„Wir werden dem einen oder anderen weh tun“
In seiner ersten Rede als neuer Bundesverkehrsminister kündigt Patrick Schnieder (CDU) an, Infrastrukturprojekte zu beschleunigen und die Milliarden aus dem Sondervermögen schnell zu investieren. Die Opposition kritisiert unter anderem, dass die Verkehrspolitik zu vieles gleichzeitig wolle.
Patrick Schnieder hat in seiner ersten Regierungserklärung als Bundesverkehrsminister vor dem Deutschen Bundestag seine Prioritäten genannt. Der CDU-Politiker erklärte, die Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur müssten "schnell verbaut" werden, "mit diesem Geld gestalten wir die Zukunft." Konkret heiße das: "Wir beenden den Sanierungsstau bei der Infrastruktur." Die Regierung wolle "mutiger" werden "bei der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren". Vor diesem Hintergrund kündigte er an, unter anderem das Verbandsklagerecht "straffen" zu wollen. Dies erlaubt es Umweltverbänden, Bauprojekte durch Klagen lange zu verzögern. "In einigen Fällen wird das dem ein oder anderen weh tun. Aber wir müssen jetzt schneller werden", so Schnieder im Bundestag.
Autobahn-Lücken schließen
Ohne das seit Jahrzehnten fehlende Teilstück der A1 in seiner Heimatregion Eifel konkret zu nennen, nannte Schnieder das Schließen von Autobahnlücken als ein Ziel, was obendrein CO₂ und Abgase einspare, "weil wir den Menschen und Unternehmen Umwege ersparen. Auch das kann Klimaschutz sein."
Genehmigungsverfahren sollen "flexibler gestaltet" und "konsequent digitalisiert" werden. Schnieder führte das nicht weiter aus, laut Beobachtern kann damit auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der schnellen Beantwortung massenhafter Einwendungen gegen Bauprojekte gemeint sein. Zudem sollen Doppelprüfungen abgeschafft werden. Heißt wohl: Die gleichen Fragen sollen nicht in mehreren, sondern nur noch in einem einheitlichen Verfahren geklärt werden. Schnieder: "Wir werden ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben schaffen."
Für Infrastrukturvorhaben soll es zudem kürzere Fristen und verbindliche Stichtage geben. Für viele Unternehmen sei der Zustand der Infrastruktur existenzgefährdend. "Damit dürfen wir uns nicht abfinden und damit werden wir uns auch nicht abfinden", so der Minister, "die Menschen sollen die freie Wahl haben, wie sie sich fortbewegen und darauf verlassen können, dass alle Möglichkeiten gleichermaßen funktionieren. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land." Schon bald will der neue Minister zudem ein "Expertenforum klimafreundliche Mobilität und Infrastruktur" aus "Wissenschaftlern, Fachleuten und Verbänden" einsetzen.
Bahn-Korridore weiter sanieren, aber…
Investitionen ins Schienennetz will er steigern. Schnieder: "Jede Investition in die Schiene ist aktiver Klimaschutz." An der von Vorgänger Volker Wissing (früher FDP, jetzt parteilos) begonnenen Sanierung großer Fernverkehrskorridore der Bahn will der 57-Jährige festhalten. "Aber wir werden schauen, ob das in jedem letzten Fall unter Vollsperrung erfolgen muss." Wichtig sei, dass unter der Sanierung nicht der "Ausbau des Netzes in der Fläche" leide. Es dürfe nicht das Gefühl geben, "dass unser Land an vielen Stellen nicht mehr funktioniert, das gilt gerade auch für das System Schiene."
Schnieder bekannte sich "klar zum Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen", zu "Technologieoffenheit". In Sachen E-Mobilität blieb der Neue wortkarg, vermied konkrete Aussagen zu finanziellen Fördermöglichkeiten. Er sprach nur von "Fortschritt und Verantwortung bei der Elektromobilität."
Für den Luftverkehr kündigt der Verkehrsminister an, Steuern, Gebühren und Abgaben zu reduzieren. Im Ausland sind diese meist niedriger, weshalb vor allem Billig-Fluggesellschaften in den vergangenen Jahren dorthin ausgewichen sind. Mobilität sei die "Voraussetzung für Lebensqualität und Wohlstand in diesem Land." Sie müsse "bezahlbar, verfügbar und möglichst umweltverträglich sein." Verkehrspolitik dürfe nicht bevormunden, sondern müsse sich an den "Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft" orientieren.
Das sagen die Oppositionsparteien
Der AfD-Verkehrsexperte Wolfgang Wiehle machte in seiner Rede deutlich, dass es seiner Ansicht nach zu viele Wahlverspechen der CDU nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hätten: "Solide Finanzierung der Infrastruktur, Absage an ein allgemeines Tempolimit und die Erhaltung des Verbrennungsmotors. Alles Schwindel, nichts davon steht im Koalitionsvertrag." Wiehle warnte davor, dass der EU-Emissionshandel das Autofahren ab 2027 "über Nacht" unbezahlbar machen könne. "Auch so kann man Millionen Bürgern das Auto wegnehmen", so der AfD-Politiker.
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Tarek Al-Wazir, kritisierte, dass Schnieders Fokus zu sehr auf dem Auto liege. Wer nicht Autofahren wolle oder könne, "müsste auch auf dem Land die Freiheit haben, von A nach B zu kommen." Der Koalitionsvertrag sei "eine einzige große Enttäuschung, die alte Groko ist zurück, Schwarz-Rot will mal wieder alles gleichzeitig."
Luigi Pantisano von den Linken sagte: "Freiheit heißt auch: Ich kann ohne Auto zur Arbeit kommen." Ein gut ausgebauter und bezahlbarer ÖPNV "auch und gerade im ländlichen Raum", entlaste auch die Straßen. Nur wenn es "eine echte Auswahl" zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln gebe, "dann steigen sie gerne aufs Fahrrad oder in die Bahn um. Dann macht auch mir das Autofahren wieder Spaß, weil endlich weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind. " Mehr Straßenbau würde eine Magnetwirkung auf Autos haben und so zu noch mehr Staus führen.
Hinweis: In der Fotoshow über dem Artikel stellen wir Ihnen alle bisherigen Bundesverkehrsminister seit der Gründung der Bundesrepublik vor.