Für deutsche Autobauer ist die Elektro-Party vorbei
Die deutsche Autoindustrie steht offenbar vor massiven Absatzproblemen. Sinkende Nachfrage bei steigenden Preisen kündigen eine heftige Krise an.
Zunächst stand nur VW im Fokus. Sinkende Nachfrage und schleppende Verkäufe sind für das Herunterfahren der ID.4 Produktion verantwortlich, zuletzt sorgte eine an die Öffentlichkeit gelangte Brandrede von Volkswagen-CEO Thomas Schäfer für Aufsehen. Doch nun scheint klar: Nicht nur bei VW ist Feuer unterm Dach, auch bei anderen deutschen Herstellern steigt die Temperatur bedenklich.
In den Krisenjahren 2020 bis 2022 mit dem Mangel an Halbleiterprodukten und unterbrochenen Zulieferketten überstieg die Kundennachfrage das Produktionsvolumen, die Hersteller konnten ihre Fahrzeuge quasi nach Wunsch verteilen und nutzten die Gunst der Stunde auch für zum Teil drastische Preiserhöhungen. So hatte BMW zuletzt bei einzelnen Baureihen die Preise praktisch im Quartalsabstand nach oben angepasst. Ganz besonders auffällig war die Teuerung bei Mercedes, wo Modellpflegemaßnahmen und das Streichen günstiger Einstiegsmodelle bei einzelnen Baureihen von heute auf morgen teils fünfstellige Preiserhöhungen brachten.
Starke Preiserhöhungen in der Vergangenheit
Dieses Verhalten trifft jetzt auf einen Markt, in dem aktuell gleich aus mehreren Gründen die Nachfrage zusammenbricht. Steigende Preise und inflationsbedingt sinkende Reallöhne machen privaten Käufern wenig Lust, über den Erwerb eines Neuwagens nachzudenken. Ganz besonders gilt dies für die teuren Elektroautos. Deren aktuelle Zuwächse bei den Neuzulassungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier vorwiegend Auftragsbestände abgearbeitet werden. Neuaufträge hingegen brechen stark ein (in unserer Bildergalerie sehen Sie, welche Modelle im ersten Halbjahr 2023 die höchsten Zulassungszahlen verzeichneten).
Hinzu kommt das Auslaufen der Elektroauto-Förderprämie für gewerbliche Käufer ab dem September. Vom Handwerksbetrieb bis zum Großflottenbetreiber wird das die (bislang hauptsächliche) gewerbliche Nachfrage nach Elektroautos sehr stark belasten, die ersten Auswirkungen auf die Neuzulassungen nach einem erwartbaren "Endspurt" zum Förderungs-Ende dürften sich entsprechend bereits im vierten Jahresquartal 2023 deutlich zeigen.
Bis zu 50 Prozent weniger Aufträge
Wenig gute Stimmung herrscht generell in der Branche. Das Handelsblatt zitiert den Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn: "Die Auftragseingänge bei Elektroautos liegen branchenweit 30 bis 50 Prozent unter dem Vorjahr". Dies betreffe alle Hersteller. "Die Party ist vorbei, bei Neuwagen genauso wie bei Gebrauchten", so Peckruhn laut Handelsblatt.
Das Handelsblatt berichtet weiter, bei einzelnen Modellen auf Volkswagens MEB-Plattform, die von Audi, Cupra, Skoda und VW genutzt werde, liege die Nachfrage um bis zu 70 Prozent unter dem Plansoll. Mit dem zunehmend selbstbewussten Auftreten chinesischer Wettbewerber, die mit niedrigen Preisen Marktanteile gewinnen, wird diese Situation in Zukunft nicht einfacher. Auch auf Teslas Höhenflug speziell mit dem Model Y, im ersten Halbjahr souveräner Sieger in der deutschen E-Verkaufsstatistik, hat VW bis heute keine Antwort gefunden.
Mercedes "mit Vollgas an die Wand"
Bei Mercedes kriselt es indes nicht nur wegen schleppender Elektro-Nachfrage. Die von der Sternmarke ausgerufene Luxusstrategie bringt aktuell die Händlerschaft auf die Zinne. Sie sorge dafür, dass der Hersteller "den deutschen Markt mit Vollgas gegen die Wand" steuere. So zitiert Business Insider aus einem vierseitigen Schreiben eines Mercedes-Händlerverbands, in dem die massiven Preiserhöhungen in ungewohnt drastischer Wortwahl kritisiert werden. Diese führten bereits jetzt zu einer Abwanderung von Bestandskunden zu Wettbewerbern. Zudem sorgten die stark gestiegenen Preise zu reihenweisen Stornierungen von Flottenkunden, weil die verteuerten Modelle nicht mehr den Dienstwagen-Policies der Unternehmen entsprechen.