Führerschein total digital

Freiheit, Unabhängigkeit oder schlicht die Mobilität sichern: Die Gründe, die Fahrschulbank zu drücken, sind vielfältig. Der Unterricht in Deutschland findet aber nach wie vor überwiegend analog statt – und das soll auch so bleiben. Dass es auch ganz anders geht, zeigt eine Fahrschule in Peking.
Peter Schulz zählt durch. "Eigentlich haben sich für heute mehr Leute angekündigt. Warten wir noch einen Moment, bevor es losgeht", sagt er und blickt dabei auf die große Leinwand mit vielen jungen Gesichtern. Darunter stehen Namen wie Jana, Felix, Vlad, Erfan, Robert, Carlos, Zeynab, Justin und Paula. Alles Fahrschüler, die der 34- jährige Fahrlehreranwärter aus Franken heute im Theorieunterricht zum Thema "Straßenverkehr und seine Nutzungssysteme" zusammen mit dem Fahrschulchef Thorsten Heidingsfelder begrüßt.
Anders als im Fahrschulgesetz verankert, findet der Unterricht seit knapp zwei Jahren nur digital statt. Eine Ausnahmegenehmigung des bayerischen Verkehrsministeriums macht es möglich. Denn die coronabedingten Einschränkungen in Sachen Bildung treffen nicht nur Schulen, Kitas und Unis. Auch die Fahrausbilder sind gezwungen, auf Hygienemaßnahmen zu achten und die Kontaktbeschränkungen einzuhalten. Fernunterricht ist daher auch in vielen Fahrschulen kein Fremdwort mehr.
Digitaler Theorieunterricht
Thorsten Heidingsfelder hat seine Fahrschulräume deshalb aufgerüstet. Seinen Schülern begegnet er mit Technik, nach der sich engagierte Lehrer an öffentlichen Schulen die Finger lecken würden: Ein Smartboard, einen Beamer und ein digitales Flipboard hatte er schon vor der Pandemie im Einsatz. Für den Fernunterricht besorgte er noch vier Kameras, Licht und drei Monitore. Ob Heidingsfelder dieses Format aber weiterführen kann, ist unklar. Der Grund: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und das Bundesministerium des Innern und für Heimat haben dem Bundesrat Anfang des Jahres den Entwurf einer 15. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften übersandt.
Konkreter Inhalt: bundeseinheitliche Rahmenbedingungen, unter denen die nach Landesrecht zuständigen Behörden im Wege von Ausnahmen digitalen Theorieunterricht in Fahrschulen zulassen können: "Den obersten Landesbehörden soll in begründeten Ausnahmefällen, in denen ein Präsenzunterricht in den Fahrschulen nicht möglich ist, die Möglichkeit eröffnet werden, Genehmigungen auch für digitalen Unterricht zu erteilen", heißt es in einer Pressemitteilung. Die Rede ist also von "begründeten Ausnahmefällen", was in der Praxis nichts anderes bedeuten dürfte: Zum Normalfall wird digitaler Fahrschulunterricht also nach der Pandemie nicht werden. Stattdessen dürfte es eher wieder zurück zum Präsenzunterricht gehen.
Führerschein mal anders
Deutlich digitaler ist man da schon in vielen anderen Ländern unterwegs – im wahrsten Sinne des Wortes. Beispiel China: In Peking absolvieren jedes Jahr Tausende von Menschen ihre Fahrschulprüfung an der Eastern Pioneer Driving School, einer Schule der etwas anderen Art. Dabei sitzen die Schüler nicht einmal im Praxisunterricht in einem Auto, sondern in einem Simulator. Richtig gelesen: Dazu müssen die angehenden Autofahrer einfach nur mit dem Smartphone einen QR-Code abscannen – und los geht’s!
Software statt Prüfungslehrer
Zur Prüfung geht es dann aber in ein "richtiges" Auto. Trotzdem: Gefahren wird nicht im Realverkehr, sondern nur auf einem Testgelände. Die Straßen Pekings sind zu voll und hektisch, um darauf die Verkehrsregeln lernen zu können. Weiterer Unterschied im Vergleich zu Deutschland: Einen Prüfer auf dem Rücksitz sucht man vergebens. Stattdessen entscheidet eine spezielle Software, ob die vorgegebenen Aufgaben – darunter seitliches Einparken und Anfahren am Berg – korrekt absolviert wurden. Die Kosten belaufen sich insgesamt auf rund 750 Euro. Kein Schnäppchen: Das Durchschnittsgehalt pro Monat in China lag 2019 laut dem Online-Portal Statista umgerechnet bei etwas über 1000 Euro.
Streichelzoo zur Beruhigung
Wer die Prüfung besteht, darf allerdings nicht sofort in ein Auto steigen und losfahren: Wer in China einen Benziner anmelden will, muss an einem Losverfahren teilnehmen. Die Chance, zu den glücklichen Gewinnern zu gehören, liegt bei unter fünf Prozent. Wer ein E-Auto kauft, ist von der Regel ausgenommen. Weiterer Funfact: Um den Stress vor der Prüfung zu minimieren, besitzt die Fahrschule auch einen Streichelzoo.