Der VW e-Crafter im Praxistest

Der Elektroantrieb ist noch nicht für den Reisemobileinsatz tauglich. Ja. Aber wie fühlt sich so ein e-Transporter in der Praxis eigentlich an?
Diese Ruhe! Ich weiß den sonoren Sound eines wohlklingenden Verbrennungsmotors durchaus zu schätzen zu schätzen, doch diese Ruhe beim Dahingleiten ist für mich der größte Vorteil des Elektroantriebs. Okay, die gängigen Basisfahrzeuge mit konventionellem Dieselmotor sind über die letzten drei Jahrzehnte auch hörbar leiser geworden, aber im e-Crafter ist außer dem Abrollgeräusch der Reifen praktisch nichts zu hören. Man gewöhnt sich auch erstaunlich schnell daran, dass der Motor nur angeschaltet und nicht angelassen wird, an den spontanen Vortrieb beim kleinsten Tipp auf das Gaspedal und die völlige Abwesenheit von Gangwechseln. So beschleunigt der e-Crafter kontinuierlich wie am Gummiband gezogen. Die Permanentmagneterregte Synchronmaschine (PSM), wie dieser Elektromotor im Fachjargon heißt, leistet 136 PS und liefert ein Drehmoment von 290 Nm. Nach unseren Messungen liegt die E-Version damit bei Beschleunigung und Elastizität gleichauf mit dem 136-PS-Diesel-Crafter.
Wie beim Verbrenner im Schubbetrieb kann man durch Gaswegnehmen bremsen. Im e-Crafter lässt sich dieser Effekt aber noch über einen deutlich breiteren Bereich feinfühlig per Gaspedal steuern. Ich ertappe mich gar immer wieder bei dem Ehrgeiz, über möglichst lange Stadtverkehrsstrecken völlig ohne Einsatz der Bremse auszukommen – und sie nur für das letzte Anhalten zu betätigen. Es bereitet auch geradezu diebische Freude, wenn bei längeren Bergabstrecken durch die sogenannte Rekuperation die Reichweite immer weiter ansteigt – also praktisch "Treibstoff zurück in den Tank fließt".
Ganz anders sieht es aus, wenn es länger bergauf geht oder starke Verbraucher wie etwa im Winter die Lüftung auf Defrosterstellung zugeschaltet werden. Dann bricht die Prognose regelrecht ein. Dass die offizielle Reichweite des VW e-Crafter von 173 Kilometern für entspannte Urlaubsreisen nicht ausreicht, ist schon in der Theorie klar. Was das in der Praxis aber wirklich bedeutet, zeigt sich erst, wenn man es am eigenen Leib ausprobiert.
Wie realistisch ist die angezeigte Reichweite?
Die Reichweite von E-Autos wird bislang nach dem wenig wirklichkeitsnahen NEFZ-Zyklus ermittelt – die Anzeige des e-Crafter ist da deutlich realistischer und prognostiziert nach der Vollladung typischerweise Werte zwischen 115 und 130 Kilometern. Zur Überprüfung der tatsächlichen Reichweite fahre ich zweimal die identische Strecke mit knapp 40 Prozent Autobahn, der Rest Landstraße und Stadtverkehr, bis die Anzeige nur noch einstellige Werte anzeigt. Der e-Crafter schafft es einmal 114, einmal 122 Kilometer weit – bedingt durch unterschiedlich dichten Verkehr. Die letzten Kilometer fahre ich dabei allerdings "im Kreis" um die Ladesäule – also wenig praxisnah.
Von den im Test erreichten Distanzen müssen darum noch mal gut 20 bis 30 Kilometer abgezogen werden, um zu einer realistisch nutzbaren Reichweitenangabe zu kommen. Denn der Adrenalin-Spiegel steigt merklich an, sinkt die Reichweitenprognose schneller als die Restkilometerangabe des Navis bis zur nächsten Ladesäule. Zumal auch bei der Ladeinfrastruktur noch längst nicht alles glatt läuft (siehe unten) und man lieber noch ein paar Reservekilometer einplanen sollte.
