Mercedes mit dummen Momenten
Wie lockte Valtteri Bottas seinen Teamkollegen Lewis Hamilton beim Restart in die Falle? Warum unterlief Mercedes beim Timing des letzten Boxenstopps ein Fehler? Und welches Team hatte im Rennen das schnellere Auto? In der Rennanalyse beantworten wir die offenen Fragen zum GP Portugal.
Warum krachte Räikkönen in den eigenen Teamkollegen?
Der spannende Grand Prix von Portugal begann mit einem Knalleffekt. Kimi Räikkönen war am Ende der ersten Runde in den zweiten Alfa Romeo von Antonio Giovinazzi gekracht. Dabei ging der Frontflügel des Finnen zu Bruch und verteilte sich in Einzelteilen quer über die Zielgerade. Ein paar Trümmer hatten sich auch unter dem Auto verkeilt, weshalb der Iceman in Kurve eins nicht verzögern konnte und ins Kiesbett rutschte. Doch warum war Räikkönen überhaupt mit seinem Teamkollegen kollidiert?
Aus der Onboard-Perspektive sah es so aus, als sei der Routinier dem Schwesterauto grundlos auf das Hinterrad gefahren. "Das war ganz klar mein Fehler”, entschuldigte sich der 41-Jährige bei seinem Team. "Ich habe etwas am Lenkrad gecheckt und eine Einstellung geändert. Schon in der letzten Kurve hatte ich irgendwas falsch eingestellt, deshalb musste ich noch einmal nachschauen. Und dann bin ich einfach in ihn reingefahren." Zum Glück für Alfa Romeo ging die Szene für Giovinazzi glimpflich aus. Der Italiener konnte ohne Plattfuß weiterfahren.
Warum verpennte Hamilton den Restart?
Das Safety-Car blieb vier Runden auf der Bahn, bis alle Einzelteile des Räikkönen-Renners weggeschafft waren. Dann endlich bog Bernd Mayländer mit seinem roten Mercedes in die Box ab, um den Weg für die beiden schwarzen Mercedes hinter ihm frei zu machen. Valtteri Bottas kontrollierte als Spitzenreiter das Tempo. Der Finne zog aber erst an, als das Feld schon auf die Zielgerade eingebogen war, um seinen Verfolgern nicht zu früh Windschatten zu spenden. Und dabei erwischte er seinen Teamkollegen auf dem falschen Fuß.
Lewis Hamilton verpennte den Restart komplett: "Ich habe mich natürlich zunächst auf Valtteri konzentriert", berichtete Hamilton später. "Doch dann habe ich für einen Sekundenbruchteil in den Rückspiegel geschaut, um zu sehen wo Max ist. Und genau in diesem Moment hat Valtteri Gas gegeben." Ein Zufall war das nicht, wie Bottas berichtet: "Ich konnte sehen, wie er in den Spiegel geschaut hat."
Verstappen nutzte die Gelegenheit direkt aus und startete vor der ersten Kurve erfolgreich die Attacke. Und auch da unterlief Hamilton ein Fehler, wie er selbst zugab: "Max war sofort in meinem Windschatten. Kurz bevor er rausziehen wollte, bin ich selbst auf die Innenspur gewechselt. Aber dadurch hatte Max außen plötzlich den Windschatten von Valtteri. Das war nicht besonders schlau von mir."
Hat Mercedes jetzt die Oberhand?
Hamilton bügelte seinen Restart-Fauxpas relativ schnell wieder aus. In Runde elf kam Verstappen in der vorletzten Kurve leicht aus dem Tritt. Da machte der Weltmeister mit Hilfe des DRS kurzen Prozess. Und nur neun Runden später war auch Bottas fällig und die gewohnte Mercedes-Reihenfolge war wieder hergestellt.
Für Verstappen war der zweite Mercedes allerdings nicht so leicht zu überholen. Der Imola-Sieger musste mit seinem Angriff bis nach dem Boxenstopp warten. Weil Red Bull die harten Reifen schneller ins Arbeitsfenster bekam, konnte sich Verstappen vor Kurve fünf innen vorbeipressen. "Sie hatten einen besseren Top-Speed als wir", erkannte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Es war für sie leichter uns zu überholen als andersherum."
Kaum war Verstappen an Bottas vorbei, versuchte er sich direkt auf die Jagd nach Hamilton zu machen. Doch der Weltmeister war im zweiten Stint einfach zu schnell unterwegs: "Auf den harten Reifen hatten sie einen Vorteil", gab Horner zu. "Dass wir immerhin einen Mercedes schlagen konnten, ist für uns schon gut. Auf einer Strecke, auf der wir letztes Jahr 30 Sekunden Rückstand hatten, konnten wir ihnen einen harten Kampf bieten."
