MTM-Audi RS 5 R (2018) im Test
Angriff ist die beste Verteidigung: MTM leistungssteigert den ohnehin schon leistungsstarken RS 5 auf 612 PS und stattet ihn mit neuem Fahrwerk und Semislicks aus. Sinnvoller Perfektionismus oder doch eher Tuningwahnsinn?
Was könnte man sich für 25.000 Euro alles kaufen? Gute 22-mal das neue iPhone XS zum Beispiel. Twittern, facebooken, instagrammen, snapchatten, pinteresten, surfen: für jede Anwendung ein eigenes Smartphone – würde doch irgendwie passen zu unserer digitalisierten Welt. Man könnte auch die Gattin über 300-mal schick zum Essen ausführen. Oder sich einen VW Polo GTI rauslassen und ein Smartphone dazu. Man könnte sich aber auch ein Leistungs-Update von Tuner MTM gönnen – vorausgesetzt, man besitzt bereits den Audi RS 5 (F5).
25.000 Euro, das ist schon ein ziemlich fetter Batzen, selbst bei einem Auto, das in der Basis schon über 80.000 Euro kostet. Für ein Auto, das einen schwindelig fährt auf der Landstraße und dessen 450 PS starker Sechszylinder ohnehin schon kickt: 0–100 in 3,9 Sekunden, 0–200 in 14,3 Sekunden. Doch wenn die Jungs von MTM Hand angelegt haben, verhält es sich mit dem Vergleich Serie gegen Tuning wie mit dem ersten und dem aktuellsten iPhone: Man will unbedingt das bessere.
Beschleunigung in allen Lebenslagen
Du steigst ein in den grauen RS 5 mit seinen zierlichen Farbtattoos, programmierst ihn für den Raketenstart, und 3,4 Sekunden später staucht dich die Antrittsgewalt noch immer in die Sportsitze. Der V6 dreht so schnell hoch, dass du die Schaltzeitpunkte zu verpassen drohst und es lieber die Achtgangautomatik richten lässt. Und selbst die muss sich strecken, um wie ein guter Dolmetscher möglichst simultan zu übersetzen. Der MTM lässt dich einfach nicht mehr los, zieht durch, als würde er nicht atmen, zischt der 200er-Marke entgegen, die er nach 11,8 Sekunden knackt. Selbst bei 280 Sachen, ab denen beim Serie.auto mit optionalem Dynamikpaket nicht noch mehr geht, wütet der RS so aufgebracht wie US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf. Das Ergebnis ist ein Feuerwerk, das bei 320 km/h gipfelt – Wahnsinn!
Doch MTM beherrscht nicht nur Beschleunigung, sondern auch Verzögerung. Bei der Vollbremsung aus 200 km/h dreht sich bereits nach 128,7 Metern kein Rad mehr – sofern der Traditionstuner die Semislicks vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 aufschnallt.
Und damit sind wir bei einem einfachen, aber wirksamen Kniff, wie man aus dem in der Serie schwammigen RS 5 ein Tracktool reinsten Wassers macht. Audi stellt den Sportler grundsätzlich auf Straßenreifen der Marke Hankook Ventus S1 Evo². Die grippen zwar ordentlich, doch auf der Rennstrecke verhält es sich so: Die Semis kleben auf dem Asphalt wie der Handball auf der eingeharzten Handfläche. Die Straßengummis wie der Handball auf der unbehandelten Haut. Zur Verdeutlichung: Der Serie.-RS braucht für 200–0 rund 15 Meter mehr. Und wir haben noch einen guten Vergleichsmaßstab. MTM lieferte uns den RS 5 mit 21 Zoll großen Schmiederädern, die das ohnehin schicke Coupé fürs Foto noch schicker machen sollten. Problem: Die Seitenwand der montierten Conti SportContact 6 ist so flach wie drei aufeinandergestapelte iPhones. Damit bremst der MTM zwar trotzdem besser als das Serie.auto, aber eben auf einem deutlich niedrigeren Niveau als mit den letztlich für die Bewertung herangezogenen Semislicks.
Vorsprung durch mehr Leistung
Das verbaute KW-Clubsport-Gewindefahrwerk schmälert den Komfort. Zerrüttete Straßen bekommen dem getunten RS 5 nicht besonders, vor allem wenn er auf den 21-Zoll-Rädern unterwegs ist, die aufgrund ihres extrem niedrigen Querschnitts wenig abhalten vom Innenraum, sondern Schläge von Kanten oder Gullydeckeln relativ ungefiltert durchdringen lassen. Aber, und darum ging es, das Fahrwerk leistet seinen Beitrag, damit das Coupé jetzt endlich auch auf der Rennstrecke antörnt.
In der Südkurve ausholen, früh aufs Gas stapfen, um so viel Schwung wie möglich mitzunehmen in die schnelle Runde auf dem Kleinen Kurs. Der gestählte Sechszylinder atmet freier ein und leichter aus dank Änderungen in der Ansaugung und im Abgastrakt. Der im Kennfeld angepasste Motor giert im Sportmodus nach deinem rechten Fuß, die größeren Laderturbinen blasen ihn ab 2.000/min nachdrücklicher auf, bis ab 3.800/min die erste Form der Ekstase erreicht ist. Das Mittendifferenzial verteilt die 820 Newtonmeter auf beide Achsen, Traktion pur. Der RS wird immer schneller, schüttet kurz vor der 6.000er-Drehzahlmarke 612 PS und die wenigen noch verbliebenen Glückshormone aus, verzögert dann aus 205 km/h, um mit 130 Sachen durch die Nordkurve zu stechen.
Das Spielchen treibt er jetzt Kurve für Kurve. Über die schmissige Lenkung fädelt er ein, die Semis übertragen die fast schon zu direkten Lenkwinkel, er schmeißt sich an den Scheitelpunkt und bungee-jumpt dann aus der Kurve. Dieser Audi hat so viel Power, man könnte ihn glatt im sechsten Gang um die ganze Strecke scheuchen und würde immer noch zackig aus den Ecken kommen.
Übersteuern ist ihm so fremd wie Bayern das Verlieren in der Bundesliga. Seine Hinterachse ist festgetackert. Wenn du es überreizt, ihn über das weit oben verankerte Limit pushst, schiebt er über die Front von der Ideallinie – eine Abstimmung zugunsten der Fahrsicherheit. In unter 1.10 Minuten tankt sich der Getunte um den Kurs, vier Sekunden schneller als die Serie. Auch im Slalom tanzt er das Serie.fahrzeug aus. Bravo, Vorsprung durch Konzentration aufs Sportliche.