Ein Sieg muss noch her
Max Verstappen führt die WM auch nach dem Katar-Grand-Prix an. Red Bull verkürzte im Marken-Pokal auf acht Punkte gegen Mercedes. Und dennoch gewinnt man den Eindruck, dass der Herausforderer vor den letzten zwei Rennen in die Defensive geraten ist.
Es war eine Niederlage mit Ansage. Red Bull hatte nur zum Auftakt des Katar.Wochenendes das schnellste Auto. Zwischenzeitlich verirrte sich der Rennstall aus Milton Keynes im Setup-Dschungel und fand erst im Rennen wieder heraus. Der Wechsel von viel auf wenig Flügel und zurück vor der Qualifikation brachte den RB16B aus der Balance. Ein Kommentar aus dem Fahrerlager: "Das kann nicht funktionieren, wenn du kurz vor der Quali wieder einen anderen Weg einschlägst. Du läufst Gefahr, das Setup nicht hinzubekommen."
In diesem Duell sind es Kleinigkeiten, die den Ausschlag geben. Mercedes traf das Setup-Fenster in den USA nicht und verhagelte den Start zum GP Mexiko. Red Bull verpatzte die Abstimmung für Brasilien. Das dunkelblaue Auto überstrapazierte im Renntrimm seine Vorderreifen. Auch weil Verstappen im Mittelsektor stets Tempo machen musste, um Hamilton vor den Geraden zu entwischen. So entstand bei eigentlich gleichwertigen Autos ein Ungleichgewicht.
Strafe raubt Optionen
Das Spiel setzte sich in Katar fort. Mercedes fuhr wie in Brasilien mit maximalem Abtrieb und verfolgte konsequent diesen Weg. Red Bull fand erst im Rennen wieder in die Spur. Mit mehr Gewicht war das Auto besser in Balance.
"Der Fehler lag auf unserer Seite. Wir lagen im ersten Training vier Zehntel vorn. Danach sind wir vom Weg abgekommen. Hamilton hat sich dagegen sukzessive gesteigert, und sich sein Auto hingerichtet, wie er es braucht", urteilte Sportchef Helmut Marko. "Bei uns war das Gegenteil der Fall. Den perfekten Start konnten wir nie wiederholen. Im dritten Training haben wir plötzlich drei Zehntel in der ersten Kurve verloren." Also wurde zurückgebaut.
Max Verstappen machte die Startplatzstrafe innerhalb von fünf Runden wett. Doch die frühe Aufholjagd bezahlte der Niederländer mit nachlassenden Medium-Reifen. Der Kommandostand plante um. Aus einem wurden zwei Boxenstopps. Bis zum ersten enteilte Hamilton um 8,2 Sekunden.
Die Strafe hatte Red Bull die Flügel gestutzt. Verstappen wurde der Chance beraubt, Hamilton direkt am Start auszubeschleunigen. Auch wenn das von der schmutzigen Seite wohl ein schwieriges Unterfangen geworden wäre mit gleichen Reifen. Taktisch wäre nur etwas auszurichten gewesen, wenn der WM-Führende seinen Rivalen sofort hätte verfolgen können. "Vielleicht hätten wir ihn dann über den Undercut geknackt. So wurden uns die taktischen Möglichkeiten genommen", klagte Marko.
Mercedes-Einspruch bindet Kapazitäten
Red Bull ist nach zwei Glanzauftritten von Mercedes und Hamilton in die Defensive geraten. Obwohl Verstappen die Weltmeisterschaft noch mit acht Punkten anführt. Dem Extra-Punkt der schnellsten Rennrunde sei Dank. Am Ende waren Mercedes diesbezüglich die Hände gebunden.
Der Trend spricht gegen den Herausforderer, der sich am Positiven hochzieht. "Unsere Renn-Pace war deutlich besser im Vergleich zur Qualifikation", sagt Marko. "Auf den harten Reifen lagen wir auf einem Niveau mit Mercedes", glaubt Teamchef Christian Horner.
Der Topspeed-Nachteil der letzten Wochen war weder im Qualifying noch im Rennen sichtbar. "Wir sind bei der Höchstgeschwindigkeit zusammengerückt. Erstmals seit Wochen hatten wir keinen Nachteil mehr." Und die Klage von Mercedes gegen die rustikale Fahrweise Verstappens wurde von den Sportkommissaren abgewiesen. "Das hat allerdings Kapazitäten gebunden, weil wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten mussten", sagt Marko. Das wird man bei Mercedes gerne hören.
