Camping-Spezialist baut Elektro-Bulli
Schneller als VW: Flowcamper baut den Transporter zum Elektro-Campervan aus – zusammen mit dem Startup naext. Basis ist ein ausrangierter VW T5 oder T6. Erste Probefahrt.
Das Prinzip von Flowcamper ist so einfach wie genial: Dann kommt der Verbrenner raus und ein Elektromotor rein. Und die Batterie unters Fahrzeug. Der Umbausatz umfasst einen Akku mit 70 kWh Kapazität. Und natürlich das ganze Elektro- und Lademanagement.
Eine Videovorstellung von Frieda Volt finden Sie hier:
Ist das alles wirklich so einfach? Nunja, eigentlich schon. Basis sind gebrauchte VW-Busse, die ihr Leben als Verbrenner-Fahrzeug mehr oder weniger hinter sich haben. Zum Beispiel alte Busse der Post. Was Interessierte beachten müssen: Der Umbausatz passt nur für VW-Busse mit Schaltgetriebe, und das bleibt drin. So kommt es zu der etwas skurrilen Situation, dass der Elektrobus ein Schalter ist – Kupplung und Schaltknüppel bleiben drin.
Erste Fahrt im Naext-Flowcamper: Läuft
promobil konnte den Naext-Flowcamper schon fahren, in einem Vorserienzustand. Die Probefahrt fällt dann auch entsprechend ungewöhnlich aus.
Denn beim Schalten muss man kuppeln, aber beim Anfahren nicht, weil der Motor sich ja noch nicht dreht. Und beim Anhalten entsprechend das Gleiche in Grün. Kein Kuppeln notwendig. Macht man dann aber reflexartig. Bis man den Dreh raus hat. Also, Ampel auf Go: Erster Gang ist drin und Fuß aufs Pedal. Erinnerungen an Autoscooter kommen hoch.
Der Motor surrt angenehm, das Fahren ist insgesamt leise. Was einen hohen Anspruch an die Campingausstattung stellt, denn Geklapper würde hier drin sehr präsent sein. Es fühlt sich an, als würde vorn ein gut abgestimmter, vibrationsarmer Dieselmotor laufen. Mit Druck aus dem Stand.
Der Bulli saust über grüne Hügel, was hätte der Hippie in den 60ern, der Grüne der 80er und 90er dafür gegeben? Blumen am Wegesrand und null Emission! Ja, lokal halt. Aber immerhin. Schalten, fahren, sausen. Es funktioniert.
Dann segeln wir, was die Elektrowelt mit dem Zustand des Dahingleitens meint, und rekuperieren. Sprich: wer mag, kann beim Bremsen oder nur beim vom Gas gehen über den Dynamo-Effekt ein wenig Ladung zurück in den rund 70 kWh großen Batterieblock unter dem Fahrzeug bringen. Ein bisschen. Aber man schont immerhin die Bremsen. Was den Feinstaub reduziert. Auch gut.
Ob man rekuperieren will, lässt sich über einen Knopf wählen. Die Schalter werden in der künftigen Serienfertigung bei Naext dann anders aussehen. Und die Infoelemente auch. Es ist eine Vorserienversion und das Mapping muss noch abgestimmt werden. Also zum Beispiel wann wie viel Drehmoment bei welcher Gaspedalstellung und Geschwindigkeit abgegeben werden soll. Fahrspaß oder sparen, das ist hier die Frage.
Das Akkupack sitzt unauffällig eingehüllt in Edelstahl und der Bulli hat damit ungefähr der Bodenfreiheit, wie beim Original.
Für wen eignet sich der Elektro-Bulli?
Die Frieda Volt, wie Flowcamper ihren ersten E-Camper nennt, ist ganz klar ein Camper für Enthusiasten. Für Early Adopter. Für Menschen und Familien, die ganz bewusst, umweltbewusst unterwegs sein wollen. Denn Reichweite und Ladezeiten sind nicht wirklich so, wie man sie im normalen Bulli kennt und haben will.
Was muss ein Campingbus an Reichweite haben? Eine Frage, die kontrovers diskutiert werden muss. Einfach zu sagen: "So viel wie mein Bulli heute", wird nur schwerlich gehen.
So große und schwere, aerodynamisch ungünstige Vans werden nicht so einfach in den Bereich von 600 km und mehr kommen. Der jetzt vorgestellte VW ID. Buzz wird irgendwo zwischen 300 und 400 km stranden – die ersten Camper sagen da schon, dass ihnen das reichen würde.
"Wir alle werden unser Verhalten ändern müssen", heißt eines der Mantras, die im Kontext Elektromobilität und Energiewende immer wieder gemurmelt werden. Das wird so sein. Doch bei der Architektur der Akkus ist auch noch Luft nach oben. Da wird sicher noch was rauszuholen sein.
