Alfa steht mit leeren Händen da
Bis fünf Runden vor Schluss lag Kimi Räikkönen auf Punktekurs, ehe er sich auf abgewetzten Reifen von der Bahn drehte. Trotzdem gab es für Alfa-Romeo Positives mitzunehmen. Das Auto war im Renntrimm ansprechend schnell. Das Teamwork stimmte im Vergleich zur Türkei.
Es passierte zum zweiten Mal in Serie. Aus unterschiedlichen Gründen. In Russland und in den USA schnupperte Alfa Romeo an seinem fünften Punkteresultat der Saison. In beiden Fällen klappte es nicht. In Sotschi fehlten zwei Kurven, um Esteban Ocon auf seinen abgekauten Reifen noch zu überholen. Doch Antonio Giovinazzi missachtete die Befehle, dem schnelleren Teamkollegen in seinem Heck Platz zu machen.
Der Italiener hatte dem Team am Funk mitgeteilt, dass er zulegen könne. Allerdings war er immer noch klar langsamer als Kimi Räikkönen. Nach dem Rennen musste sich Giovinazzi eine Standpauke anhören. Die Aktion hat seine Chancen auf ein Cockpit 2022 sicher nicht verbessert. In den USA gehorchte Giovinazzi und ließ den Stallgefährten im zweiten Rennteil vorbei. Doch Räikkönen warf in der 52. Rennrunde den zehnten Platz ohne Grund weg. Er drehte sich in den S-Kurven von der Strecke. Sebastian Vettel staubte ab.
Alfa-Teammanager Beat Zehnder ist überzeugt: "Seb hatte zwar eine schnelle Pace. Er hätte Kimi aber nicht mehr eingefangen. Er hat ja schon vier Runden gebraucht, Antonio mit frischeren Reifen zu überholen. Ihm wären am Ende die Runden ausgegangen." Tatsächlich war die 52. Rennrunde die viertletzte für die Überrundeten. Und Vettel musste noch eine Lücke zufahren. In Austin musste man schon 1,2 Sekunden schneller sein, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zu überholen.
Alfa steht mit leeren Händen da
Teamchef Frederic Vasseur klagte: "Das Team hätte sich nach einem guten Rennen wenigstens den einen Punkt verdient. Wir lagen vom Start bis ins Ziel in den Top 10 oder knapp außerhalb. Das war ermutigend, am Ende stehen wir aber mit leeren Händen da." Das Konto stockt bei sieben Zählern. Nur in vier der bisherigen 17 Grand Prix punktete Alfa Romeo.
Die Qualifikation war kein Hit. Am Samstag scheiterte Räikkönen in Q1. Giovinazzi fehlten 0,6 Sekunden für den Einzug ins Q3. Der Start war hingegen vielversprechend. Der Italiener kletterte von Platz 12 auf 11. Räikkönen, der von Motorenstrafen gegen Vettel, Alonso und Russell profitiert hatte, verbesserte sich von 15 auf 12. Mit dem Ausfall von Pierre Gasly rückte Alfa-Sauber in die Punkteränge vor. Mit Yuki Tsunoda vor sich und Vettel wie Alonso als Gegner dahinter.
Die Taktik sah vor, Giovinazzi jeweils früh und Räikkönen jeweils später zum Reifenwechsel zu beordern. Der Plan ging auf. In der 19. Runde kam es zum teaminternen Platztausch. Giovinazzi ließ den Mann mit den meisten Grands Prix der Geschichte vorbei. "Im zweiten Rennteil habe ich wahrscheinlich meine Chance verspielt, in die Punkte zu fahren, weil ich die Reifen nicht zum Arbeiten gebracht habe." Giovinazzi hatte den Nachteil eines gebrauchten Mediums, Räikkönen den Vorteil eines frischen. Der Iceman bilanzierte: "Das Auto hat sich speziell im ersten Teil des Rennens sehr gut angefühlt."
C41 gut über Bodenwellen
Der Alfa Romeo C41 ist ein Auto, das gut mit Bodenwellen umzugehen weiß. "Unsere Pace war ansprechend", meinte deshalb auch Teammanager Zehnder. Vor allem im Vergleich zur Qualifikation. Alfa klopfte an die Tür zu Punkten. Doch Alonso kam in die Quere.
Das Duell mit dem Spanier kostete Räikkönens Auto ein paar Teile. "Ich habe mir etwas den Unterboden ramponiert. Das hat nicht wirklich die Balance verschlechtert. Aber es scheint so, dass es den Reifenverschleiß beschleunigt hat", sagte Räikkönen. Zehnder berichtet: "Kimis Reifen waren kurz vor Schluss am Ende." Ohne Grip auf der Hinterachse rodelte der Ex-Weltmeister dann von der Bahn.
In den Zweikämpfen mit Alonso, die beide Alfa-Piloten austrugen, wurde über die Track Limits gestritten. In zwei Fällen musste der Fahrer den gewonnenen Platz zurückgeben, weil er über den Streckenrand hinausgeschossen war, und deshalb mehr Schwung mitnehmen konnte. Einmal traf es Giovinazzi. Einmal Alonso. Räikkönen kam straffrei davon, was Alonso erzürnte.
Der Fall Kimi vs. Alonso
Alfas Teammanager versteht die Aufregung nicht. "Alonso ist bei Antonio innen reingestochen und hat die Strecke verlassen. Klar, dass er den Platz wieder abtreten muss. Auch bei Antonio können wir damit leben, dass er nach seinem zweiten Verteidigungsmanöver Alonso vorbeilassen musste. Bei Kimi liegt der Fall anders. Er wurde von der Strecke gedrückt. Es steht im Sportgesetz und in den Event Notes, dass dann die Track Limits keine Anwendung finden. Bei Fehlern oder freiwilligem Verlassen der Strecke ist das was anderes."
Schauen wir in die Event Notes: In Artikel 21.5 e.) heißt es, dass die in den Absätzen davor aufgestellten Regeln zu den Track Limits nicht angewendet werden müssen, sofern ein Fahrer abgedrängt wurde. Jeder Fall werde individuell begutachtet. Rennleiter Michael Masi: "Der Fall Kimi war grenzwertig. Offensichtlich wägten die Stewards zwischen Überholen neben der Strecke und dem Abdrängen ab. Es war marginal, und sie haben entschieden, Kimi laufen zu lassen. Wir werden das in der nächsten Fahrer-Besprechung auf den Tisch bringen."