Audi RS4 im Test

Kombi, Sportwagen, oder einfach ein Auto, das nicht an jeder Straßenecke steht? Wer nur einen Wunsch frei hat, findet im Audi RS 4 die Lösung seines Problems.
Mit den 66195 EUR, die für den neuen Audi RS4 in der Preisliste stehen, wird der Käufer nicht ganz hinkommen. Denn auch wer ein Navigationssystem (1360 EUR) für überflüssig hält, auf Lederpolster (436 EUR) verzichten kann und einen automatisch abblendenden Innenspiegel (140 EUR) als Schnickschnack abtut, wird unter Position zwei der möglichen Sonderausstattungen fündig: Gepäcknetz zur Sicherung von Ladegut. Das kostet vergleichsweise bescheidene 76 EUR und sei wärmstens empfohlen. Denn dieser Audi ist ein Sportwagen, der sich gewaschen hat.
Ehrfurcht gebietende 380 PS schlummern, versteckt unter Kohlefaserverkleidungen und den silbrig glänzenden Saugrohren der beiden Turbolader, in seinem 2,7 Liter großen V6-Motor, der damit gegenüber der Ausführung im Audi S4 noch einmal 115 Pferdestärken zugelegt hat. Das bedeutet eine spezifische Leistung von 143 PS pro Liter Hubraum, die nicht einfach durch eine Erhöhung des Ladedrucks auf stattliche 1,2 bar zu erzielen war. Größe-re Ladeluftkühler, angeströmt durch riesige Öffnungen in der Frontschürze, kamen dazu, eine zweiflutige Auspuffanlage sowie als wichtigster Bestandteil Zylinderköpfe mit größeren Atemwegen. Sie wurden von der seit 1999 zu Audi gehörenden britischen Firma Cosworth Technology entwickelt und werden auch dort gegossen. Der Audi RS4 ist das erste eigenständige Modell, das die Quattro GmbH konzipiert hat. Das Ergebnis kann sich sehen und, besser noch, fahren lassen. Dabei zeigt sich, dass Audi die Turbotechnologie gut im Griff hat. Der Sechszylinder benimmt sich im unteren Drehzahlbereich lammfromm und entwickelt schon vor dem Einsatz der beiden Turbolader spürbaren Schub. Gar kein Problem, ihn im Stadtverkehr mit weniger als 2000/min zu bewegen und dabei auch die oberen Gänge des Sechsganggetriebes zu benutzen. Vollgas. Die Drehzahlmessernadel erreicht die 3000/Min-Marke, und die Köpfe der überraschten Mitfahrer machen Bekanntschaft mit den Kopfstützen, obwohl der Schub keineswegs schlagartig einsetzt und damit von einem Turboloch im herkömmlichen Sinn keine Rede sein kann.
Ohne brüllenden Krawall wie ein startender Jet davonstürmend, entfaltet der Audi seine Kraft in einer unauffälligen Art und Weise, die beim Blick auf die Tachonadel immer wieder für Überraschung sorgt. Das Ziel, mit einem Turbo die Leistungsentfaltung eines größeren Saugmotors zu bieten, erreicht zwar auch dieser Audi-Motor nicht. Der Charakter blieb turbotypisch, was schließlich nicht zuletzt den spezifischen Reiz aufgeladener Triebwerke ausmacht. Doch es gelang eine sehr harmonische Abstimmung, die das exakte Dosieren der Hochleistung auch auf kurvenreichen Strecken mit ständig wechselnden Lastzuständen nicht zum Problem macht. Es gilt nur, die Drehzahl oberhalb von 2500/min zu halten, was mit dem eng abgestuften, allerdings etwas hakelig zu schaltenden Sechsganggetriebe kein Hexenwerk darstellt. Auf der Autobahn darf der Fahrer die Schaltarbeit weitgehend einstellen. Denn hier steht im fünften und sechsten Gang genügend Durchzugskraft zur Verfügung, um beispielsweise nach von Baustellen verursachten