Junge Fahrer raus aus PS-starken Autos!
Gerade innerstädtische Raser haben ein eindeutiges Profil: Sehr junge Fahrer und zu PS-starke Autos ergeben eine teils tödliche Mischung. Wie man die verhindern kann, macht der Zweiradbereich vor, glaubt Digital-Chefredakteur Gerd Stegmaier.
Im Jahr 2023 sind in Deutschland 2.839 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben gekommen (1,8 Prozent oder 51 Todesopfer mehr als im Jahr 2022, siehe Galerie), wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden gerade mitteilte. Natürlich ist jedes Todesopfer eines zu viel. Aber besonders tragisch ist es, wenn Menschen sterben, die im Straßenverkehr so unterwegs sind, dass sie selbst nur schwer jemand tödlich verletzen könnten: Von den 2.839 Verkehrstoten waren 446 mit dem Fahrrad (15,7 Prozent) und 437 zu Fuß unterwegs (15,4 Prozent), 902 (also nahezu alle) innerorts. Von denen wiederum waren 66 Prozent mit einem Fahrrad (257 Menschen) oder zu Fuß (335) unterwegs. "Nur" 17 Prozent (151) der Getöteten waren Pkw-Insassen.
Juristisch sind Raser Mörder
Diese Asymmetrie lässt sich naturgemäß schwer auflösen, womöglich nur mit deutlich weniger und langsamerem Autoverkehr innerorts. Aber es gibt einen besonders dramatischen Unfalltypus, von dem eine bundesweite Statistik bezeichnenderweise gar nicht leicht zu bekommen ist, der sich aber mit sehr gezielten Maßnahmen eindämmen ließe. Zahlenmäßig brächte das mutmaßlich keinen entscheidenden Fortschritt, für die Tragik hinter der Statistik aber einen enormen. Die Rede ist von Raser-Unfällen und dabei aus dem Leben gerissenen Kindern, Eltern oder Großeltern.
Die Rechtsprechung zog daraus schon 2017 die Konsequenz und verurteilte Teilnehmer an einem illegalen Autorennen mit Todesfolge als Mörder. Aber welche Möglichkeiten gibt es, solche Taten schon vorher zu verhindern? Das richtet den Blick auf die Täter. Der Berliner Oberamtsanwalt Andreas Winkelmann nannte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung drei Gruppen: "Raser, die den Wettstreit miteinander suchen. Einzelraser, die versuchen, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Und schließlich gibt es die Polizeiflucht. Da hat jemand etwa Drogen im Auto, wird von der Polizei angehalten und versucht, sich durch eine kilometerlange Amokfahrt über rote Ampeln der Polizei zu entziehen".
Besonders klar sieht Winkelmann, welches Profil der typische Raser hat: "Zu 97 Prozent sind Raser junge Männer zwischen 18 und 30, wobei die 21- bis 25-Jährigen die größte Gruppe ausmachen. Die Raser kommen aus allen sozialen Schichten. (…) Eines haben alle gemeinsam: Sie wollen sich mit dem Glanz des Luxusfahrzeugs umgeben und zeigen, wer sie sind und was sie darstellen. Geltungsbewusstsein und Selbstüberschätzung kommen zusammen, eine fatale Mixtur".
Ein Führerschein wie ein Waffenschein?
Die wenigsten jungen Fahrer sind Eigentümer hochmotorisierter Fahrzeuge. Andreas Winkelmann ist daher sicher, dass "ein bundesweites Überlassungsverbot für hochmotorisierte Fahrzeuge an junge Fahrer" eine wirkungsvolle Maßnahme wäre. "Wenn ein Vater ein 300-PS-Auto hat, dann muss er es drosseln lassen, wenn er seinen Sohn damit fahren lassen will. Und ein Vermieter soll nur mindermotorisierte Fahrzeuge an junge Menschen übergeben dürfen", so Winkelmann. Australien führt übrigens am 1. Dezember 2024 einen speziellen Zusatzführerschein für Fahrzeuge ab einem bestimmten Leistungsgewicht ein – nachdem 2019 zwei Mädchen von einem Sportwagen auf einem Gehsteig angefahren wurden.
Motorrad-Stufenführerschein als Vorbild
Bei Motorrädern gibt es auch in Deutschland längst eine Zulassungsbeschränkung. Mit mehr als 48 PS dürfen selbst Motorradführerschein-Inhaber (Klasse A2) erst nach zwei Jahren und einer weiteren praktischen Prüfung fahren, oder sie müssen 24 Jahre alt sein. Bei Zweirädern dient das vor allem dem Schutz der jungen Fahrer selbst: Zu viele von ihnen starben auf Motorrädern mit 100 PS oder mehr.
Bei Pkw würde ein Stufenführerschein vor allem andere, schwächere Verkehrsteilnehmer schützen, eine Zugangsbeschränkung für leistungsstarke Fahrzeuge Raser-Opfer. Aber angesichts der leistungsfähigen Elektronik in modernen Autos sollte selbst eine Leistungs-Drosselung sogar für bestimmte Fahrer technisch kein Problem sein. Dem Image leistungsstarker Fahrzeuge würde das guttun, denn rasende Poser ruinieren es – sogar bei der zahlungskräftigen Kundschaft.