Motor-Betrieb noch strenger überwacht
Vier Wochen vor dem Saisonstart schließt die FIA mit vier neuen Technischen Direktiven mögliche Schlupflöcher im Regelwerk. Es geht um den Betrieb des Turbomotors und der Elektromaschinen. Die Direktiven gehen auf Hinweise und Anfragen von Red Bull und Mercedes zurück.
Es wird ernst. In vier Wochen startet die Formel 1 in ihre 71. WM-Saison. 31 Tage vor dem Auftakt in Österreich haben die Technikhüter des Motorsportweltverbands FIA den zehn Teams Post geschickt. Darin geht es um vier neue Technische Direktiven.
Mit diesen Weisungen will die FIA mögliche Schlupflöcher im Technischen Regelwerk schließen – und Tricksereien ausschließen. Das britische Internetportal "The Race" hatte zuerst von zwei Technischen Direktiven für die neue Saison berichtet. Tatsächlich sind es noch zwei mehr.
Verschärfte Regeln gegen Tricks
Im Allgemeinen weist die FIA die Teams an, wie sie den V6-Turbomotor und die beiden Elektromaschinen MGU-K und MGU-H im Sinne und im Wortlaut des Reglements einzusetzen haben – und was sie nicht dürfen. Oder anders: Sie legt den Herstellern weitere Fesseln an.
Hier zur Übersicht die vier neuen Technischen Direktiven:
- TD018/20 bezieht sich auf die Abgabe der Leistung aus dem Energy Recovery System (ERS)
- TD019/20 bezieht sich auf den Ölverbrauch der Motoren
- TD020/20 bezieht sich auf den Durchflussmengenbegrenzer und die Sensoren für Druck- und Temperatur der Power Unit
- TD021/20 bezieht sich auf den Benzinverbrauch
Die vier neuen Direktiven sind unseren Informationen zufolge auf Hinweise und Anfragen von Red Bull und Mercedes zurückzuführen. Beide hatten die Regelhüter gegen Ende 2019 auf mögliche Interpretationsspielräume aufmerksam gemacht, die nicht vom Reglement abgedeckt sind – und gegen es verstoßen könnten.
Geringer Ölverbrauch als schwere Aufgabe
Die FIA will mit einem aktualisierten Strom- und Spannungssensor in Zukunft noch präziser die Leistungsabgabe aus dem ERS kontrollieren. Erlaubt ist maximal eine Einspeisung von 120 Kilowatt (163 PS) für maximal 33 Sekunden pro Runde.
Beim Ölverbrauch haben die Regelhüter die Daumenschrauben deutlich stärker angezogen. Es soll unter allen Umständen verhindert werden, dass dem Benzin Öl (aus Kühlsystemen) beigemischt werden kann, um die Leistung des V6-Turbomotors zu steigern. Deshalb ist ab dieser Saison nur noch ein Ölverbrauch von maximal 0,3 Liter auf 100 Kilometer erlaubt. Im Vorjahr waren es noch 0,6 Liter.
Es ist neben dem Hauptöltank auch nur noch ein Hilfsbehälter erlaubt. Und in diesem dürfen nur noch maximal 2,5 Liter gespeichert werden. Das schreibt Artikel 7.9 des Technischen Reglements vor. Dass die neuen Vorschriften beim Ölverbrauch die Motorenhersteller Mercedes, Ferrari, Renault und Honda vor größere Probleme stellen, war bereits bei den Wintertestfahrten im Februar in Barcelona festzustellen. Offenbar gab es trotzdem noch Schlupflöcher, die nun geschlossen werden sollen.
Klarstellung zu Benzindurchfluss
Mit der Technischen Direktive 020/20 verschärft die FIA abermals die Vorschriften für den Benzindurchfluss. Das Reglement gestattet einen maximalen Durchfluss von 100 Kilogramm Benzin in der Stunde. Seit dieser Saison installiert die FIA in den Autos einen zweiten Sensor, der den Benzindurchfluss überprüft. Die Frequenzen dafür sind einzig dem Weltverband bekannt.
Es war eine Reaktion auf die Verdachtsmomente von Red Bull und Mercedes, Ferrari manipuliere den Fuel Flow Meter im Benzintank gezielt und umgehe damit in gewissen Phasen dem Maximaldurchfluss von 100 kg/h. Ferrari bestritt das stets. Red Bull hatte der FIA aufgezeigt, dass eine Manipulation der Frequenzen des Mess-Sensors durchaus möglich sei, da der Benzindurchfluss nicht permanent, sondern nur in Intervallen gemessen werde. Deshalb die Einführung des zweiten Sensors 2020.
Nach einer Technischen Direktive im Vorjahr (TD35/19) kommt jetzt eine weitere Verschärfung. In der TD020/20 wird neben dem Benzindurchfluss auch noch einmal explizit auf den Druck- und die Temperatur eingegangen – also wie das Benzin über die Pumpen an die Einspritzdüsen gelangt.
Benzinaffäre um Ferrari 2019
Die Klarstellung in TD21/20 könnte man mit der Benzinaffäre um Ferrari in Abu Dhabi 2019 in Verbindung bringen. Damals hatte das Auto von Charles Leclerc vor dem Rennen 6,6 Liter mehr getankt, als Ferrari im Protokoll angegeben hatte. Eine Überprüfung vor dem Start hatte die Diskrepanz ans Tageslicht geführt. Ferrari widersprach Behauptungen, absichtlich falsche Angaben gemacht zu haben. Das Team kam damals mit einer milden Geldstrafe von 50.000 Euro davon. Mit neuen Bestimmungen zu Messungen des Benzinverbrauchs will die FIA mögliche Tricksereien in diesem Bereich ausschließen.
In jedem Fall will der Weltverband mit den vier neuen Direktiven ein für alle Mal sicherstellen, dass die hochkomplexen Power Units zu jeder Zeit, ob im Qualifying oder Rennen, innerhalb der Reglements-Grenzen betrieben werden. Grauzonen sollen ausradiert, Betrügereien unmöglich gemacht werden.
Die FIA selbst stand nach Untersuchungen im Winter unter Beschuss. Kurz vor Ende der Wintertestfahrten hatte der Weltverband mitgeteilt, dass Ferraris Vorjahres-Antriebseinheit und die Peripherie ausgiebigen Tests unterzogen worden sei. Dabei kam heraus, dass die Techniker des Weltverbands nicht davon überzeugt wurden, dass Ferrari seine Motoren zu jeder Zeit innerhalb der Grenzen des Reglements betrieben hatte. Der Rennstall der Herzen stritt jeden Betrug gegenüber der FIA ab.
Es kam zu einem Vergleich. Ferrari erklärte sich bereit, die FIA in Zukunft bei der Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen zu unterstützen – und dass man dem Weltverband Prüfanlagen zur Überwachung der Motoren bereitstellt. Im Gegenzug macht die FIA ihre Untersuchungsergebnisse nicht öffentlich, was sieben der zehn Teams scharf kritisierten. Es ist durchaus möglich, dass die FIA ihre Checks mit Unterstützung von Ferrari durchgeführt hat, bevor die neuen Technik-Direktiven versendet wurden.