Sebastian Vettel ergeht es nicht anders, als den meisten Menschen. Der 32-Jährige verbringt viel Zeit zu Hause. Mit der Familie, ohne direkten Kontakt zu Freunden. Er ist froh, dass in seinem engsten Kreis keiner von dem Virus betroffen ist. Und er leidet mit seinen Mechanikern und Ingenieuren, die in Italien noch viel stärker unter dem Virus leiden als wir in Deutschland oder Vettel in seiner Wahlheimat Schweiz.
Das eigene Grundstück verlässt der Rennfahrer nur, um einkaufen zu gehen. Oder, um eine Trainingseinheit auf dem Fahrrad zu absolvieren. Die Corona-Krise schränkt die Bewegungsfreiheit ein. Jeder muss sich zurücknehmen. "Ich müsste mal wieder zum Friseur", witzelt der viermalige Formel-1-Weltmeister in einer Videokonferenz mit Journalisten.
Keine Rennen, keine Reisen: Das verschafft Vettel Zeit, sich um Dinge zu kümmern, die ansonsten zu kurz kommen. Allen voran die Familie. "Es ist jetzt nicht so, dass ich ausschlafe und lange im Bett liege. Meine drei Kinder lassen das gar nicht zu. Wir genießen die gemeinsame Zeit. Wir haben den ganzen Tag Programm. Es wird uns nie langweilig. Zum Glück spielt auch das Wetter mit. Das gibt mir die Möglichkeit, auf das Haus zu schauen und Dinge im Garten zu erledigen."
Vettel in der digitalen Welt
Das Training vernachlässigt Vettel nicht. Er braucht kein Fitnessstudio, sondern hat alle Geräte daheim, um sich in Schuss zu halten. "Ich mache sehr viel Sport. Ich versuche, fit und an mir dran zu bleiben. Mein Programm ist ähnlich wie über den Winter. Ich verfolge einen Trainingsplan über sechs bis acht Wochen. Derzeit bin ich in der vierten Woche." Und damit an seinem Körper auch ja kein Renn-Rost anhaftet, geht Vettel sogar neue Wege. Der 32-Jährige macht es wie seine jungen Kollegen Max Verstappen, Lando Norris und Teamkollege Charles Leclerc. Vettel hat sich einen Simulator für zuhause angeschafft.
Der sonst so in der analogen Welt verhaftete Purist lässt die Digitalisierung einziehen. "Meine Freunde und andere Rennfahrer haben mehr und mehr Druck auf mich ausgeübt. Dadurch hat es in mir gekribbelt, es mal auszuprobieren", erzählt Vettel. "Ich habe jetzt meinen eigenen Simulator und muss ihn installieren. Ich habe in den Nachrichten gesehen, dass Charles ganz erfolgreich fährt. Ich muss mich jetzt erst reinfuchsen und üben. Ich will mich ja nicht blamieren. Ich verstehe es als Spaß, strebe aber keine Karriere im Simracing an."
Familienleben, Training, digitales Rennfahren – doch am liebsten würde Vettel alsbald wieder in seinen Ferrari SF1000 steigen. Doch daran ist momentan nicht zu denken. Das erste Rennen der Saison wäre momentan der GP Frankreich Ende Juni. Doch aufgrund der Verbote für Großveranstaltungen in Frankreich bis Mitte Juli wird der Termin wohl kaum zu halten sein.
Neuer Vertrag keine Priorität
Das räumt Vettel und seinem Team mehr Zeit ein, sich um die Zukunft zu kümmern. Das Arbeitspapier der beiden Parteien erlischt am Ende des Jahres. Vettel, der sich 2015 mit Ferrari verbündet hatte und zwischendurch bereits einmal verlängerte, tauscht sich zwar regelmäßig mit Teamchef Mattia Binotto aus, doch die Corona-Krise bremst die Vertragsverhandlungen aus.
"Es war jetzt nicht so, dass wir uns direkt ein paar Tage nach Australien zusammengesetzt haben. Es wurde erst einmal alles zurückgestellt, was nicht unmittelbar wichtig ist. Zunächst ging es um das Wohl der Mitarbeiter. Mir ist klar, dass der neue Vertrag keine Priorität hat. Die oberste Priorität ist es, wie wir alle mit der Situation umgehen."
