Interview mit Frank-Steffen Walliser von Porsche

Mit dem Plug-in-Hybrid-Supersportwagen 918 Spyder ging Porsche 2013 in Vorlage, aktuell startet der rein elektrisch angetriebene Taycan. Nächster Schritt: E-718 mit 911-Turbo-Dynamik.
Wenn Sie heute noch einmal den Auftrag bekämen, einen 918 Spyder zu entwickeln: Wie stark unterscheiden sich die technischen Voraussetzungen von damals?
Die Frage stelle ich mir tatsächlich öfter. Klar ist: Es wäre wieder ein Plug-In-Hybrid. Den größten Fortschritt gab es sicher in der Batterietechnologie: Immerhin ist es schon fast zehn Jahre her, dass wir in Genf die Studie gezeigt haben. Kurz gesagt: Der Antrieb hätte mehr Leistung und wäre einen Tick leichter. Da die Spannungslage notwendig ist, die wiederum die Zellgröße vorgibt, reduziert das allerdings den Freiheitsgrad bei der Gewichtsreduktion. Die Emissionierung des Ottomotors wäre komplizierter. Ob es nochmal ein Sauger wäre? Vermutlich nicht, auch wenn ich das persönlich gerne hätte. Ein extremes Downsizing-Konzept wäre vorstellbar. Wir haben schon gewitzelt, ob es nicht mit einem V4-Motor ginge. Aber bei extrem kleinen Hubräumen muss man ja hinsichtlich der Emissionsvorschriften auch wieder vorsichtig sein. Ansonsten würde ich bis auf die Sitzlehnenneigung alles wieder genauso machen.
Wenn die Fortschritte bei der Batterietechnik so groß sind, weshalb tut sich Porsche dann so schwer, den Elfer zu elektrifizieren?Zunächst sind die Fortschritte bei der Industrialisierung immens, dazu kommt ein größeres Angebot an Zelltypen, die Pouch-Zellen beispielsweise. Sind die Zellen ausgereifter? Nein, sicher waren sie vor zehn Jahren auch schon. Aber die Kosten pro Kilowattstunde sind etwa um die Hälfte gesunken. Doch die Zellkosten sind nicht die Batteriekosten, da kommt noch die Überwachung, Sicherung und Kühlung dazu, das ist klassischer Maschinenbau. Im Gegensatz zur Halbleitertechnologie, wo sich die Größe alle 18 Monate halbiert, entwickelt sich die Zellchemie deutlich langsamer weiter.
Nun zu den spezifischen Fahrzeugkonzepten wie dem Elfer. Bitte nicht lachen, aber der ist ein relativ kleines Auto mit einem kurzen Radstand und einer sehr tiefen Sitzposition. Wenn ich da jetzt Batterien unter dem Fahrer verbaue, verliere ich die tiefe Sitzposition. Und vorne und hinten ist schlicht kein Platz. Bei einem Mittelmotor-Auto mit 2,74 Meter Radstand wie dem 918 ergibt sich ein ganz anderes Package, zumal es sich hier um einen reinen Zweisitzer handelt. Elfer-Kunden schätzen aber das Zwei-plus-Zwei-Konzept, vor allem wegen des Raumgefühls. Und das würde man im Falle einer Elektrifizierung verlieren.
Bezüglich des Gewichts wurde ich ja schon beim 918 gescholten. Am Ende zählt aber die Performance, und da hat der 918 geliefert. Man kann Gewicht schon kompensieren, das ist letztlich eine Frage des Geldes. Im günstigsten Fall wiegt der Spyder 1.648 Kilogramm, das ist gut. Über eine Hinterachslenkung beispielsweise können sie fahrdynamisch viel auffangen. Ein Panamera wiegt ja nun auch nicht wenig, fährt aber sehr anständig. Da verschieben sich ein bisschen die Maßstäbe.
Ob es uns gefällt oder nicht: Die Zeiten eines 1.200 Kilogramm-Sportwagens sind vorbei, speziell dann, wenn sie wie Porsche die Autos weltweit verkaufen und zulassen wollen. Trotzdem kämpfen wir um jedes Gramm, wir geben sogar mehr Geld für Gewichtsreduzierung aus als früher. Im Vergleich zum 991 waren die Investitionen in die Aluminium-Mischbau-Karosserie des 992 erheblich.
