WEC Nürburgring 2016 (Rennen)

Mark Webber, Brendon Hartley und Timo Bernhard haben das 6-Stunden-Rennen am Nürburgring für sich entschieden. In einem spannenden und ereignisreichen WEC-Lauf duellierten sich Porsche und Audi um den Sieg. Toyota hatte keine Chance gegen die deutsche Konkurrenz.
Das WEC-Rennen am Nürburgring 2016 war beste Werbung für den Langstreckensport. Zahlreiche Führungswechsel und packende Zweikämpfe mit und ohne Fremdkontakt in allen Klassen prägten die 360 Minuten Rennaction in der Eifel. Am Ende triumphierte Porsche. Wie schon im Vorjahr. Und wie 2015 hießen die Sieger Mark Webber, Brendon Hartley und Timo Bernhard. Das Trio setzte sich über insgesamt 194 Rennrunden mit sechs Boxenstopps gegenüber der Konkurrenz durch.
Porsche gegen Audi: Duell um den Sieg am Nürburgring./strong>
Dahinter komplettierte Audi das Podest. Der schnellere der beiden R18 trug die Startnummer 8. Lucas di Grassi, Loic Duval und Oliver Jarvis kamen vor dem Zweimann-Team um Marcel Fässler und André Lotterer ins Ziel. Benoit Tréluyer, der eigentlich auch im Audi mit der Startnummer 7 sitzt, musste das Rennen in der Eifel nach einem Sturz vom Mountainbike auslassen.
Zu Rennbeginn konnte Fässler seine Pole-Position in die Führung ummünzen. Jarvis dagegen verlor seinen zweiten Rang gegen Bernhard, der sich zunächst in der ersten Kurve innen reinbremste und sein Manöver in der folgenden Kehre außen herum abschloss. Danach entwickelte sich ein enges Langstreckenrennen zwischen den beiden deutschen Automarken. Auch der zweite Porsche (Startnummer 2) um Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb hielt den Anschluss und mischte munter mit um die Vorgabe der vorderen Plätze. Toyota konnte das Tempo nicht gehen und verlor schon in den ersten zwei Stunden über eine Minute auf die Spitze.
Mark Webber, Brendon Hartley und Timo Bernhard hatten bis auf eine Ausnahme einen reibungslosen Sonntag. Im zweiten Stint verlor ein Reifen langsam an Luft, was das Trio zu einem verfrühten zweiten Stopp zwang, der aber im weiteren Verlauf keine negativen Konsequenzen hatte.
Lieb kollidiert mit GT-Porsche
Etwas mehr als eine Stunde vor dem Ende (156. Rennrunde) übernahm der Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 1 endgültig das Zepter und brachte den Sieg ins Ziel. Zuvor noch hatte der Porsche.Kommandostand Webber über Funk angewiesen, er möge Jani vorbeilassen, sobald der Schweizer in Schlagdistanz sei. Die Stallorder hatte seinen Grund: Die Porsche.Führung wollte dem WM-Führenden Fahrer-Trio zu einer maximalen Punktausbeute verhelfen. Doch eine Durchfahrtsstrafe gegen den Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 2 machte das Vorhaben zunichte. Marc Lieb war dem Porsche 911 RSR (LMGTE AM) mit der 88 in der sechsten Kurve ins Heck gekracht und schob den GT-Renner dabei ins Kies. Der Unfall hatte sich im 137. Umlauf ereignet – noch vor dem Porsche.Funkspruch.
Die Rennleitung zitierte Lieb zu sich. Der gebürtige Stuttgarter konnte die Bestrafung nicht abwenden. So tuckerte der fast 1.000 PS starke Rennwagen einmal unfreiwillig durch die Boxenstraße und verlor den zweiten Rang. Den versuchte sich Jani später in wilden Duellen gegen die beiden Audi zurückzuholen. Zweimal ging er allerdings als Verlierer vom Feld. Zunächst blockte ihn Duval bei einem Angriffsversuch in der ersten Spitzkehre ab. Danach wehrte er zwar die erste Attacke von Lotterer ab. Doch der dreifache Le Mans-Sieger setzte sich kurz darauf in einem Rad-an-Rad-Duell durch. Inklusive Kontakt, der am Porsche den Heckflügel an der linken Seite beschädigte. Die Rennleitung reagierte abermals und verfügte, das Porsche das betreffende Teil bei einem weiteren Stopp wechseln müsse. So blieb Dumas, Jani und Lieb nur der vierte Rang am Ende eines ereignisreichen WEC-Laufs. Schon in der Anfangsphase war Jani nach einem Kontakt mit dem Ford GT von Stefan Mücke von der Ideallinie gekreiselt.