Ein bisschen über 300 Kilometer sollten schon drin sein. Für die Stadt, als Alltagsauto, sicher gut. Fürs Reisen werden das eben entspannte Reisetage mit kleinen Etappen. Denn schnelles Laden geht hier nicht.
Beim Laden geht's gemütlich zu
Die typische Spannung bei E-Autos ist heute 400 Volt, feuchte Träume aus der Sportecke haben dann auch mal 800 Volt. Kenner der Elektrotechnik ahnen da bereits, wo eines der Probleme des Naext-Konzepts liegt: die Ladezeit.
Für einen kompletten Ladezyklus sollte man schon eine Nacht auf dem Campingplatz einplanen. Mehr lassen die 95 Volt des Akkus nicht zu.
Hierfür sei an dieser Stelle die Wikipedia-Schwarmintelligenz genutzt und der Zusammenhang von Spannung und Ladung zitiert:
"Der wesentliche Vorteil einer höheren elektrischen Spannung ist, dass für dieselbe elektrische Leistung eine geringere elektrische Stromstärke nötig ist; wird die Spannung beispielsweise verdoppelt, genügt der halbe Strom. Dann reichen auch dünnere Kabel (mit geringerer Leiterquerschnittsfläche) aus. Auf diese Weise kann bei Material, Gewicht, Kühlung, Komplexität und Kosten gespart werden. So lassen sich mit höheren Spannungen höhere Fahr- und Ladeleistungen leichter realisieren, ohne mit nur schwer handhabbaren hohen Strömen konfrontiert zu sein. Indem Akkumulator-Zellen oder Batteriemodule nicht parallel, sondern in Reihe geschaltet werden, lässt sich die Spannung der Antriebsbatterie sehr einfach erhöhen."
Der Handwerker oder Shuttlefahrer kann seinen Wagen über Nacht laden, diese Zeit braucht es dann auch. Der Camper wird das dann mit Frieda Volt am Übernachtungsplatz machen müssen.
Die Batterien von Flowcamper Frieda Volt kann man bequem via CEE-Stecker laden, auch mit gedrosselten 8 Ampère, wenn der Campingplatz nicht mehr hergibt.
Zusätzlich zu dieser Möglichkeit wird Flowcamper noch Solar-Panele anbieten. 400 Watt für aufs Aufstelldach und optional noch mal 400 Watt für auf die Markise. Die übrigens aus aerodynamischen Gründen im Fahrzeug gelagert wird.
Der Campingausbau von Frieda Volt
Martin Hemp, der Inhaber von Flowcamper, stellt sich auch die Frage, was er als Ausbauer dazu beitragen kann, damit das mit der Elektromobilität klappt. Und als Erstes fällt auf – außer den Felgen –, dass die Markise innen im Fahrzeug hängt.
"Wegen der Aerodynamik." Kein störendes Teil im Fahrtwind. Es ist eine Sackmarkise, man kennt sie aus dem Caravanbereich, die in die Kederschiene gefädelt wird. "Und später, das ist hier noch imaginär vorstellbar, werden auf der Markise 400-Watt-Solarpaneele drauf sein."
Die 12-Volt-Batterie des Fahrzeugs kann die Campingbatterie mit versorgen. Jedes E-Fahrzeug hat neben den Fahrbatterien eine 12-Volt-Batterie, um die üblichen Verbraucher wie Scheibenwischer, Fensterheber oder Servolenkung zu bedienen, denn die sind weiter auf die 12-Volt-Bordspannung angewiesen. Und wenn sich im Notfall der Lithium-Block verabschieden würde, hat auch der Bremskraftverstärker trotzdem noch Strom.
Kochen mit Strom hat Flowcamper hier noch nicht vorgesehen. Zu einfach und gut nutzbar sind die kleinen Kocher mit Gaskartusche. Aber geheizt wird mit zwei Keramik-Heizern, die sich unter der Sitzbank verstecken.
Was kostet der E-Campervan?
Preislich wird die Frieda Volt nicht aus der Welt sein, so Martin Hemp von Flowcamper. Die Kalkulation ist noch nicht abgeschlossen, weil Flowcamper und naext noch am Feinschliff arbeiten. Aber irgendwo zwischen 55 und 65 Tausend Euro könnten es werden.
Das Start-up Naext
In Hamburg sitzt das Start-up Naext. Das kleine Team aus Fahrzeug- und Flugzeugbauingenieuren hat die Idee, bestehende VW-Busse der T5- und T6-Baureihen mit Elektromotoren nachzurüsten. Naext will, dass gebrauchte Bullis, deren Motoren am Ende sind oder nicht mehr fahren dürfen, dank eines Elektromotor-Umbausatzes ein zweites Leben bekommen