Der Taycan ist nun da, der vollelektrische Macan wurde bestätigt und der 718 Cayman könnte ebenfalls in einer E-Variante kommen. Muss oder will Porsche das alles?Porsche hat in der Positionierung der Marke einen Weg gefunden, Wachstum durch eine neue Modellreihe und Elektrifizierung geschickt miteinander zu kombinieren. Der Taycan ist vom Timing her perfekt, hinsichtlich der Technologie und seinem Einfluss auf die Flottenemissionen. Dabei sind wir nicht dem Trend gefolgt und haben einen SUV gebracht, sondern etwas Einzigartiges, Neues.
Was alles Weitere betrifft: Ja, da geben uns die Flottenemissionen einen Rahmen, aber man muss uns zu nichts zwingen. Ich denke, dass man dem Taycan die Freude der Ingenieure und ihre Kreativität beim Fahren anmerkt. Hätte man das unter Zwang gemacht, wären das Auto sicher gut, aber emotionslos geworden. Ja, das Fahrerlebnis ist ein anderes, aber es macht Spaß. Zudem haben wir zehn Jahre Erfahrung mit Plug-In-Hybriden und diese Technik wird uns sicher auch noch einige Jahre begleiten. Dadurch haben wir sehr früh gemerkt, was rein elektrisches Fahren bedeutet. Es hat alle begeistert, sogar beim 918.
Dennoch bleibt der 918 Spyder bislang der einzige PHEV-Sportwagen von Porsche. Warum?Wie gesagt, aus Kosten- und Architekturgründen. Das heißt nicht, dass wir uns damit nicht intensiv beschäftigt haben. Aber alles was dabei herauskam, konnte nicht überzeugen. Und speziell beim 911 sind wir ein bisschen konservativ, da die Klientel eben sehr marken- und zugleich produkttreu ist. Beim 918 hat die Hybridisierung das Auto letztlich schneller und besser gemacht. Das Konzept des Elfers stellt uns diesbezüglich vor eine riesige Herausforderung – eben wegen des Platzes. Wo bringe ich die Batterie unter, ohne die Proportionen zu zerstören? Der Elfer darf nicht größer werden, da sind wir am Maximum angekommen. Wesentlich länger oder breiter darf er nicht mehr werden.
Die Fans zittern schon: Definieren Sie „wesentlich“!Ein dicker Daumen vielleicht.
Okay. Aber sprechen wir ruhig über 911 und 718. Verstehe ich das also richtig, dass nur ein rein elektrischer Antrieb als Alternative zum Verbrenner infrage kommt?PHEVs funktionieren gut in den Oberklasse-Segmenten, eben bei einem Cayenne oder Panamera, vor allem hinsichtlich des Realverbrauchs. Beim Einstiegssportwagen 718 sprechen nicht nur der Platz, sondern vor allem auch die Kosten gegen dieses Konzept. Mal ganz abgesehen davon, dass Elektromobilität das Autofahren nicht günstiger machen wird. Vielleicht den Unterhalt, aber sicher nicht die Anschaffung. Das verhindert eine schnelle Verbreitung. Ein vollelektrischer Sportwagen ließe sich eher realisieren. Zumal das ein sehr emotionales Produkt sein könnte. Der wichtigste Markt für den 718 Spyder beispielsweise ist China, da verkaufen wir die Autos praktisch nur in den acht Megacities. Da könnte eine rein elektrische Variante schon Sinn ergeben. Ja, die würde schwerer werden, aber ich kann mir schon vorstellen, dass das gut fährt.
Nun, da können Sie ja eine kleine Batterie verwenden, denn in so einer Megacity spielt die Reichweite eine eher untergeordnete Rolle, oder?Ja, das stimmt schon. Aber ich brauche eine gewisse Spannungslage. Nehmen wir also mal die 800 Volt. Dafür brauche ich wiederum so und so viele Zellen, die ich einbauen muss und wenn ich die mal im Auto drin hab, dann hab ich die Reichweite ganz automatisch. Dann kommt hinzu, dass so ein Sportwagen kleiner und etwas leichter ausfällt und eine geringere Stirnfläche aufweist. Dazu noch kleinere Räder und schon habe ich eine Art Positiv-Spirale was die Reichweite betrifft.
