Warum Überholen hier tödlich enden kann

Der Gotthardtunnel ist fast 17 Kilometer lang und eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen Europas. Warum hier ein absolutes Überholverbot gilt, zeigt ein Blick auf die besonderen Gefahren im Inneren.
Als kürzlich ein britischer Motorradfahrer im Gotthardtunnel gleich 47 Fahrzeuge überholte und dafür ein lebenslanges Fahrverbot in der Schweiz kassierte, war die Empörung groß. Doch die eigentliche Frage lautet: Warum ist das Überholen im längsten Straßentunnel der Alpen so gefährlich, dass es dort ohne Ausnahme verboten ist? Die Antwort liegt in der Bauweise, der besonderen Verkehrsführung und in den tragischen Erfahrungen der Vergangenheit.
Enge Röhre mit hohen Risiken
Der Gotthardtunnel ist mit 17 Kilometern Länge nicht nur ein Rekordhalter, sondern vor allem ein Hochrisikobereich. Die Röhre bietet je Richtung lediglich eine Fahrspur, bauliche Trennungen gibt es nicht. Wer hier überholt, verlässt die eigene Spur und fährt faktisch auf Kollisionskurs mit dem Gegenverkehr. Hinzu kommt die optische Täuschung im Tunnel: Entfernungen wirken kürzer, Geschwindigkeiten schwerer einschätzbar. Außerdem steigt die Temperatur im Sommer auf über 35 Grad, die Luft ist stickig, der Asphalt heiß. All diese Faktoren verschärfen die Gefahrenlage.
Besonders dramatisch zeigte sich das im Oktober 2001, als zwei Lastwagen frontal zusammenstießen und einen Brand auslösten. Innerhalb weniger Minuten herrschten Temperaturen von über 1.200 Grad, elf Menschen kamen ums Leben, der Tunnel musste monatelang gesperrt werden. Seit diesem Unglück gilt eine Null-Toleranz-Strategie: Überholen ist strikt verboten, Abstände werden per Dosiersystem kontrolliert, und ein dichtes Netz aus Kameras sowie Brand- und Rauchmeldern überwacht jede Bewegung. Verstöße werden automatisch dokumentiert, am Tunnelausgang wartet die Polizei.
Konsequenzen für Fahrer und Verkehr
Dass die Regeln keine Formsache sind, zeigt der aktuelle Fall eindrücklich. Jedes unerlaubte Überholmanöver schlägt in der Schweiz mit mindestens 250 Euro zu Buche, beim Motorradfahrer summierten sich die 47 Verstöße auf rund 13.000 Euro.
Hinzu kommt ein Strafverfahren, das sich am Einkommen orientiert, und in schweren Fällen sogar zu einem lebenslangen Fahrverbot führen kann. Doch die hohen Strafen sollen nicht abschrecken, um Kassen zu füllen, sondern um Leben zu schützen. Denn in einer Tunnelröhre ohne Fluchtwege kann schon ein einziger Unfall verheerende Kettenreaktionen auslösen.