CarCert sagt Tacho-Manipulation den Kampf an

Echtheits-Zertifikat für den Kilometerstand: CarCert sagt Tacho-Manipulation den Kampf an
Das Wiesbadener Unternehmen CarCert verifiziert Gebrauchtwagen-Lebensläufe, stellt dabei die Richtigkeit der Kilometerstände sicher und will so Kunden vor Tachobetrug schützen.
Tachostände sind nach wie vor leicht manipulierbar. Das gilt nicht nur für alte Gebrauchte, sondern ebenfalls für neuere Fahrzeuge. Dabei sieht eine gesetzliche Regelung seit September 2017 doch eigentlich einen systematischen Tacho-Schutz durch die Hersteller vor. In der Praxis nimmt die Automobilindustrie das Thema offenbar weniger ernst. Das zeigte erst kürzlich wieder eine ADAC-Untersuchung, bei der Techniker an den Kilometerständen eines Ford Kuga (2019), eines Opel Grandland X (2020) sowie eines Peugeot 208 (2019) schraubten. Mit Erfolg. Binnen weniger Minuten waren die Tachos manipuliert. Wie einfach das geht, verrät die obige Fotoshow.
Nach Angaben der Polizei wird bei jedem dritten Gebrauchtwagen gemogelt, im Schnitt zahlen Kunden deshalb 2.600 Euro zu viel. Das 2016 in Wiesbaden gegründete Unternehmen CarCert geht das Problem jetzt mit einem Zertifikat über den Fahrzeug-Lebenslauf an, um den Betrügereien entgegenzuwirken.
Exakte Dokumentation der Historie
Wie das genau ausschaut? Nun, in die knapp 30 Euro teure Beurkundung packt CarCert die wichtigsten Infos und Daten des Fahrzeugs hinein. Dazu gehören beispielsweise historische Kilometerstände oder die Ergebnisse sämtlicher Hauptuntersuchung.n. Zudem berücksichtigt das Unternehmen Referenz-Laufleistungen identischer Modelle, Erstzulassungs-Daten, Hersteller-Rückrufe sowie den Import-Check. An die Daten gelangt CarCert über Schnittstellen von mehreren Einrichtungen und Unternehmen. Es handelt sich dabei um für Hauptuntersuchung.n zuständige Prüfstellen sowie die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH. Letztere hat laut Straßenverkehrsgesetz Zugang zu den Fahrzeugdaten von Prüforganisationen wie TÜV oder DEKRA. Technische Infos zu Hersteller-Rückrufen steuert der ADAC bei. Gebrauchtwagenmarkt-Daten liefert die von den Automobilverbänden getragene Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT).
Beweiskraft durch verschiedene Quellen
Dabei nur auf einzelne Quellen zu setzen, genügt CarCert nicht. Warum? Das verdeutlicht ein Beispiel des ADAC, der bereits Betrugsfälle in Kilometerstands-Datenbanken nachwies. So attestierte eine niederländische Datenbank einem BMW 330xd einen Tachostand von etwa 130.000 Kilometer. Nach einem Motorschaden stellte sich heraus, dass der Wagen schon drei Jahre zuvor satte 180.000 Kilometer runter hatte, bevor er mit offiziell angegebenen 40.000 Kilometern nach Holland verkauft wurde. Um auf derart falsche Vermerke nicht reinzufallen, prüft CarCert die Historie ganz bewusst anhand zahlreicher Quellen und führt dann den Plausibilitäts-Check durch. Außerdem: Neufahrzeuge müssen erst nach drei Jahren zur ersten Hauptuntersuchung. Bis dahin schreibt also auch noch keine Prüfstelle den Kilometerstand nieder. Deshalb können Manipulationen für diesen Zeitraum nur durch unterschiedliche Hersteller-, Händler, und Werkstattdaten aus der DAT-Datenbank ausgeschlossen werden.
Und der Datenschutz?
Die Erlaubnis für besagte Datenabrufe basiert auf den Datenauskunfts-Ersuchen nach Artikel 15 DSGVO. Der Halter eines Fahrzeugs darf seine personenbezogenen Daten in einer Selbstauskunft anfragen. Autohersteller, TÜV und andere Datenbesitzer müssen die Infos für das Vehikel mit der jeweiligen Fahrzeug-Identifikationsnummer zur Verfügung stellen. Dieses Recht überträgt der Fahrzeughalter auf CarCert. Das Unternehmen vertritt also den Eigentümer, sammelt die Daten und bündelt alles in einem digitalen Zertifikat. Die Vorbesitzer müssen nicht in Kenntnis gesetzt werden. Damit gesetztlich alles klar geht, hat sich CarCert extra Hilfe beim ehemaligen schleswig-holsteinischen Datenschutz-Beauftragten Thilo Weichert geholt. "Die Fahrzeug-Identifikationsnummer und die Kilometerstände sind personenbezogene Daten, die dem Halter des Autos gehören", erklärte Weichert, der ein entsprechendes Rechtsgutachten für CarCert auflegte.
Wer schweigt, haftet
Übrigens: Aufgrund einer Änderung im Kaufrecht ab dem 1. Januar 2022 muss der Verkäufer eines Fahrzeugs Manipulationen des Kilometerstands als "Abweichungen vom Normalzustand" werten. Weist er den Käufer vorab nicht ausdrücklich darauf hin, macht er sich strafbar. Laut CarCert-Geschäftsführer Patrick Schwenka gebe es "nun endlich auch für Gebrauchtwagen-Käufer und -Verkäufer in Deutschland ein wirksames Instrument gegen Tacho-Manipulation". Er sei erfreut, dass sein Angebot den hohen Anforderungen des Datenschutzes gerecht werde.