Das klingt ja beinahe schon nach 500 Kilometern, oder?Na, da müsste es dann lange bergab gehen. Aber nach WLTP könnte man schon auf 420 oder 430 Kilometer kommen. Und das dürften die Kunden zu schätzen wissen, auch weil das Auto im Normalfall nicht das Hauptfahrzeug ist. Beim Elfer gilt das noch mehr als beim 718, da kommt das häufiger vor, auch weil die Kunden sehr jung sind – in China im Schnitt 32 Jahre, die Hälfte davon Frauen.
Und bei einem rein elektrischen 718 säße das Batteriepaket an der Stelle des Verbrennungsmotors?Das würde sich anbieten. So schlecht ist die Lage nicht. Die größte Masse mache ich in die Mitte vom Auto.
Reicht ein Motor oder könnte es auch eine Variante mit zwei E-Aggregaten geben?Generell stellt sich die Frage: Braucht ein Sportwagen Allrad und frei nach Walter Röhrl: Ein Auto ohne Allradantrieb ist ein Kompromiss? Ernsthaft: Ich kann mir beides vorstellen. Doch bei einem Mittelmotor-Konzept bekomme ich aufgrund der Einbaulage von Batterien und Motor Last auf die Hinterachse, da funktioniert das Rekuperieren dann gut. Ähnlich wie beim Elfer heute: Da lasten 63 Prozent des Gewichtes auf der Hinterachse, das bringt Traktion und das Auto hebelt beim Bremsen nicht aus. Mit geschicktem Radstand und vernünftiger Achsgeometrie bekomme ich ein ordentlichen Rekuperationspotenzial.
Man muss den Allradantrieb also nicht primär unter Traktions- sondern auch unter Rekuperationsgesichtspunkten sehen. Habe ich aber eine vernünftige Achslastverteilung braucht es nicht zwingend einen zweiten Motor. Das senkt dann wiederum Gewicht und Kosten.
Wie schwer würde dann ein solcher Sportwagen sein?Wenn ich das Auto aus einem gewissen Fenster sozusagen rauspreise, könnte ich es am Ende fünf Kilogramm leichter machen, aber es wäre dann so teuer, dass es keiner mehr kauft. Berücksichtige ich also diesen Aspekt, käme ein realistisches Gewicht von etwa 1.700 Kilogramm heraus. Im Vergleich zu einem Vierzylinder-718 ist das sicher viel, im Vergleich zu einem Vierliter-718 nicht mehr so sehr, vielleicht 200 Kilogramm. Hinzu kommt das tolle Ansprechverhalten eines E-Motors. Das kann dann ein ganz rundes Package werden.
Und so ein Auto hätte dann ja sicher auch eher über 350 PS Leistung als weniger…Ehrlich gesagt, versuche ich nicht mehr in PS oder kW zu denken. Die reinen Fahrleistungen sind die verlässlichere Richtgröße und für das Fahrerlebnis entscheidend: Was ich subjektiv an Leistung fühle, hängt ganz wesentlich von der Throttle Response ab. Wie hängt das Auto am Gas. Was nützen 700 PS bei 6.000 Umdrehungen, wenn untenherum nichts passiert? Und so ein E-Sportwagen ohne Kupplung und Aktuatorik klebt einfach am Gaspedal. Darauf muss der Fokus liegen, auf der Direktheit und der Linearität.
Hinsichtlich der Fahrleistungen bewegt sich so ein Sportwagen auf dem Niveau des 718 Cayman GT4, oder?Da bewegen wir uns in Dimensionen die haben wir vor ein paar Jahren noch in einem 911 Turbo verkauft. Aber bei aller Beschleunigung entscheidet einfach das Gesamtpaket. Fahre ich das mit einer festen Übersetzung? Nutze ich ein Zweiganggetriebe? Und dann: Die klassischen Sportwagen-Tugenden, wie es lenkt, wie es bremst, wie ist das Eigenlenkverhalten, das alles muss exzellent ausgeführt werden. Ich kann mir die Pakete da sehr gut vorstellen. Und ganz spannend ist es dann, elektrisch offen zu fahren. Das ist nochmal eine ganz andere Dimension.
