Trotz Funk-Chaos auf Platz 7
Endlich mal wieder ein Lichtblick für Sebastian Vettel. Der Ferrari-Pilot wagt ein Einstopp-Rennen und wird für sein Risiko belohnt. Auf dem Weg dorthin zeigt der Ferrari-Kommandostand einmal mehr Planlosigkeit.
Siebte Plätze sind für Sebastian Vettel persönliche Siege. Wenn man vom elften Startplatz aus ins Rennen geht, umso mehr. Und wenn der Teamkollege mit Elektrikproblemen ausscheidet erst recht. Nachdem Charles Leclerc in der 38. Runde aus dem Rennen genommen wurde, war Vettel Ferrari. einziges Eisen im Rennen. Der Fokus auf ein Auto hätten den Strategen eigentlich mehr Durchblick verschaffen sollen. Trotzdem herrschte Verwirrung in der Kommunikation zwischen dem Fahrer und seinem Renningenieur.
Die Ferrari.Piloten hatten ihren ersten Satz Reifen in Runde 29 abgelegt. Das warf sie auf die Plätze 12 und 14 zurück. Vettel machte sich zu dem Zeitpunkt bestenfalls Hoffnung auf einen WM-Punkt. "Uns blieb nur der Weg ins Risiko. Wir hatten nichts zu verlieren. Wären wir nicht gegen den Strom geschwommen, wären wir wahrscheinlich Elfter geworden." Zum Zeitpunkt des Boxenstopps war noch nicht ganz klar, wo die Reise hingeht. Vettel hatte je einen frischen Satz Soft, Medium und Hart in der Hinterhand. Dass Ferrari nicht ein zweites Mal auf Medium gewechselt hat, ist ein klares Indiz dafür, dass man ein Einstopp-Rennen zumindest auf der Rechnung hatte. Bei einem Tausch Medium gegen Medium wäre ein zweiter Stopp auf eine andere Reifensorte Pflicht gewesen.
Vettel nimmt Ferrari Entscheidung ab
Ferrari gab dem Einstopp-Rennen aber auch wenig Chancen, sonst hätte man bei 36 noch zu fahrenden Runden eher auf den harten Gummi oder wenigstens den frischen Satz Soft gesetzt. Mit der Wahl auf eine angefahrene Garnitur Soft folgte Ferrari zunächst einmal dem Weg von McLaren. Carlos Sainz und Lando Norris mussten aber noch einmal für eine Garnitur hart an die Box. So rechnete auch Ferrari. Die frischen weichen Reifen sollten für den Fall der Fälle ganz am Ende zum Einsatz kommen.
Als Vettel auf die Fahrer Zeit gutmachte, die sich schon am Ende ihres zweiten Stints befanden, reifte in ihm zum ersten Mal der Gedanke, auf seinen weichen Reifen durchzufahren. "Für mich war es der einzige Weg in die Punkte." Hätte er zu diesem Zeitpunkt noch einmal gestoppt, wäre er auf jeden Fall hinter Carlos Sainz, Alexander Albon, Pierre Gasly, Lando Norris, Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat gefallen und hätte sich dann schwer getan, noch Plätze gutzumachen.
