Auch vierter Platz ein Erfolg
Es muss nach dem erneuten Rückschlag in Katar schon ein Wunder her, damit McLaren Ferrari noch einholen kann. Die Umstände haben sich gegen den Rennstall aus Woking verschworen. Die Stimmung ist trotzdem nicht gekippt. Der vierte Platz in der Marken-WM sei der Platz, wo McLaren hingehöre.
Zwei Startunfälle in Mexiko und Brasilien. Jeweils mit dem in der Qualifikation besser platzierten Auto. Dazu ein Reifenschaden in Katar auf dem Weg zu einem fünften Platz und zehn WM-Punkten. McLaren klebt die Seuche an den Sohlen. In den letzten drei Rennen trocknete das Punktekonto aus. In Mexiko, Brasilien und Katar sammelten die beiden Autos nur vier Zähler. Ferrari vergrößerte abermals den Vorsprung in der WM.
Zwei Rennen vor Saisonende sind die Italiener um 39,5 Punkte enteilt. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird McLaren diese Weltmeisterschaft auf dem vierten Rang abschließen. "Ich habe schon nach Brasilien in der Firma gesagt, dass diese Position unsere Leistung reflektiert", gibt Teamchef Andreas Seidl zu.
"Keiner im Team muss niedergeschlagen sein. Der vierte Platz ist ehrlich. Ich habe mir die Ergebnisse der ersten Qualifikationen nochmals angeschaut. Da war Ferrari auch jeweils vor uns. Sie haben nur nicht alles aus ihren Möglichkeiten gemacht. Deshalb hielten wir uns lange im Rennen." McLarens Rennleiter sieht Ferraris Hybrid-Upgrade ab Russland deshalb auch nicht als Game Changer. "Es hat sie sicher gestärkt. Aber dadurch hat sich das Kräfteverhältnis nicht gedreht." Fazit: "Leider gibt es im Rennkalender zu wenige Strecken für wenig Abtrieb wie in Monza."
McLaren überall besser geworden
Es ist vielmehr so, dass Ferrari seine Möglichkeiten konsequenter nutzt. Und McLaren in dieser Beziehung etwas nachgelassen hat. Beispiel Sotschi, als man einen zweiten Sieg hätte abräumen können oder mindestens Zweiter werden müssen, wenn Norris rechtzeitig auf Regenreifen gewechselt hätte. Zudem verfolgt das Pech den Rennstall. "Nach den zwei bitteren Rennen in Mexiko und Brasilien wäre es schon wichtig gewesen, die Punkte mitzunehmen, die auf dem Tisch lagen. Irgendwann muss das Glück wieder zurückkommen. Solange die theoretische Chance auf den dritten Platz besteht, werden wir weiter kämpfen. Abgesehen davon wollen wir die Saison mit zwei guten Rennen abschließen, um mit einem guten Gefühl ins nächste Jahr zu gehen."
McLaren hat ohne Zweifel den nächsten Schritt gemacht. Das Auto ist besser, die Lücke zu Mercedes und Red Bull kleiner geworden. Man hat sich generell von Alpine und Aston Martin abgesetzt. Dass Ferrari nach einem Pannenjahr 2020 zurückkommen würde, hätte man erwarten können. Da schleppte die Scuderia allein ein Motoren-Defizit von ungefähr 50 PS mit sich herum. Die Italiener haben spürbar nachgebessert, beim Abtrieb aufgesattelt und die Aerodynamik auf höhere Effizienz gebürstet.
Woking legte seinerseits bei der Konstanz der Boxenstopps zu. Auch wenn McLaren diesbezüglich noch ein weiterer Schritt hin zu mehr Schnelligkeit gelingen muss. Dafür muss an den Arbeitsabläufen gearbeitet werden. Und am Equipment weiter aufgerüstet werden. Es ist davon auszugehen, dass McLaren im zweiten Jahr mit dem Mercedes-Motor eine bessere Integration gelingt.