Dennoch spielt bei den Sportwagen offenbar der Verbrennungsmotor in Zukunft noch lange eine wichtige Rolle. Wie geht es dann da weiter?Ja, Verbrenner begleiten uns noch sehr lange. Wir müssen da noch viel mehr auf der Seite der Kraftstoffe tun. Wir haben ja 1,3 Milliarden Bestandsfahrzeuge auf der Welt. Bestenfalls werden pro Jahr 50 bis 60 Millionen Neufahrzeuge weltweit abgesetzt. Es dauert also in Anbetracht der Klimaziele viel zu lang, den Bestand zu erneuern. Neben den E-Fahrzeugen braucht es einen weiteren Pfad, sonst geht`s nicht schnell genug. Synthetische Kraftstoffe könnten schnell etwas für die Bestandsflotte tun.
Außerdem sind E-Fahrzeuge eben noch teuer, die kann sich nicht jeder leisten. Und bis so ein E-Fahrzeug bei mobile.de steht, dass dauert noch ein bisserl. Also investieren wir weiter in Verbrennungsmotoren, auch in neue Generationen. Ein Elfer hängt noch mehr daran als ein Boxster oder ein Cayman. Frei nach Ferry Porsche: Der letzte Sportwagen mit Verbrennungsmotor wird ein 911er sein. Da drängt mich jetzt wenig, den auf vollelektrisch umzustellen. Und wenn wir beim Kraftstoff etwas tun, kann das einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Ein Sportwagen kann bei der Effizienz immer Vorreiter sein.
Wie sieht denn diese kommende Generation an Verbrennern aus?Mit dem Fokus auf Europa und der Annahme, dass China der Gesetzgebung wie bislang der in Europa folgt, ist davon auszugehen, dass die Motoren wieder größer werden, da die Emissionen über die Lebensdauer und realen Bedingungen die entscheidenden Richtwerte sind. Das bedeutet gewaltige Anstrengungen, vor allem, wenn wir über Lambda 1 unter allen Lastbedingungen reden. Wir werden neue Turbolader-Technologien sehen, dazu 48 Volt-Hybridisierung sowie elektrifizierte Nebenaggregate, die beiden letzteren eben auch im Sportwagen-Bereich. Dadurch verbessert sich das Ansprechverhalten, vielleicht gehen Einparkvorgänge rein elektrisch vonstatten.
Kommen also Lader-Konzepte ähnlich derer in der Formel 1 zum Einsatz, bei denen der Abgasstrom einen Generator antreibt?Prinzipiell ist das möglich, da brauche ich eben eine entsprechend dimensionierte Batterie, aber nicht zwangsläufig einen PHEV. In jedem Fall bedeutet das einen hohen Entwicklungsaufwand und somit hohe Kosten. Es gehört dennoch sicher zu den Technologien, die wir in der Zukunft häufiger sehen.
Tut sich denn bei den Werkstoffen noch etwas?Da sehe ich keine großen Sprünge. Aber es schwappt noch einiges aus dem Motorsport herüber. Neben dem angesprochenen Turbolader beispielsweise auch Vorkammer-Einspritzsysteme. Da stellt sich die Frage nach einem aktiven oder passiven System, habe ich also vor der Zündkerze noch eine zusätzliche Brennkammer oder nicht. Bei einem kompakten Brennraum bringt das fast nichts, bei einem Großkolbenmotor dagegen schon.
Jedenfalls werden die ganzen Motoren nochmal auf links gedreht: Miller Cycle, Ladungswechsel, das schaut man sich alles nochmal an. Andererseits, wenn man sagt, Elektrifizierung kommt rein, dann kann das die ein oder andere aufwendige Technologie auch überflüssig machen.Zum Beispiel über Nockenwellenverstellungen geregelte Ladungswechsel.
Wenn Mild-Hybrid-Konzepte für Sportwagen funktionieren, gilt das auch für die radikalen GT-Modelle?Ja, das denke ich schon, auch wenn da die Anforderungen hinsichtlich des Gewichts nochmals höher sind. Sollte es zum Erhalt des Saugmotors führen, kann ich mir eine Elektrifizierung erst recht vorstellen. Dann befeuert die Elektrifizierung sozusagen die emotionale Komponente. Das wäre natürlich eine zusätzliche Motivation. Gleichzeitig schafft man sich damit ein Alleinstellungsmerkmal.