Doch warum erhöht VW nicht einfach die Kapazität der Akkus und damit die Reichweite des e-Crafter? Beim Blick unter den Wagenboden zeigt sich, dass noch Platz für einen größeren Stromspeicher wäre.
Batterien sind schwer – VW gibt 318 Kilo dafür an. Um eine für Transporter der 3,5-Tonnen-Klasse übliche Zuladung von 1000 Kilo zu erreichen, wurde die Akkukapazität auf 35,8 kW/h begrenzt. Damit dennoch eine Reichweite von wenigstens 100 Kilometern garantiert ist, wurde der e-Crafter zudem bei Tempo 90 abgeregelt. VW schneidert seinen Elektrotransporter also konsequent auf den urbanen Lieferverkehr zu – das ist auch der einzig sinnvolle Anwendungsbereich, zumindest bislang. Weitere Hürde sind die sehr hohen Anschaffungskosten von fast 83 000 Euro – auch wenn der e-Crafter besser ausgestattet ist als die Diesel-Variante.
Daten und Messwerte
Modell: VW e-CrafterMotor: PSM (Permanentmagneterregte Synchronmaschine)Leistung: 100 kW/136 PS bei 3300–11 700/minDrehmoment: 290 Nm bei 0–3300/minGetriebe: 1-Gang-GetriebeAntrieb: VorderradantriebBatterietyp: Lithium-IonenNennkapazität: 35,8 kWhBatteriegewicht: 318 kgBeschleunigung (0–50/80 km/h): 5,8/12,2 sElastizität (60–80 km/h): 6,9 sInnengeräusche(0/50/80 km/h): 42/57/64 dB(A)Reichweite im Testbetrieb: 114–122 kmLeer-/Gesamt-/Testgewicht: 2505/3500/3500 kgGrundpreis: 82.748 Euro
Wie bekomme ich die e-crafter-Batterie wieder voll?
Es klingt ganz einfach. Mithilfe einer App wie Plugsurfing sieht man auf der Karte alle Ladestationen in der Umgebung. Es wird sogar angezeigt, ob die Säulen aktuell frei oder belegt sind. Zudem kann man nachschauen, mit wie viel Leistung in Kilowatt geladen wird und was der Strom kostet. In manchen Fällen ist das Nachladen sogar gratis, wie bei einigen Discount-Märkten. Für die häufigeren Bezahlsäulen registriert man sich zuvor einmalig mit seiner Bankverbindung und bekommt dann einen RFID-Chip, mit dem man sich an der Ladestation autorisiert und die Ladung startet. Abgerechnet wird hinterher per Abbuchung.
Alternativ ist auch das Laden an jeder Haushaltssteckdose möglich. Dafür wird beim e-Crafter ein spezielles Ladekabel mitgeliefert. Je nach Leistungsfähigkeit der Ladestelle ergeben sich allerdings sehr unterschiedliche Ladedauern. Bei unseren Tests war die e-Crafter-Batterie an einer 50-kW-Schnellladesäule bereits nach 70 Minuten wieder komplett voll, während das Aufladen an der Haushaltssteckdose gut 16 Stunden dauerte. Künftig sollen Schnellladesäulen mit 75 oder 100 kW den Vorgang weiter beschleunigen. So weit, so gut.
Schon in der relativ kurzen Testzeit mit dem e-Crafter zeigten sich allerdings auch manche Probleme: Ladesäulen, die defekt oder belegt waren, obwohl die App sie als frei meldete. Stationen, die den RFID-Chip nicht erkannten, und vor allem Stromsäulen, an die man gar nicht oder nur mit Mühe nahe genug heranfahren konnte, um die oft relativ kurzen Schnellladekabel in die Ladebuchse zu stecken. Beim e-Crafter sitzt sie nämlich an der B-Säule, wie sonst der Dieselstutzen auch. Elektro-Pkw haben dagegen meist den Stromanschluss im Kühlergrill oder am Heck, so kommt man näher an frontal anzufahrende Ladesäulen.