Binotto hatte sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, möglichst früh für Klarheit zu sorgen. Mit Charles Leclerc hatte Ferrari das bereits im letzten Jahr getan, und mit dem Monegassen bis 2024 verlängert. Ohne Rennen kann sich Vettel zwar nicht für eine Verlängerung empfehlen, und beweisen, dass er aus vergangenen Fehlern gelernt hat und besser mit seinem Ferrari klarkommt. Auf der anderen Seite weiß Ferrari nach fünf gemeinsamen Saisons und 14 Siegen, was man an Vettel hat.
Der Heppenheimer jedenfalls legt sich fest. Ein Teamwechsel steht nicht zur Disposition. "Ich denke, dass hatte ich schon vorher klargemacht. Das ist nicht Teil der Diskussionen." Es ist wahrscheinlich, dass sich Ferrari und Vettel noch vor dem ersten Rennen auf ein Ergebnis einigen. "Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch. Wir werden nicht vor Juni oder Juli Rennen fahren. Wir haben keinen Fahrplan, aber es bleibt uns sicher genug Zeit, eine Lösung zu finden und das Thema zu Ende zu besprechen, bis es wieder losgeht. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt. Das Team und ich müssen uns damit wohlfühlen", sagt Vettel.
Schweigen über Gehaltsverzicht
Dass die neuen Autos nicht 2021, sondern erst 2022 kommen, spielt in Vettels Zukunftsplänen keine Rolle. "Das macht für mich keinen Unterschied. Es war die richtige Entscheidung für den Sport, es zu verschieben", erzählt der 53-fache GP-Sieger.
Ferrari und Vettel verhandeln über das Gehalt und die Laufzeit. Vettel macht dahingehend eine Andeutung, was er sich vorstellt. "In der Vergangenheit habe ich immer Dreijahresverträge abgeschlossen. Ich habe Erfahrung, bin aber nicht der älteste. Das Alter sollte deshalb kein limitierender Faktor sein."
Gehalt ist noch ein gutes Stichwort. Angesichts der aktuellen Lage, in der auch Konzerne wie Ferrari sparen müssen: Wie würde Vettel reagieren, sollte ihn sein Arbeitgeber um Verzicht bitten? "Das besprechen wir intern. Ich bin kein Freund davon, so etwas nach außen zu tragen. Ich will die Situation nicht ausnutzen, um mein Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren." Dafür ist Vettel nicht der Typ zu.
Hoffen auf bessere Weiterentwicklung
Sein Rennstall muss ihm eine Perspektive aufzeigen. Vettel will mindestens noch ein Mal Weltmeister werden. Dafür muss Ferrari die Dominanz von Mercedes brechen. Danach sah es nach den Wintertestfahrten in Barcelona aber nicht aus. Ferrari war hinter den Silberpfeilen und Red Bull nur die Nummer drei im Feld. "Sobald wir zum ersten Rennen fliegen, wird unsere Erwartungshaltung die gleiche sein wie vor Australien. Wir sind sicher nicht die Favoriten", sagt Vettel. Doch der Routinier hegt auch die Hoffnung, dass sein Team einen Teil des Rückstands schnell wettmacht.
Derzeit sind zwar alle Fabriken geschlossen. Das heißt aber nicht, dass die Weiterentwicklung stillsteht. "Wir können zwar nicht physisch am Auto arbeiten. Aber Gedanken sind erlaubt. Und jeder im Team wird sie sich machen und aufschreiben. Ich hoffe, dass da ein paar Geistesblitze dabei sind, die wir später in die Tat umsetzen", erzählt Vettel.
"Das ist Risiko und Chance zu gleich. Risiko, weil die anderen sich auch Gedanken machen. Chance, weil wir bei den Testfahrten das Nachsehen hatten, und mehr Zeit haben, um aufzuholen. Es wird aber nicht so sein, dass wir nach dem Shutdown den Drucker anschmeißen und sofort neue Teile rauskommen."