Audi überzeugt mit Speed
Nach dem Debakel von Le Mans fand Audi am Nürburgring zu alter Stärke zurück. „Wir waren heute siegfähig“, bewertete Audi LMP1-Leiter Stefan Dreyer. Den Ingenieuren gelang es, für das Rennen in der Eifel das Reifenproblem größtenteils zu lösen. In Le Mans brachte Audi die Gummis nicht ins optimale Temperaturfenster und sammelte zu viel Abrieb auf.
„Audi hat einen saustarken Rennspeed“, warnte Porsche LMP1-Chef Fritz Enzinger schon am Samstag. Die Befürchtung bewahrheitete sich einen Tag später. Lediglich eine unglückliche Full-Course-Yellow-Phase, von der Porsche profitierte, brachte die Marke mit den vier Ringen etwas aus dem Tritt. Doch auf der Quali- und Rennpace kann Audi für den Rest der Saison aufbauen. Das neue High-Downforce-Paket funktioniert. Und im Gegensatz zu Le Mans hatte man auch die Technik im Griff. Einzig am Auto mit der Nummer 7 musste die Nase gewechselt werden, nachdem die Ingenieure einen Abtriebsverlust in den Telemetrie-Daten feststellten. Die Schnauze tauschten die Mechaniker bei einem der sechs planmäßigen Stopps.
Wie Audi und Porsche brachte auch Toyota sein drittes Aero-Kit für die Saison zum Nürburgring. Im Qualifying hinkte man der Konkurrenz um mehr als eine Sekunde hinterher. „Wir haben das Qualifying für das Rennen geopfert. Sonst wären wir nicht so weit weg gewesen“, erklärte Technik-Chef Pascal Vasselon am Samstag. Allerdings schafften es die Japaner im Rennen nicht, Porsche und Audi unter Druck zu setzen. Dem TS050 Hybrid fehlte im Gegensatz zu den Läufen in Spa und Le Mans, wo wenig Anpressdruck gefragt war, etwas an Performance. Und der Vorteil, längere Stints fahren zu können, bevor man nachtanken musste, griff am Nürburgring nicht. Womöglich hinderte auch die Reifenwahl. Im Gegensatz zur Konkurrenz wählte Toyota für den Nürburgring die Mischung Soft Hot Plus aus – ein etwas härterer Reifen verglichen mit der Soft-Hot-Variante, die Porsche und Audi an ihre Autos klebten. Die Asphalttemperaturen von maximal 28 Grad waren für Toyota wohl nicht heiß genug. „Unser Paket hatte leider für diesen Streckentyp immer noch nicht ausreichen Abtrieb erzeugt“, bedauerte Vasselon. „Und unerwartet sind wir aus dem Reifenfenster gerutscht. Das müssen wir analysieren.“
Das Ziel erreichte der besser platzierte TS050 Hybrid um Sébastien Buemi, Anthony Davidson und Kazuki Nakajima mit bereits einer Runde Rückstand. Das Schwesterauto verbrachte unfreiwillig 5:27 Minuten in der Garage. Der Grund war ein loses Teil an der Heckverkleidung. Mehr als die sechse Position war dann nicht mehr drin.
Den siebten Rang holte sich nach sechs Stunden der Rebellion-Renner mit der Startnummer 13. Dahinter überquerte das erste LMP2-Auto den Strich. Das Team Signatech Alpine (Startnummer 36) profitierte von einem Ausfall des Konkurrenten von G-Drive Racing im ersten Renndrittel. René Rast führte das LMP2-Feld souverän an. Doch ein Getriebeproblem zerstörte die Hoffnung auf den Klassensieg und resultierte in einem Ausfall. Die Top10 komplettierten RGR Sport by Morand (Startnummer 43) und Extreme Sport Motorsports (Startnummer 31).
Ferrari gewinnt in LMGTE Pro
In der LMGTE Pro gewann der Ferrari 488 von AF Corse – pilotiert von Gianmaria Bruni und James Calado. Sam Bird und Davide Rignon sicherten den Doppelerfolg ab. Aston Martin, das die GT-Pole am Vortag holte und die erste Rennphase beherrschte, musste sich mit dem dritten Platz in der GT-Wertung begnügen. Ford ist nach dem Le Mans-Sieg mit Rang vier wieder geerdet. Man wird es verschmerzen können. Für die vielleicht spektakulärste Szene des Rennens war Ford dennoch zuständig. Beim Boxenstopp des Ford GT mit der Startnummer 67 entzündete sich das Benzin und hüllte die linke Fahrzeugseite in Flammen. Das Feuer konnte aber rechtzeitig gelöscht werden. Ein defektes Kraftstoffventil soll die Ursache gewesen sein.
In der Fahrer-WM führt nach vier Läufen nach wie vor das Trio Lieb, Jani, Dumas mit je 106 Punkten. Es folgen Duval, di Grassi und Jarvis mit je 73 Zählern. In der Hersteller-Wertung belegt Porsche mit 164 Punkten den ersten Rang. Vor Audi (129) und Toyota (97).