Designchef Gorden Wagener: "Es gibt nur hot und cool"
Mit dem Showcar Vision Tokyo zeigte Mercedes-Benz-Designchef Gorden Wagener, wie er und sein Team sich die automobile Zukunft vorstellen.
Das Showcar Vision Tokyo, das auf der Autoshow in der japanischen Metropole seine Weltpremiere hatte, soll ab 2030 in den Mega-Cities der Welt unterwegs sein.
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Eine Weltpremiere ist für einen Designer und sein Team die denkbar größte Bestätigung ihres Schaffens. Als Bühne dient der Messestand von Mercedes-Benz auf der Autoshow in Tokio, und Gorden Wagener, Kreativchef der Marke, stellt die Zukunft vor. Gebannt hängt das überwiegend japanische Publikum an seinen Lippen, als er mit spürbarer Begeisterung über sein jüngstes Baby spricht. Das Showcar wurde auf den Namen Vision Tokyo getauft. Das ist keine Verneigung vor der 35-Millionen-City, sondern ein Lösungsansatz von mobilen Fragen, die in wenigen Jahren Antworten verlangen. "Wir befinden uns im Jahrhundert der Mega-Cities," sagt Wagener, "und mit dem Vision Tokyo sind wir in einer Zukunft angekommen, die nach 2030 beginnt. Dieses Auto ist unglaublich cool."
Eine definierte Zielgruppe hat das Showcar auch, der Mercedes-Designchef beschreibt sie als "urbane Trendsetter". Im Visier ist die Generation Z, die nach 1995 geboren wurde und mit den neuen Medien wie selbstverständlich aufwuchs. Wenn für sie aus der Vision Realität werden sollte, sitzt man in einem Auto, das durch Algorithmen immer intelligenter wird und sich so auf die Bedürfnisse seiner Insassen immer besser einstellen kann. Die sitzen in einer entspannten Runde auf einer Coach, gefahren wird wahlweise autonom oder herkömmlich. Lenkrad und Fahrersitz können aktiviert werden. Aber eigentlich sind die Passagiere, die durch eine einzige, große Tür zugestiegen sind, mit dem beschäftigt, was sich auf den LED-Bildschirmen rund um sie abspielt. Außerdem werden Apps, Landkarten und Entertainment-Aktivitäten per Projektor in 3D als Hologramme im Raum dargestellt.
Von Außen betrachtet wirkt die Mercedes-Vision wie ein Spaceship für den Asphalt. Blaue Illuminationen heben Räder und Seitenschweller hervor, rote LED-Felder an Front und Heckscheibe blinken, wenn Richtungswechsel angezeigt werden sollen, oder die Frequenzausschläge der Musik aus dem Innenraum. Eine 360-Grad-Kamera suggeriert die notwendigen Voraussetzungen für autonomes Fahren. Dies alles sind natürlich Spielereien zur optischen Darstellung, die technisch interessanteren Werte spielen sich beim Antrieb ab. Sie lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Motoren Mercedes-Benz für die Zukunft favorisiert. Beim Showcar Vision Tokyo schwebt den Visionären ein durchaus realistischer Elektro-Hybrid vor, allerdings einer mit ambitionierten Zielen: 980 Kilometer Reichweite, 190 davon mit Batterie, der große Rest mit Strom aus der Brennstoffzelle, der an Bord gewonnen wird.
Visionen zu haben ist das Eine. Sie umzusetzen das Andere. Die Showcars von Mercedes-Benz sind Machbarkeits-Studien. Sie entstanden in den firmeneigenen Advanced Studios in Carlsbad und Sunnyvale (USA), Como (Italien), Peking (China) und Sindelfingen (Deutschland). Deren Teams stehen in ständigem Wettbewerb um die besten Designlösungen. Wie der entschieden wird, erklärt der Designchef persönlich.
Herr Wagener, welches Ihrer Designteams hatte die Idee zur Vision Tokyo?
Wagener: Das waren diesmal unsere Amerikaner. Das Auto wurde allerdings erst in der Nacht vor der Messe in Tokio fertig. Es war verdammt knapp.
Wie lange dauert die Entstehung eines solchen Showcars?
Wir Designer nennen sie "Wow!", weil wir mit ihnen zehn Jahre in die Zukunft blicken können. Für Vision Tokyo haben wir gut ein Jahr gebraucht. Unter den Vorschlägen unserer Designstudios schlage ich einen vor, dann hat der Vorstand und unser Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche das letzte Wort.
Das ist Ihr Förderer, der Sie 2008 zum Designchef von Mercedes-Benz ernannte.
Das war für viele eine unglaubliche Entscheidung. Ich war gerade mal 39 Jahre alt und bekam die Chance, die Marke völlig zu verjüngen. Das ist mir nur gelungen, weil Dieter Zetsche großes Vertrauen hatte und mich einfach machen ließ.
Wie definieren Sie Ihre Designsprache?
Für mich gibt es nur hot und cool. Das heißt Mercedes und Benz. Mercedes ist sensibel, emotional, sexy. Benz ist clean, mechanisch, modern. Alles zusammen verkörpert unsere Idee von modernem Luxus.
Der im Showcar Vision Tokyo besonders ausgeprägt ist.
Faszinierend dabei ist, dass das Auto zu einem digitalen Butler werden wird. Mehr noch zu einer Maschine, zu der man eine emotionale Beziehung aufbauen wird. Aber die haben Autokäufer immer schon gehabt, jetzt wird sie dramatisch verstärkt.
Welche Rolle spielt dabei das Design?
Bei einem Showcar sprechen wir eine Designsprache, die extrem überzogen ist. Der Trend geht aber sicherlich dazu, dass wir immer puristischer und cleaner werden. Das Ergebnis ist ein cooles Design, das digital connected ist. Das wird sich in den nächsten 15 Jahren immer weiter entwickeln. Mit unserem Forschungsauto F 015 haben wir schon gezeigt, wie autonomes Fahren in 2030 aussehen könnte.
Wie definieren Sie das Showcar Vision Tokyo?
Es verkörpert das Konzept einer automobilen Lounge für eine zukünftige Generation von Mega-Cities. Das klare, sinnliche Design definiert eine neue Ausprägung des neuen Luxus von Mercedes-Benz. Es ist luxuriös, jung und progressiv.
Und was ist Ihr persönliches Lieblingsauto?
Eindeutig der GT. Als er auf den Markt kam, habe ich ihn ein halbes Jahr gefahren. Er war für mich wie eine schöne Frau. Ich habe ihn gut behandelt.