„Beide Autos müssen punkten“
Bei McLaren war die Gefühlslage nach dem Steiermark-Grand-Prix durchwachsen. Lando Norris zeigte, dass der MCL35M immer noch die dritte Kraft im Feld ist. Doch Daniel Ricciardo ging nach einem schwachen Qualifying und Technikproblemen im Rennen am Ende leer aus.
Mit großen Hoffnungen war McLaren nach Österreich gereist. Die langen Geraden auf dem Red Bull Ring schienen auf dem Papier das perfekte Jagdrevier für die Papaya-Raketen zu sein. Dank des kräftigen Mercedes-Motors und der effizienten Aerodynamik führt der MCL35M diese Saison regelmäßig die Top-Speed-Rankings an.
Einige Experten hatten vorhergesagt, dass McLaren vielleicht sogar die beiden Top-Teams herausfordern könnte. Doch das gelang nur im Qualifying. Und es gelang auch nur einem von beiden Fahrern. Lando Norris schob sich in der Startaufstellung mitten rein in die Mercedes- und Red-Bull-Phalanx. Auf die beiden Silberpfeile fehlte dem Briten auf eine schnelle Runde weniger als ein Zehntel.
Doch im Rennen ging sein Blick schnell in den Rückspiegel. In Runde zehn musste der Youngster erst Sergio Perez vorbeiziehen lassen, einen Umlauf später war auch gegen Valtteri Bottas kein Kraut gewachsen. "Ihre Rennpace ist für gewöhnlich besser als unsere. Aber es gibt manchmal so Tage, da passiert etwas Ungewöhnliches. Deshalb habe ich am Anfang noch versucht, gegenzuhalten. Doch am Ende wollte ich mein Rennen nicht mit unnötigen Zweikämpfen ruinieren", erklärte der für sein Alter von 21 Jahren schon sehr reife Pilot.
Einsames Rennen für Norris
Nach einem einsamen Rennen erfüllte Norris mit Platz fünf vor den beiden Ferrari am Ende die Zielsetzung der Teamleitung. Der Pilot hatte insgeheim aber mit etwas mehr geliebäugelt. "Letztes Jahr fühlte sich ein fünfter Platz noch wie ein Sieg für uns an. Aber mittlerweile hofft man schon auf ein bisschen mehr. Es ist cool, wenn man im Qualifying noch gut mithalten kann. Aber dann beginnt das Rennen und die anderen vor uns verschwinden einfach. Und am Ende wird man sogar überrundet. Das zeigt, wie viel Arbeit wir mit dem Auto noch vor uns haben."
Dass Ferrari im Kampf um Platz drei der Teamwertung am Ende sogar noch vier Punkte gegenüber McLaren gutmachen konnte, lag am verkorksten Wochenende von Daniel Ricciardo. Nach einem ordentlichen Freitag ging beim Australier schon im Qualifying nicht mehr viel. Vom 13. Startplatz legte der Neuling im Team aber am Sonntag direkt los wie die Feuerwehr. Innerhalb von einer Runde hatte er sich vier Konkurrenten geschnappt und Platz neun eingenommen.
Im siebten Umlauf verweigerte sein Mercedes-Motor jedoch plötzlich die Leistungsabgabe. Bis Ricciardo das Problem über die Lenkradeinstellungen gelöst hatte, waren die vier gewonnenen Plätze schon wieder futsch. Offenbar hatte irgendetwas die Motorsteuerung gestört: "Wir müssen das mit unseren Kollegen von Mercedes genau untersuchen. So wie ich das verstanden habe, hat es nichts mit den Temperaturen zu tun", erklärte Teamchef Andreas Seidl nach dem Rennen.
Ricciardo versauert im Mittelfeld
Obwohl nach dem ärgerlichen Technik-Schluckauf noch 64 Runden zu fahren waren, konnte Ricciardo seine Position nicht mehr verbessern. Eine suboptimale Strategie und die mittelmäßige Pace führten am Ende dazu, dass der Mann aus Perth im großen Mittelfeldzug stecken blieb.
Der Blick auf das gute Ergebnis des Teamkollegen zeigt, was möglich gewesen wäre: "Ich lag am Anfang noch vor Sainz, der am Ende Sechster geworden ist. Das hätten wir auch schaffen können", ärgerte sich der Pilot. "Ich will dieses Rennen so schnell wie möglich vergessen. Ich werde wohl raus in die Natur gehen und ein bisschen wandern."
Laut Ricciardo haben die Ingenieure eine Erklärung für den Absturz im Qualifying gefunden. "Es war ein bisschen der Fahrstil, ein bisschen das Setup. Ich denke, wir haben das meiste verstanden. Wir werden nächste Woche ein paar Sachen anders machen und hoffen, dass es besser wird."
Rückschritt im Lernprozess./strong>
Teamchef Seidl gibt sich nach außen weiter geduldig: "Er war natürlich selbst sehr enttäuscht, dass er die gute Entwicklung der letzten Rennen nicht fortsetzen konnte. Genau wie wir hatte er nicht erwartet, dass er im Qualifying so kämpfen muss. Dass wir jetzt direkt noch einmal auf der gleichen Strecke fahren, ist perfekt für seinen Lernprozess. Da können wir überprüfen, ob wir die richtigen Schlüsse gezogen haben."
Doch wenn nicht bald die große Wende gelingt, könnte Ricciardo noch zum großen Problem für McLaren werden. Für viel Geld hatte man den siebenfachen Grand-Prix-Sieger von Renault weggelockt. 34 Punkte in acht Rennen entsprechen nicht gerade einem guten Gegenwert für die Millionen-Investition. "In dem Kampf, in dem wir uns befinden, müssen beide Autos jedes Wochenende punkten", machte Seidl klar.
Neben dem direkten Konkurrenten Ferrari hat McLaren aber auch immer die Pace von Mercedes und Red Bull im Blick. Gerne würde man in naher Zukunft wieder um Siege und Titel fahren und nicht nur um die verbleibenden Punkteplätze hinter dem Podium. Doch Spielberg hat gezeigt, dass es bis zur Spitze noch ein weiter Weg ist.
Optimismus vor Spielerg 2
"Wenn die Top Teams ein ganzes Rennen Vollgas geben müssen, sieht man erst, wie groß die Lücke ist. In einem Rennen ohne Safety-Car wird der wahre Abstand deutlich", analysiert Seidl. "Ich bin mit den Fortschritten, die wir bisher gemacht haben, zufrieden. Aber die müssen wir jetzt in den nächsten Jahren auch fortsetzen. Irgendwann haben wir sie dann eingeholt."
In dieser Saison ist aber mit keiner großen Steigerung mehr zu rechnen. Bis zur Sommerpause sollen nur noch kleinere Upgrades kommen. Es gehe für die meisten Teams nur noch darum, das bestehende Paket besser zu verstehen und für die verschiedenen Strecken zu optimieren, so Seidl.
Der Passauer ist schon gespannt, wie das zweite Österreich-Duell mit Ferrari ausgehen wird. Die weicheren Reifen bei der Neuauflage des Spielberg-Rennens dürfte McLaren in die Karten spielen: "Wir sind eigentlich immer ganz pfleglich mit den Reifen umgegangen. Deshalb bin ich optimsitisch. Wir wollen natürlich wieder die dritte Kraft sein."
Sein aktueller Nummer-eins-Pilot Lando Norris ist da schon vorsichtiger: "Ferrari wird sicher eine größere Gefahr. Von besseren Startplätzen hätten sie uns schon im ersten Rennen das Leben richtig schwer gemacht. Wir können uns also nicht zurücklehnen."