Und trotzdem musste man einsehen, dass unter den Umständen nicht mehr als der zweite Platz möglich war. "Sobald Max attackiert hat, kam der Konter von Hamilton. Es wäre mit sehr großen Risiken verbunden gewesen, ihm irgendwie näher zu kommen", bilanziert Marko. Der Weltmeister mied die Randsteine. Er hatte alles im Griff. Die Titelrivalen fuhren wie gewöhnlich in dieser Saison in einer eigenen Liga. Hamilton und Verstappen treiben sich zu immer neuen Höchstleistungen.
Im Marken-Pokal robbte sich Red Bull dank des vierten Platzes von Sergio Perez und des Ausfalls von Valtteri Bottas bis auf fünf Punkte heran. Doch der Fahrer-Titel genießt überragende Priorität. In Saudi-Arabien rechnet Red Bull mit der nächsten schweren Aufgabe. Der schnellste Stadtkurs der Welt sollte Mercedes in die Karten spielen. Doch Prognosen wurden in dieser Saison schon oft widerlegt.
95 Prozent reichen nicht
Sportchef Marko stachelt seine Mannschaft an. "Wir müssen noch eines der beiden Rennen gewinnen. Alle sagen, dass Jeddah Mercedes-Land sein wird. Dann gewinnen wir eben dort." Die Erkenntnis nach Katar. "95 Prozent reichen nicht. Du musst immer alles optimal auf den Punkt bringen, um zu bestehen." In den letzten zwei Rennen muss zwei Mal das Setup zu 100 Prozent sitzen, sonst wird man gegen Mercedes den Kürzeren ziehen.
Es ist nicht gesagt, dass Mercedes in Jeddah seinen Trick mit dem absenkenden Heck auf den Geraden tatsächlich ausspielen kann. Vielleicht hindern die vielen schnellen Kurven den Titelverteidiger daran. Womöglich war das schon in Katar der Fall, was den ausgeglichenen Topspeed erklären könnte. Red Bull glaubt außerdem, mit seinen Vorwürfen bezüglich eines angeblich biegsamen Heckflügels am Mercedes ins Schwarze getroffen zu haben.
Angeblich soll Mercedes am Samstag von Katar auf ein anderes Hauptblatt gewechselt haben, behauptet Red Bull. Und schon sei der Nachteil auf der Gerade weggewischt gewesen. Sagt Red Bull. Dafür erntet man von Mercedes nur ein müdes Lächeln. Und die Antwort: "Stimmt nicht. Der Flügel wurde nicht getauscht." Wie dem auch sei. Über die Streckenposten klagte Red Bull zwar in Katar, dafür bekam die FIA ein Lob für die durchgeführten Heckflügeltests. "Wenn der neue Test weiter durchgeführt wird, sind wir zufrieden."
Mercedes-Flügel verträgt auch 100 Kilo
Nur ist der aktuell nicht bindend. Und bei Mercedes verbog sich laut eigener Aussage überhaupt nichts. "Der Flügel war felsenfest. Sie hätten auch 100 Kilo hinhängen können." Das Hauptblatt wurde an zwei Stellen mit jeweils 35 Kilogramm nach unten gezogen. Spöttischer Kommentar im Fahrerlager: "Vielleicht fordert Red Bull beim nächsten Mal 105 Kilogramm."
Ohnehin scheint die Zeit zu knapp, um mit dem Reglement nachzujustieren. Die Saison endet in drei Wochen. Da kann keiner mehr beim Flügel nachbessern, sollte tatsächlich Bedarf bestehen. Als im Sommer die Technische Direktive verschärft wurde, hatten die Teams ein paar Wochen Vorlauf. Und schon da stöhnten die kleinen und manch große. Wir hören, dass die FIA am Sonntagvormittag von Katar jeweils ein Auto pro Team für die neuen Tests herausgezogen hat. Die Ergebnisse werden hinter verschlossenen Türen ausgewertet, und sollen womöglich als Referenz für 2022 einfließen.
Ein Problem muss Red Bull selbst noch beheben. Das launische DRS. Mit dem größten Flügeltyp waren Mechanismus und Heckflügel-Flap stabiler. In Jeddah wird man damit aber nicht fahren können, sonst geht man auf den Geraden unter. "Wir werden eine Lösung dafür haben", verspricht Teamchef Horner.