Droht wieder ein Stillstand der Autoindustrie?
Die Autoindustrie steht am Rande einer erneuten Krise, da geopolitische Spannungen den Chipmangel erneut verschärfen können. Nachdem die Lieferketten nach der Pandemie kaum stabilisiert waren, droht jetzt ein neuer Stillstand, ausgelöst durch die Blockade eines Schlüsselzulieferers – Nexperia.
Die Autoindustrie hat den Schock des Chipmangels während und nach der Pandemie noch nicht überwunden. Lange Zeit galt die Lieferkette in der Automobilindustrie als robust und unverwundbar. Doch als die globalen Produktionsstätten plötzlich ins Stocken gerieten, stand die Branche vor einer völlig neuen Herausforderung. Automobilhersteller wie Volkswagen und Bosch sahen sich mit monatelangen Produktionsausfällen und Umsatzeinbußen konfrontiert, die ihre langfristige Planung und Strategie massiv infrage stellten.
Der Mangel an Halbleitern, der nach der Pandemie die gesamte Wirtschaft lähmte, zeigte der Autoindustrie schmerzhaft auf, wie fragil ihre globalen Lieferketten tatsächlich waren. Nexperia, ein Unternehmen, das seit Jahren ein zentraler Bestandteil dieser Lieferkette ist, steht nun im Mittelpunkt eines geopolitischen Konflikts – und könnte der Branche eine weitere Katastrophe bescheren.
Nexperia im Zentrum der geopolitischen Spannungen
Nexperia produziert Chips, die unter anderem wichtige Funktionen in Autos steuern, etwa von Fahrzeugsystemen und Sicherheitsmechanismen. Diese Chips sind nicht die neuesten High-Tech-Produkte, aber sie sind unerlässlich für die Steuerung von einfachen Funktionen in modernen Autos – und somit massenhaft im Einsatz.
Doch die geopolitische Lage hat sich dramatisch verändert. Nexperia gehört seit 2019 zum chinesischen Unternehmen Wingtech Technology, was es in den Fokus der US-amerikanischen Sanktionspolitik rückt. Im Zuge der verschärften Sanktionen gegen chinesische Unternehmen haben die USA Nexperia auf eine schwarze Liste gesetzt, was bedeutet, dass amerikanische Unternehmen keine Geschäfte mehr mit dem Unternehmen machen dürfen. Gleichzeitig hat die niederländische Regierung das Unternehmen unter seine Kontrolle genommen, um sicherzustellen, dass kritische Technologien nicht nach China gelangen.
Die Auswirkungen auf die Autoindustrie
Die Auswirkungen auf die Automobilindustrie sind unmittelbar. Nexperia ist ein wichtiger Zulieferer für Unternehmen wie Volkswagen, Bosch und Continental, die auf die Chips des Unternehmens angewiesen sind, um ihre Produktionslinien am Laufen zu halten. Ein Ausfall der Lieferungen könnte bedeuten, dass viele Automobilhersteller erneut mit Produktionsstopps und Engpässen konfrontiert sind – genauso wie kurz nach der Pandemie. Volkswagen hat bereits ein Sonderteam gebildet, um mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Doch die Umstellung auf alternative Lieferanten könnte Monate dauern.
Bosch, der weltweit größte Automobilzulieferer, steht ebenfalls unter Druck, da die Bestände an Nexperia-Chips nur noch wenige Wochen ausreichen. Die European Automobile Manufacturers Association (ACEA) warnt, dass ohne rasche politische Lösungen die Produktion in großen Teilen der Branche bald zum Erliegen kommen könnte.
Politische Lösungsansätze und die Rolle der Diplomatie
Die Herausforderung ist jetzt vor allem politischer Natur. Wolfgang Weber, Präsident des deutschen Verbands ZVEI, erklärt, dass ohne eine schnelle Lösung auf politischer Ebene "die Produktion in großen Teilen der Automobilindustrie ins Stocken geraten" könnte. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA, China und Europa sind entscheidend, um eine Lösung zu finden und die Blockade von Nexperia aufzuheben.
In Europa denken Entscheider bereits intensiv darüber nach, wie die Abhängigkeit von geopolitisch sensiblen Lieferanten verringert werden kann. Doch eine Diversifizierung der Lieferketten ist ein langfristiger Prozess, und viele Unternehmen werden auch in den kommenden Monaten auf Lieferungen aus Nexperia angewiesen sein.
Der Blick nach vorn: Was kommt als Nächstes?
Die Branche bleibt in Alarmbereitschaft. Die Auswirkungen der Pandemie sind noch nicht vollständig überwunden, und jetzt droht ein erneuter Stillstand der Produktion – mit gravierenden Folgen für einen Wirtschaftszweig, der es aktuell ohnehin nicht leicht hat. Automobilhersteller müssen alles daran setzen, ihre Lieferketten zu diversifizieren und auf unvorhergesehene Krisen besser vorbereitet zu sein.
Eine schnelle Lösung auf politischer Ebene bleibt die wichtigste Voraussetzung, um eine weitere Krise in der Automobilindustrie zu verhindern. Viele Hoffnungen ruhen auf einem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping, das noch im Oktober stattfinden soll. Doch auch die Unternehmen selbst müssen sich der Realität stellen, dass die globalisierten Lieferketten der Zukunft nicht mehr die gleiche Sicherheit bieten können wie in der Vergangenheit.