2021 musste der V6-Turbo in ein auf den Renault-Motor abgestimmtes Fahrzeugkonzept integriert werden. McLaren durfte zwar umbauen, dafür fehlten allerdings zwei Entwicklungstoken an anderer Stelle. Für das 2022er Auto konnte die Motoren-Architektur von Anfang an miteinfließen. Seidl nennt noch einen anderen Aspekt, warum es seiner Ansicht nach weiter aufwärts gegen sollte. "Wir arbeiten am 2022er Auto mit einer Struktur im Technikbüro und den Abläufen, die wir 2019 eingeführt haben. Sie ist jetzt gefestigt."
Reifenschaden aus dem Nichts
Das Rennwochenende in Katar lief bis zur 49. Runde zumindest auf einer Seite der Garage nach Plan. Lando Norris war auf Kurs, mindestens Fünfter zu werden. Der Engländer hatte in der Startrunde eine Position gegenüber Max Verstappen verloren. Im 16. Umlauf überholte ihn der zweite Red Bull mit Sergio Perez im Cockpit. Jedoch war der Mexikaner auf eine Zweitstoppstrategie gepolt, während es McLaren mit einem Boxenbesuch versuchte. Das war in der Wüste das schnellere Rennen.
Norris harrte auf weichen Reifen bis zur 25. Runde aus. Alonso war außer Reichweite. Doch nach dem Reifenwechsel kam er vor dem zweiten Alpine zurück auf die Strecke. Esteban Ocon sah die Zielflagge schlussendlich als Fünfter. Und es ist nicht auszuschließen, dass Norris den viertplatzierten Perez hätte schlagen können. Er hätte zumindest am Papaya-gelben Auto vorbei müssen. Mit frischeren Reifen zwar, aber mit schlechterem Topspeed (339,5 Norris, 332,8 Perez). Und Perez hätte zunächst eine Lücke von 7,8 Sekunden zufahren müssen. Dafür hätte er zehn Runden gehabt.
Ein Reifenschaden vorne links ließ McLarens Hoffnung zerplatzen. Norris war in der Runde drei Mal auf die Randsteine der Kurven 12-14 gefahren, jedoch nicht besonders hart. Pirelli stellte einen Schnitt in der Schulter des Reifens fest. "Es gab keine Hinweise in den Daten, keine Vorwarnung, dass etwas passieren könnte", erläuterte Seidl. Zumal der McLaren im ersten Stint 25 Runden auf weichen Reifen durchgehalten hatte, und es den harten Reifen bei ähnlicher Laufleistung traf. "Das Team hat tolle Arbeit verrichtet. Wir hätten Vierter werden können. Es war nicht unsere Schuld, weshalb es auch so bitter ist", resümierte ein sichtbar niedergeschlagener Pilot.
Ricciardos Probleme offengelegt
Reifenmanagement war während des Grand Prix ein ständiger Begleiter. Dazu mussten die McLaren auch noch mit dem Benzin haushalten. Daniel Ricciardo deutlich mehr als Norris. "Bei Daniel war es richtig ernst. Wir mussten deutlich mehr sparen, als wir erwartet hatten. Das hat sein Rennen entsprechend beeinträchtigt." Vor allem, wenn man nach einer schlechten Quali ohnehin aufholen muss. "Wir müssen uns das genau anschauen. Es ist ein komplexes Thema, in dem viele Variablen im Spiel sind."
Ohnehin erwischte der Australier ein gebrauchtes Rennwochenende. In der Qualifikation war der Teamkollege um 0,381 Sekunden schneller. Der Losail International Circuit deckte mit seinen 16 Kurven noch einmal die Schwächen Ricciardos mit dem Auto auf. Er tut sich nach wie vor schwer, den Kurveneingang zu attackieren, und seine alte Stärke auf der Bremse auszuspielen. Der MCL35M verlangt eine andere Fahrweise. "Hier summierten sich die Probleme, die er die ganze Saison mit sich herumgeschleppt hat. Es kam alles zusammen", bedauert Seidl. In jeder Kurve kam ein bisschen Zeitverlust dazu. Halbes Zehntel hier, halbes da. Nuancen zwar. Aber so brutal eng ist die Formel 1.