Laureus: "Coole Pänz" und der Olympiasieger
Soziale Verantwortung steht bei vielen Konzernen ganz oben auf der Agenda. So engagiert sich etwa Automobilhersteller Mercedes-Benz über die Laureus-Stiftung bei "Sport for Good". Über 150 Projekte werden weltweit gefördert, 14 davon in Deutschland und Österreich. Ein Ortsbesuch.
Oft sind es die kleinen Dinge, die große Symbolkraft haben. Wie in dieser Szene: Ein Spielchen zum Auftakt. Die Jungs und ihre Betreuer sitzen im Kreis, pritschen einen Gummiball mit der Handfläche in Richtung Dominik, der in der Mitte steht. Wer ihn trifft, darf rein. Beim Versuch, dem Ball auszuweichen, rutscht Dominik aus, fällt hin. Einer aus dem Kreis trifft den am Boden Liegenden. "Das ist nicht fair, er war wehrlos!", protestiert eine Stimme. Sie gehört dem 13-jährigen Manaf, auf den jetzt alle Blicke gerichtet sind. "Sehr gut," lobt Andreas Nakic, der Trainer. "Das war gegen die Regeln des Fairplay".
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Schlüsselszenen wie diese sind der Grund, weshalb sich die Gruppe "Coole Pänz" jeden zweiten Samstagnachmittag für zwei Stunden in der Turnhalle einer Kölner Schule trifft. Der Name ist Programm, steht für Gewaltprävention innerhalb des gemeinnützigen Vereins "Wir für Pänz", der sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche einsetzt. Dazu erkärend für alle, die der kölschen Mundart nicht mächtig sind: Pänz meint Kinder, und das Projekt "Coole Pänz" gehört zu den 14 "Sport for Good"-Projekten in Deutschland und Österreich, die von der Mercedes-Benz nahen Laureus-Stiftung finanziell unterstützt werden.
Coole Pänz vermittelt Respekt und Fairplay
Wenn Eltern, Lehrer und Psychologen nicht mehr weiterwissen, weil Kinder rebellieren oder revoltieren, provozieren oder prügeln, sind "Coole Pänz" oft der letzte Ausweg. "Verhaltensauffälligkeit" heißt das Defizit der Kids in bestem Amtsdeutsch, aber das bedeutet nicht, dass sie kriminell sind. Darauf legt Projektbetreuerin Frauke Brod größten Wert: "Das Problem der Kinder ist ihre Aggression," sagt sie. "Sie lassen sich schnell provozieren, es fehlt ihnen an Selbstbewusstsein und Selbstbehauptung".
Dies zu ändern ist die Aufgabe der beiden Trainer. Steffi Pardella, (37) und Andreas Nakic teilen sich den Job. Steffi übernimmt den pädagogischen Part, Andreas kommt von der sportlichen Seite. Der drahtige, durchtrainierte 53-Jährige besitzt den Schwarzen Gürtel im Shaolin-Kung-Fu, auf seiner Visitenkarte steht "Gewalt- und Deeskalationstrainer". Kampfsport steht bei der Arbeit mit den Jugendlichen allerdings nicht auf dem Programm. "Die Gefahr, die Aggression zu fördern, wäre zu groß. Im Mittelpunkt stehen gegenseitiger Respekt und Fairplay," weiß Nakic mit der Erfahrung aus mittlerweile zwölf Jahren.
Das sieht bei den coolen Kids dann beispielsweise so aus: Einer legt sich auf die dick gepolsterte Matte, die anderen tragen ihn über ihren Köpfen durch die Turnhalle, ehe Andreas Nakic fragt: "Dürfen wir dich fallen lassen?" "Ja," kommt von oben die Zustimmung. Und schon landet der Überflieger unter lautem Gelächter sanft auf dem Boden psychologisch wichtiger Tatsachen. Soll heißen: Jede Übung soll spielerisch Werte vermitteln. In diesem Fall Vertrauen. Die Message: Sich auf andere verlassen zu können und sich in deren Hände zu begeben, tut nicht weh, sondern vermittelt ein gutes Gefühl.
"Früher hätte ich zugeschlagen!"
"Am Anfang ist das Verhaltensmuster bei allen gleich," weiß Andreas Nakic. "Die Jungs kommen mit einer Verweigerungshaltung, aber wenn sie erst mal mitmachen, ist das Eis schnell gebrochen. Pro Jahr haben wir vielleicht einen, der sich total verweigert. Da müssen auch wir erkennen, dass es keinen Sinn macht". Bei der Mehrzahl der Sorgenkinder macht es Sinn, viel Sinn. Nach ein bis zwei Jahren haben sie die Werte verinnerlicht, die für sie und ihr Umfeld so wichtig sind. "Hey, du bist doch schwarz! Den schaffst du leicht!", feuert einer der Jungs Manaf an, als es darum geht, den anderen von der Matte zu drängen. "Stopp!" unterbricht Andreas Nakic mit schneidender Stimme. "Ich erwarte Respekt. So etwas möchte ich nicht mehr hören!" Verlegen trollt sich der Gerüffelte, Manaf grinst. "Früher hätte ich zugeschlagen," sagt der 13-jährige Sohn afrikanischer Eltern. Die Mutter stammt aus Togo, der Vater aus Ghana. Der Bursche ist Vollblut-Fußballer, streichelt und betribbelt während des Trainings jeden herumliegenden Ball - ein Talent. Das ist er auch in seinem Verhalten. Sein Problem war, dass er in der Schule wegen seiner Hautfarbe gehänselt und beleidigt wurde. Mit Gewalt darauf zu reagieren, ist für Manaf keine Option mehr. Er hat die Worte verinnerlicht, die der von Nakic gelernt hat: "Je lockerer und entpannter ihr seid, desto einfacher kommt ihr durch".
"Wann kommt eigentlich Ole wieder mal?", fragt unvermittelt Shahin, der zum besten Kumpel von Manaf geworden ist. Er meint Ole Bischof, den Judo-Olympiasieger von 2008 in Peking. Als Laureus-Botschafter hat der Kölner die Patenschaft für "Coole Pänz" übernommen. "Das ist eine Sache, die ich sehr gerne unterstütze," sagt Bischof. "Die Kinder und Jugendlichen sind mir sehr ans Herz gewachsen". Wann immer er Zeit findet, schaut er in der Schulturnhalle in der Nussbaumerstrasse vorbei, macht mit und zeigt den Kids den ein oder anderen Judotrick. So ist er nicht nur Vorbild geworden, sondern einer von ihnen. Denn zwei Sieger stehen dann auf der Matte - der von Olympia und die im wahren Leben.