Genau in dem Moment als Vettel sich mit einem Einstopp-Rennen anfreundete und er an seinen Renningenieur Ricardo Adami die Frage richtete, was jetzt der Plan sei, kam der Befehl, das Tempo zu erhöhen. Vettel legte prompt seine persönlich schnellste Rennrunde mit 1.22,707 Minuten auf die Bahn, gefolgt von vier 1.23er Zeiten. Kaum hatte er sich auf seine Verfolger Luft verschafft, fragte Adami seinen Fahrer, ob er es für möglich halte, das Rennen mit diesem Satz durchzufahren. Da wäre Vettel fast der Kragen geplatzt. "Leute, darüber haben wir vor drei Runden doch erst geredet. Ich glaube, es geht." Also Kommando zurück. Ab da bestimmte Vettel die Taktik und nicht mehr die Strategen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Kommandostand und Fahrer eine unterschiedliche Sprache sprechen. Adami fehlt im Gegensatz zu einem Pete Bonnington bei Mercedes die Autorität, klare Ansagen zu machen. Oder er traut seinem Fahrer nicht. Manchmal hat man auch das Gefühl, dass es da sprachliche Barrieren gibt. Vettel versuchte nach dem Rennen die Wogen zu glätten. "Es hätte nichts geändert, wenn ich die drei oder vier Runden nicht so angegast hätte." Der 7. Platz war das beste, auf das er hoffen durfte. Lance Stroll und Carlos Sainz waren mit ihren frischeren Reifen nicht zu halten. Vettel verlor auf Stroll bis ins Ziel noch 16,9 Sekunden. Sainz wurde 12,7 Sekunden vor ihm abgewinkt.
Teamchef Mattia Binotto stellte das Gute an dem Dialog zwischen Fahrer und Ingenieur ins Schaufenster, auch wenn er allgemein für Belustigung sorgte: "So sind wir doch zu der besten Taktik für dieses Rennen gekommen." Stimmt, aber mit Schmerzen. Zur Ehrenrettung von Ferrari sei gesagt, dass zumindest das Timing des Boxenstopps stimmte. Wenn schon ein Stopp, dann war die 29. Runde der optimale Zeitpunkt. Renault wartete mit Daniel Ricciardo sechs Runden länger und landete am Ende nur auf Rang 11. "Die Einstopp-Taktik konnte auch schiefgehen. Das hat man an Daniel gesehen", bestätigte Vettel.
Mehr Grip, mehr Vertrauen
Der vierfache Champion hatte in den letzten fünf Runden alle Hände voll zu tun, Albon, Gasly, Norris und Ricciardo abzuwehren. "Endlich hatte es mal etwas Gutes, überrundet worden zu sein. Das hat mir und den Reifen eine Runde geschenkt." Trotz des Lichtblicks war Vettel nicht ganz zufrieden. "Es ist immer noch zu viel Auf und Ab, das ich erst einmal verstehen muss. Selbst in diesem Rennen. Auf dem Satz Medium hatte ich kein gutes Gefühl. Ich war auch der Meinung, dass er länger hätte halten müssen."
Tatsächlich ging das Rundenzeiten-Duell mit Leclerc in den ersten 27 Runden 20:7 für den Monegassen aus. Als Ferrari seine beiden Fahrer an die Box beorderte, hatte Leclerc 8,1 Sekunden Vorsprung auf Vettel. Auf den weichen Reifen drehte sich das Bild um. Die ersten fünf Runden gingen im direkten Vergleich an Vettel. "Ich fühlte mich im zweiten Stint auf den weichen Reifen wesentlich komfortabler im Auto. Den Soft-Reifen konnte ich mir viel besser einteilen. Eigentlich hatte ich es umgekehrt erwartet. Es gibt da also noch ein paar Fragen zu klären. Da muss auch noch was von meiner Seite kommen."
In all dem Nebel, der Vettel immer noch umgibt, lässt sich nur eines mit Sicherheit sagen. Vettel braucht den Grip von der Aerodynamik und den Reifen, um Vertrauen ins Auto zu fassen. Leclerc kann auch mit einem weniger berechenbaren Auto leben. Deshalb lief es für Vettel in Barcelona generell besser als in Silverstone, weil die Abstimmung des Autos mehr auf Abtrieb ausgerichtet war. Und in Barcelona lief es dann am besten, wenn die weichste Gummimischung am Auto war. Getreu der Formel: mehr Grip, mehr Vertrauen. Auf den Medium-Reifen verlor er bis zu einer halben Sekunde pro Runde auf den Teamkollegen. Mit der weichsten Mischung war er zeitweise sogar schneller.