Laureus in China: Geben und nehmen

China ist für Mercedes-Benz zu einem der wichtigsten Absatzmärkte geworden. Über die Sportstiftung Laureus verstärkt der Automobilhersteller sein soziales Engagement mit Programmen wie "Hope Schools" für benachteiligte Kinder und Jugendliche.
"Nicht hupen!" mahnt ein rotgerändertes Verbotsschild mit durchgestrichenem Horn auf der Zufahrt zum Sportgelände im Norden von Shanghai. Der Hinweis, Lärm zu vermeiden, ist Symbolik für die Gruppe junger Chinesen und Chinesinnen auf dem Kunstrasen des Fußballfeldes. Mit ihren Augen hängen sie an den Lippen der beiden "Langnasen", die ihre Coaches sind. Konzentriert saugen sie jedes Wort auf, das sie hören. Sie, das sind gut zwei Dutzend Neugierige und Wissbegierige ehrenamtliche Trainer aus Shanghai und dem nahen Umland, die vier Tage lang am neuen Förderprogramm "Train the Trainer" teilnehmen. Es ist Teil der Initiative "Hope Schools", mit der benachteiligte Kinder und Jugendliche die Chance erhalten sollen, sich auch über den Sport zu sozialisieren. "Fit for Live", sich fit zu machen für das Leben, ist das Motto, das über allem steht.
"Was hier geschieht, ist unglaublich", sagt Derek Bardowell, 42, einer der beiden Ausbilder. "Der Enthusiasmus der Teilnehmer hat uns überwältigt." Aus London wurde der Coach entsandt, um das erste Trainerseminar dieser Art in China zu leiten. Betreuung, Projektmanagement und Kommunikation sind die Schwerpunkte. Themen, die in Deutschland jedem Übungsleiter eines Sportvereins vertraut sind. Anders im riesigen Reich der Mitte. In Sachen Breitensport hat sich in China zwar vor allem nach der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking eine Menge getan, aber dennoch ist Entwicklungshilfe dringend notwendig. Die jahrzehntelang Fokussierung auf den Spitzensport und die Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976, in der Breitensport als vulgär galt und teilweise verboten war, haben bis heute ihre Nachwirkungen.
Größtes Engagement in den größten Märkten
Dagegen steht das anhaltende Wirtschaftswunder, von dem deutsche Firmen überproportional profitieren. Für Automobilhersteller Mercedes-Benz beispielsweise ist China der wichtigste Absatzmarkt geworden. Da verwundert es nicht, dass soziales Engagement dort seit 2007 kontinuierlich ausgeweitet wurde. Der strategische Partner dafür ist die Laureus Sport for Good Foundation, die Charity-Stiftung der Laureus World Sports Awards. Deren Initiatoren waren bei Gründung 1999 Mercedes-Benz und der Luxuskonzern Richemont. Seitdem sind nach Angaben des Stuttgarter Autobauers über 60 Millionen Euro Spendengelder für aktuell mehr als 150 soziale Sportprojekte geflossen.
Dass neben den USA das meiste Geld nach China fließt (und damit in die beiden wichtigsten Abnehmerländer der Marke mit dem Stern), ist natürlich kein Zufall. Auch nicht, dass sich etwa das Programm der "Hope Schools" auf die Metropolen Shanghai, Peking, Guangzhou und Chengdu konzentriert, den vier Headquarters von Mercedes-Benz China. Dahinter steckt eine ausgeklügelte Marketing-Strategie. Die Fokussierung seiner Corporate Social Responsibility, der sozialen Verantwortung also, bringt in China eine absolute win-win-Situation: Von seinem glänzenden Autogeschäft gibt der Konzern dort etwas zurück, wo es dringend notwendig ist - im Breitensport. Hubertus Troska, das für China verantwortliche Vorstandsmitglied, hat versprochen: "Gemeinsam mit der Laureus Sport for Good Foundation werden wir bis 2016 insgesamt 150.000 benachteiligten jungen Menschen in China durch Sport eine Chance und bessere Perspektiven geben. Allein 2015 werden wir insgesamt 7,6 Millionen Euro für unsere sozialen Programme spenden."
Shirley Xu, 33, gehört zu den Auserwählten von "Train the Trainer". Die junge Frau aus Shanghai arbeitet ehrenamtlich für eine Behindertenorganisation in ihrer Stadt. "Als Freelance-Projektmanager einer Yoga-Gruppe in einem Kinderhospital", wie sie erzählt. Und: "Es gibt so viele Menschen, die helfen wollen. Aber wir waren bisher nicht organisiert, es herrschte Chaos. Jetzt lerne ich, was wir tun müssen und wie wir es am effektivsten anfangen. Dafür bin ich dankbar."
Es gibt auch Kritiker, die in der Allianz von Mercedes-Benz und Sportstiftung ein reines Zweckbündnis sehen. Denen hält man bei Laureus fast mantrahaft die Worte von Nelson Mandela entgegen, der bei den ersten World Sports Awards anno 2000 sagte: "Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern".