Keine Sorgen wegen Ricciardo
McLaren hat in Portugal nach den Top-Teams wieder am besten gepunktet und den dritten Platz im Konstrukteurs-Pokal gefestigt. Nach dem Rückschlag für Ricciardo im Qualifying konnte sich der Australier im Rennen rehabilitieren. In Barcelona erwartet Teamchef Seidl den nächsten Schritt nach vorne.
Im letzten Jahr hat McLaren am Ende nur knapp den dritten Platz in der Teamwertung vor Racing Point und Renault eingefahren. Nach dem Eindruck der ersten drei Rennen könnte das diese Saison etwas entspannter klappen. Nur Ferrari hält einigermaßen mit dem Traditionsteam aus Woking mit. Und das auch nur, weil Daniel Ricciardo noch nicht die Punkte einfährt, die eigentlich im MCL35M drinstecken.
In Portugal tat sich der Mann aus Perth vor allem in der Qualifikation schwer. Nach Startplatz 16 und dem Ausscheiden in der ersten K.O.-Runde sprach der dauergrinsende Routinier noch von einem Alptraum. Doch im Rennen verbesserten sich sowohl seine Laune und seine Positionen relativ schnell. Nach einem guten Start landete Ricciardo am Ende noch auf dem neunten Rang in den Punkten.
"Der Sonntag war besser als der Samstag. Wenn er noch schlechter gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich mit dem Rennfahren aufgehört", scherzte der 31-Jährige anschließend. "Ich wollte mir am Start eigentlich gleich fünf Autos schnappen, am Ende wurden es drei. Das hat heute richtig Spaß gemacht mit den vielen Überholmanövern."
Vor allem zu Beginn des Rennens, rollte Ricciardo das Feld auf. Im zweiten Stint musste er dann aber den Alpine von Alonso ziehen lassen: "Auf den harten Reifen hatte ich leider nicht so eine gute Pace wie zuvor auf den Mediums. Fernando war wirklich sehr schnell am Ende. Das war schon beeindruckend. Er hat mich überholt und ich konnte aus dem Cockpit sehen, wie viel Vertrauen er in sein Auto hatte."
Zwei Punkte besser als einer
Mit dem Ergebnis konnte Ricciardo einigermaßen leben: "Das Team hat mir vor dem Start gesagt, ich solle wenigstens versuchen, einen Punkt zu sammeln. Aber ich bin ja nicht hier für nur einen Punkt. Am Ende wurden es wenigstens zwei. Der achte Platz wäre noch schöner gewesen, aber wie gesagt, wenigstens besser als im Qualifying. Ich versuche, das positiv zu sehen."
Auch für Teamchef Andreas Seidl war das Glas nach der Aufholjagd eher halb voll: "Es war wichtig, dass er die Enttäuschung vom Qualifying hinter sich lassen und neues Selbstvertrauen tanken konnte. Und es hat ihm und uns geholfen zu verstehen, wo seine Probleme liegen. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir schon in Barcelona den nächsten Schritt mit ihm machen."
Auch Ricciardo freut sich schon auf das nächste Rennen. Die Grand-Prix-Strecke in Barcelona ist allen Piloten nach vielen Testwochen in den vergangenen Jahren gut bekannt. Das Sorgen.ind im McLaren-Lager hofft auf konstante Verhältnisse und auf neue Erkenntnisse, warum es momentan noch nicht so gut läuft.
"In Barcelona werden wir mit dem Setup ein paar neue Dinge ausprobieren, die mir helfen sollten, mehr Vertrauen ins Auto zu bekommen", kündigte Ricciardo an. "Wir kennen die Strecke gut. Ich hoffe, dass ich dort schneller in Form komme und meinen wahren Speed zeigen kann." Die Teamleitung macht dem Piloten keinen Druck. Seidl zeigt sich weiter entspannt: "Ich bin mir sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir die Leistungen von Daniel sehen, die wir von ihm gewohnt sind. Ich mache mir da keine Sorgen."
Norris zeigt nächste Glanzleistung
Um seinen zweiten Piloten muss sich der Teamchef gar keine Sorgen machen. Lando Norris konnte in allen drei Rennen glänzen. Bisher schafften es nur Mercedes und Red Bull, den jungen Engländer zu schlagen. Auch in Portimao ließ der 21-Jährige wieder das komplette Mittelfeld hinter sich. Mit den zehn WM-Punkten für den fünften Platz konnte er sogar die dritte Position in der Fahrerwertung verteidigen.
So einfach, wie es von außen aussah, war es im Cockpit aber nicht, wie Norris anschließend berichtete: "Die Entscheidung so früh auf Mediums zu wechseln, hat mir das Leben nicht leicht gemacht. Es war ziemlich stressig, die Reifen am Leben zu halten, keinen Fehler zu machen und trotzdem schnell zu sein. Charles (Leclerc) hat am Ende richtig Druck gemacht. Aber ich habe mich gut gefühlt, das Auto hat sich gut angefühlt, ich hatte volles Vertrauen."
Wie sein Teamkollege geigte Norris vor allem im ersten Teil des Rennens stark auf. Nach dem Safety-Car-Restart war er sogar an Sergio Perez vorbeigezogen, der anschließend für lange Zeit kein Weg vorbei fand. Erst in der zweiten Rennhälfte nutzte der Mexikaner den deutlich besseren Speed seines Autos und fuhr vorbei. "Platz fünf war am Ende das Maximum. Damit müssen wir zufrieden sein", freute sich Norris trotzdem.
Vom Teamchef gab es nach der starken Vorstellung ein Sonderlob: "Er ist voll da, wenn es drauf ankommt. Es ist toll zu sehen, mit welcher Sicherheit er die Überholmanöver setzt und mit welchem Überblick er fährt, ohne zu viel zu riskieren. Und er hat die Reifen-Strategie perfekt umgesetzt. Er hatte einfach immer alles unter Kontrolle."
Kann Norris Top-Teams weiter ärgern?
Seidl beeindruckt vor allem, mit welcher Reife der Youngster an die Sache geht: "Man merkt zum Beispiel an der Kommunikation mit den Ingenieuren, dass er nun drei Jahre Erfahrung hat. Er fordert genau die Informationen über das Auto und das Rennen ein, die er braucht. Er hat souverän den fünften Platz eingefahren, wo wir auch hingehören, weil wir das drittschnellste Auto hatten. Ich denke, wir werden noch viel Spaß an in ihm haben."
Bei McLaren hält man es nicht für unmöglich, dass Norris noch eine Weile seinen dritten Platz in der WM-Wertung verteidigen muss. Allerdings werde es am Ende nur klappen, wenn sich die beiden Top-Teams Fehler erlauben: "Da muss man realistisch bleiben. Wenn die Teams vor uns ihren Job erledigen, müssen wir einfach akzeptieren, dass wir von der Performance noch nicht ganz mithalten können."
Der Blick von McLaren ist aber weiter nach vorne gerichtet. Spätestens 2022 hofft man, dass Mercedes und Red Bull in Schlagdistanz sind. Laut Seidl stimme die Tendenz. Im Vorjahr sei man in Portimao noch überrundet worden. Dieses Mal fehlten zumindest im Qualifying nur noch ein paar Zehntel. Und schon in Barcelona will man die Lücke mit technischen Upgrades weiter verkleinern.
Probleme nur bei Boxenstopps
"Wir wollen nicht nur vor dem restlichen Mittelfeld bleiben, sondern auch den Abstand zu Mercedes und Red Bull verkürzen, damit wir profitieren können, falls vorne mal was passiert. Barcelona ist immer eine gute Referenz, um das Kräfteverhältnis zu sehen. Alle Teams werden sicher Upgrades bringen. Danach werden wir besser wissen, wie das reale Bild ist", prophezeit der 45-jährige Ingenieur aus Passau.
Nur mit einer Sache ist das Oberhaupt im McLaren-Rennstall noch nicht zufrieden. Bei den Boxenstopps hinkt man den Top-Teams weiter deutlich hinterher. Dabei wurde hier schon in den letzten Jahren viel investiert, sowohl bei der Ausbildung der Mechaniker als auch beim technischen Equipment. In Portimao hakte es vor allem beim Reifenwechsel von Ricciardo.
"Daniel hat etwas zu spät angehalten und ist in den Mann am vorderen Wagenheber reingefahren. Die Jungs haben da gut reagiert. Wir haben nur zwei Sekunden verloren", erklärte Seidl die Szene. "Generell sind wir aber noch nicht da, wo wir sein wollen. Jeder Pitstop muss so gut sein, wie bei den schnellsten Teams. Wir arbeiten sowohl an der Konstanz als auch am Tempo. Und wir konnten auch schon Fortschritte erzielen. Aber wir wissen, dass wir da noch besser sein müssen."