Zwangspausen so zügig wieder hochzubeschleunigen, dass allenfalls noch ein Porsche Carrera folgen kann. Die ab 1500/min steil ansteigende Drehmomentkurve, die bereits bei 2500/min den Höchstwert von 440 Newtonmetern erreicht und dort schnurgerade bis 6000/min verharrt, ist verantwortlich für die höchst eindrucksvolle Kraftentfaltung, die, nur kurz unterbrochen von den Schaltpausen, bis in den obersten Geschwindigkeitsbereich anhält. Die 250 km/h, die auch die Quattro GmbH als das politisch korrekte Maximum ansieht, sind so im Handumdrehen erreicht. Dann setzt der Begrenzer, der per E-Gas die Drosselklappe schließt, so weich ein, dass sich nur der auf dem Gas stehende Fahrer dessen bewusst wird. Die Kraft der RS-Maschine geht einher mit einer bemerkenswerten Laufkultur. Der V6 dreht leichtfüßig und ohne spürbare Vibrationen bis zu seiner Höchstdrehzahl von 7000/min. So etwas kennt man normalerweise nur von Reihensechszylindern, deren Sound der kraftvoll blasende Zweirohrauspuff gekonnt imitiert. Im obersten Geschwindigkeitsbereich summieren sich Auspuffton sowie Abroll- und Windgeräusche zu beträchtlicher Lautstärke, was aber insofern nur eine untergeordnete Rolle spielt, als ein so schnelles Auto kaum über längere Strecken mit Volllast bewegt werden kann. Um zwei Zentimeter tiefergelegt, straff abgestimmt und mit breiten 18-Zoll-Walzen versehen, zeigt der Audi auch bei sehr forscher Gangart Fahrsicherheit auf hohem Niveau.
Der Geradeauslauf ist stabil, die präzise Lenkung vermittelt in schnellen Autobahnkurven einen soliden Fahrbahnkontakt. Auf winkligen Landstraßen beweist das Fahrwerk Reserven, die allenfalls im Gefolge grober Fahrfehler angegriffen werden müssen. Die mögliche Querbeschleunigung liegt sehr hoch, enge Kurven verlässt der allradgetriebene RS 4 auch bei Nässe und voller Beschleunigung mit unerbittlich zupackenden Antriebsrädern. Das Handling hat dank den exakten Reaktionen auf Lenkbewegungen und dem neutra-len Eigenlenkverhalten Sportwagen-Charakter. Den Grenzbereich kündigt der Audi durch leichtes Schieben über die Vorderräder gutmütig an. Routiniers können dann auch das Gaspedal zu Hilfe nehmen. Plötzliches Gaswegnehmen führt zu einem Eindrehen in die Kurve und erleichtert es damit, auf dem gewünschten Radius zu bleiben. Kritisch wird die Lastwechselreaktion nicht, solange das serienmäßige ESP eingeschaltet bleibt. Es bremst das einsetzende Übersteuern aus, wobei der Eingriff so wohldosiert ausfällt, dass auch eingefleischte Fahrdynamiker die Finger vom Ausschaltknopf lassen können. Dass ein so sportliches Auto keine Sänfte sein kann, ist klar. Aber Audi gelang bei aller Straffheit eine harmonische Abstimmung. Kleine Unebenheiten werden überraschend gut absorbiert, was vor allem dem Autobahnkomfort dienlich ist. Selbst auf sehr schlechten Landstraßen zeigt der RS 4 keine ungebührliche Härte. Er teilt den Straßenzustand unmittelbar mit, vermeidet aber die wirklich lästigen Vertikalbewegungen mit hoher Beschleunigung. Ein überzeugendes Auto also für einen kleinen Kreis von Feinschmeckern, die für einen Kombi im schlichten Gewand des Audi A4 über 100 000 Mark auszugeben bereit sind. Dass es die gibt, darf Audi bereits froh verkünden: Die erste Jahresproduktion von 3000 Exemplaren ist ausverkauft.