„Der Diesel hat keine Deadline“
Wir haben mit Mazda-Managern im Rahmen der Tokio Motor Show 2019 über die Zukunft der Marke gesprochen. Mit spannenden Erkenntnissen zu Modellpolitik und Ausrichtung.
Auf der Tokio Motor Show 2019 stand bei Mazda alles im Zeichen der Elektromobilität, denn hier enthüllten die Japaner ihr erstes rein elektrisch betriebenes Großserienauto – den MX-30 e-Skyactiv (2012 hatte Mazda in Japan mit dem Mazda 2 EV bereits ein E-Auto in Kleinstserie im Programm). Ein Kompakt-SUV, das in seinen Abmessungen in etwa dem bereits bekannten CX-30 entspricht. Fällt damit der Startschuss einer Elektro-Revolution bei Mazda? Jein. Zumindest wird es in absehbarer Zukunft nicht so sein, dass nur noch Elektroautos aus dem Werk rollen. Obwohl Ichiro Hirose, Chef Antriebsentwicklung und integrierte Systeme, als Losung für die Zukunft das Codewort „CASE“ ausgibt. Das steht für Connected Autonomous Shared Electric.
Diesel hat Zukunft
Obwohl Mazda als Automobilhersteller natürlich politischen Reglements wie der 95 Gramm CO2-Grenze in der EU unterworfen ist, betrachtet der Hersteller das Klima (richtigerweise) als globale Angelegenheit, die allen Menschen ein lebenswertes Umfeld schaffen soll. Dass dafür am Ende an der Emissionsschraube gedreht werden muss, ist klar. In einer Zukunftsprognose bis ins Jahr 2050 sehen die Japaner dafür den reinen Verbrenner am unteren Ende der Verkaufs-Nahrungskette – aber nicht als ausgestorbene Gattung. „Der Diesel hat bei uns keine Deadline. Um Emissionen zu reduzieren, wollen wir nicht einfach vollumfänglich auf Elektromobilität umstellen, sondern weiterhin unsere Verbrennungsmotoren optimieren“, erklärt Ichiro Hirose.
Dafür müsse man die unterschiedlichen Märkte allerdings gesondert betrachten, so der Mazda-Manager weiter. Es mache nur dort nachhaltig Sinn, den Absatz von Elektroautos signifikant zu steigern, wo auch sauberer Strom gewonnen wird. Im globalen Durchschnitt liegt die Energiegewinnung aus fossilen Quellen noch bei knapp unter 70 Prozent. Würde man also beispielsweise den indischen Markt mit Elektrofahrzeugen fluten, müsste der Mehrbedarf an Strom durch Kohlekraftwerke abgefangen werden. Dass am Ende der Gleichung keine Reduktion von Emissionen erzielt wird, liegt auf der Hand.
Recycling-Benzin aus Mikroalgen
Dafür hat Mazda jedoch einen Verbrennungsmotor-basierten Lösungsansatz parat, wie ein aktuelles Forschungsprojekt des Autobauers in Kooperation mit unterschiedlichen Instituten wie etwa dem Tokyo Institute of Technology zeigt. Das Team arbeitet an der Herstellung von Recycling-Benzin auf Mikroalgen-Basis. Dabei geht es um die Kultivierung von Algen, die Öl in sich aufnehmen – ein Prozess der die CO2-Bilanz kaum belastet. Recycling-Benzin wäre dann die Maßnahme für all diejenigen Märkte, in denen Strom vorrangig nicht aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.
Insgesamt geht dabei auch in die Rechnung mit ein, dass der Bau eines Elektroautos die Umwelt stärker belastet, als die Herstellung eines konventionellen Verbrenners – wenn man den kompletten Lebenszyklus von Rohstoff-Beschaffung bis Entsorgung des ausgedienten Autos betrachtet. Dabei verursache die Anfertigung größerer Batterien mehr CO2-Emissionen, wie Hirose feststellt. Daher gelte es, ein sinnvolles Verhältnis zwischen Anwendungsbereich und Konstruktion zu finden – also nur so viel Reichweite ermöglichen, wie tatsächlich gebraucht wird. Der neue Mazda MX-30 schafft beispielsweise 200 Kilometer laut WLTP.