Dass Mercedes nun im Vorteil ist, glaubt man auch bei Mercedes nicht: "Die Autos liegen ganz eng zusammen. Das hat man in der Qualifikation schon gesehen. Es hätte jeder der ersten Drei auf Pole Position stehen können", analysierte Chefingenieur Andrew Shovlin. "Was das Rennen angeht, war kein Auto richtig überlegen. Es gab nur einen überlegenen Fahrer und der hieß Lewis Hamilton. In Barcelona kann es aber schon wieder ganz anders aussehen. Da drohen überhitzende Reifen. Und damit hatten wir schon in Bahrain Probleme."
Auch Christian Horner wollte das Ergebnis nicht überbewerten: "Die Bedingungen hier waren mit der Kälte, dem Wind und dem rutschigen Asphalt sehr unnormal. Wenn wir ein Standard-Rennen in Barcelona haben, dann sollten wir mehr über das Kräfteverhältnis wissen. Klar ist nur, dass es sehr eng zugeht. Kleine Fehler können den Ausschlag geben. Mercedes und Red Bull sind klar die stärksten Teams im Feld. Lewis und Max sind die herausragenden Fahrer. Der große Gewinner ist aber die Formel 1 als Ganzes."
Warum holte Mercedes Bottas so früh rein?
In der Schlussphase rief Mercedes Bottas zum Boxenstopp, um mit weichen Reifen die schnellste Rennrunde zu attackieren, die zu diesem Zeitpunkt Sergio Perez auf seinem Konto hatte. Zur Überraschung aller Experten kam das Kommando aber schon drei Runden vor Schluss. So ermöglichte man Red Bull im vorletzten Umlauf noch die Chance zum Konter.
Es schien, als wollten die Mercedes-Ingenieure ihrem Fahrer die Chance geben, eine zusätzliche Aufwärmrunde zu drehen. Doch dem widersprach Teamchef Toto Wolff: "Das war einfach nur ein dummer Moment von uns. Aus solchen Situationen müssen wir lernen." Durch den Fehler hätte man beinahe dem großen WM-Rivalen Max Verstappen einen Bonuspunkt geschenkt. Red Bull reagierte sofort und setzte den Holländer ebenfalls auf weiche Reifen. Mit der allerletzten Runde unterbot er die Vorgabe von Bottas um 16 Tausendstel. Doch zum Glück für Mercedes strich die Rennleitung die Zeit nachträglich, weil Verstappen in Kurve 14 eine Handbreit neben die Strecke geraten war.
Warum attackierte Red Bull die Rennleitung?
Im Red-Bull-Lager war man nach dem geklauten Bonuspunkt sichtlich angefressen. Sportchef Helmut Marko nahm kein Blatt vor den Mund: "Das mit den Track-Limits ist wirklich lästig. Wir haben in Bahrain einen Sieg verloren, gestern die Pole Position und jetzt noch die schnellste Runde. Aller guten Dinge sind drei. Da muss sich was ändern. Entweder gibt es eine Begrenzung mit richtigen Kerbs oder man macht da Kies hin, so dass es eine automatische Bestrafung gibt, wenn man rausfährt."
Im ganzen Rennen wurde nur Verstappen nach einem Verstoß in Kurve 14 die Rundenzeit gestrichen. Misst die FIA hier etwa mit zweierlei Maß? Rennleiter Michael Masi weist diesen Vorwurf von sich: "Während des Rennens wurde eine Reihe von Rundenzeiten wegen Verstößen in verschiedenen Kurven gestrichen – genau wie schon im Qualifying und in den Trainings. Wir haben das bei allen Fahrern gleich gehandhabt. Das lief konstant nach den vorher festgelegten Regeln ab. Jeder Fahrer, der in Kurve 14 neben der Strecke war, und in den Mini-Sektoren eine persönliche Bestzeit fuhr, was bei Verstappen der Fall war, bekam seine Zeit gestrichen."
Bei Red Bull sorgte auch noch der Fall Lando Norris für Ärger, der nach dem Restart Sergio Perez überholt hatte: "Norris war mit allen vier Rädern neben der Strecke, da hat es nichts gegeben", schimpfte Marko. "Das ist kein richtiges Racing, wenn da so mit den Regeln herumjongliert wird." Auch hier hatte Rennleiter Masi eine passende Antwort parat: "Red Bull hat uns das schon während des Rennens gemeldet. Wir haben die Szene untersucht und festgestellt, dass Lando den Überholvorgang nicht in Kurve vier außerhalb der Strecke vollzogen hat. Er hat Sergio vor Kurve fünf am Ende der DRS-Zone ausgebremst."
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die besten Szenen vom GP Portugal.