Diesel und E-Auto gleich effizient
Den Berechnungen des japanischen Herstellers zufolge ist so ein Elektroauto über seine komplette Lebenszeit interessanterweise nur geringfügig besser, oder gleich effizient in Sachen CO2-Verbrauch, wie ein Diesel. Zumindest, wenn man den durchschnittlichen europäischen Energie-Mix zugrunde legt. Dieser Umstand ergibt sich aus der Wechselwirkung von gesteigerten Emissionen eines BEV bei der Konstruktion und gesteigerten Emissionen eines Verbrenners bei der Benutzung. Würde man ausschließlich auf Strom aus Solarenergie zurückgreifen, wäre das Elektroauto freilich deutlich effizienter.
Ein anderer Ansatz für die möglichst CO2-effiziente Bedienung aller Märkte ist die Nutzung eines skalierbaren Range-Extenders. Den plant Mazda in Form eines Wankelmotors, der nicht mit dem Antriebsstrang verbunden wird, sondern lediglich als Generator für den Akku fungiert. So würde man beispielsweise für Norwegen (wegen des guten Strommix) ein Auto mit größerer Batterie und kleinerem Wankel vorsehen, für Länder wie China oder die USA entsprechend umgekehrt. „Die Konstruktionsphase ist noch nicht ganz abgeschlossen“, verrät Yasuhiro Aoyama, Präsident Mazda Europe, im Interview. „Da wir die Patente auf den Wankelmotor halten, können wir einen solchen Generator kosteneffizient ins Portfolio aufnehmen. Zudem erachten wir dieses Konstruktionsprinzip als optimal in puncto Gewicht, Laufruhe, Abmessungen und Vielseitigkeit.“ Wie groß der Zugewinn an Reichweite präzise sein wird, konnte man uns allerdings noch nicht beantworten.
Der Wankel tankt alles
Vielseitig deshalb, weil der Wankel-Generator mit jeglichen Kraftstoffen betankt werden kann. Laut Mazda soll der Generator mit Benzin, Diesel, CNG oder Wasserstoff betrieben werden können. Je nachdem, was am Ort der Anwendung die beste CO2-Bilanz vorweisen kann. Ob damit das Thema Brennstoffzelle für den Hersteller komplett vom Tisch ist? „Die Brennstoffzelle ist eine Frage des Timinigs. Und ihre Zeit in Bezug auf Massenmarkt-taugliche Produktionsbedingungen ist noch nicht gekommen“, konstatiert Aoyama. Neben Elektroautos mit oder ohne Range Extender stehen für die kommenden auch Hybrid-Modelle auf der Agenda. Darunter übrigens, wie man uns verraten hat, ein Plug-In-Modell mit Sechszylinder. Das allerdings ging auch bereits aus dem Quartalsbericht vom März 2019 hervor.
Dass nun ausgerechnet ein SUV den batterieelektrischen Startschuss für Mazda markiert, begründet Yasuhiro Aoyama ganz simpel mit der Nachfrage: „Das ist die Kategorie von Fahrzeug, die vom Kunden verlangt wird. Mehrheitlich wollen Mazda-Käufer gut ausgestattete Autos mit ausreichend Platz für die kleinen Abenteuer des Alltags. Das lässt sich in einem Crossover-Modell am besten vereinen.“ Auch der Zeitpunkt der Markteinführung liegt in der Nachfrage begründet. So gebe es mittlerweile ein ausreichend großes Absatzpotential, um die gesteigerten Produktionskosten eines EV-Modells zu rechtfertigen und über die Menge an Autos auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Ein Umstand, der wie bereits erwähnt, auf die Brennstoffzelle bislang nicht zutrifft. Die entsprechenden Konstruktionspläne allerdings, sollen startklar im firmeneigenen Technik-Archiv liegen.