Audi S3 Cabrio und BMW M235i Cabrio Vergleich
Beide haben eine große Klappe: Auf Knopfdruck mutieren BMW M235i und Audi S3 zu 300-PS-Power-Cabrios. Katapultieren sie sich damit auch ins Dachgeschoss der Sportwagenwelt?
Gesunde Kompromisse machen aus Konflikten chronische Krankheiten. Weil das Johann Wolfgang von Goethe so schrieb, muss es stimmen. Das Cabrio ist aus Sicht des Sportfahrers immer ein Kompromiss. Ist es auch ein gesunder? Die Zielkonflikte sind klar: Das offene Dach kann die Steifigkeit auf das Niveau von Bananenschalen herunterbimsen. Wenn das nicht passieren soll, muss mittels Versteifungen Gewicht ins Auto gepackt werden, was dann schlussendlich die Performance killt. Ein Teufelskreis, ganz nah am faulen Kompromiss – oder gar an einer chronischen Krankheit?
Da ist es sinnvoll, bei der Beurteilung von Cabrios immer auch ein wachsames Auge auf die Resultate der Ausgangsmodelle zu haben. Nur dann wird klar, welcher Hersteller einen guten Job gemacht hat – und welcher nicht.
Cabriovarianten ab 6.000 Euro Aufpreis
Fakt ist: Jene, die nicht nur herumcruisen wollen, müssen bei der Cabrio-Option auch heute noch tapfer sein. Je nach Ausstattung muss man für einen offenen Audi S3 mit 300 Turbo-PS und vier Sitzen 6.000 Euro-Steine drauflegen, soll sich das Verdeck simsalabim öffnen. Beim BMW M235i sind es auch gut 7.000 Euro. Die Steifigkeit und Perfektion der auf Knopfdruck öffnenden Cabrios hat also ihren Preis – besonders aber auf der Waage: Ein Audi S3 legt als Cabrio um 170 Kilo zu, genau wie der M235i – deswegen sieht man bei Trackdays nie ein Cabrio!
Macht in Summe knapp 1.700 Kilo, ein Schlag in die Magengrube des Schnellfahrers, das muss man erst mal verdauen. Ist der faule Kompromiss also auch ein fetter? Bis zu einem gewissen Punkt können Ingenieure heute Gewicht gekonnt vertuschen, über das Set-up des Fahrwerks oder das applizierte Lenkgefühl beispielsweise. Diese Verschleierungstaktik funktioniert im Alltag, es sei mit deutlichem Grimm zugegeben, blendend.
Wer zügig auf Landstraßen dahinhechelt, wird im Audi S3 Cabrio ad hoc keinen Unterschied zur Festdachvariante feststellen. Der wenig charismatische, aber bumsstarke Vierzylinder-Turbo verkokelt alle Fettpölsterchen zur Phrase. Dank Allradantrieb versprüht der S3 sogar im Regen den Charme eines sportlichen Spurters: Grip und Traktion sind bestechend.
Das wiederum verschmilzt mit der typischen Audi.Solidität zur Illusion des perfekten Cabrios: erstklassige Verarbeitung, hochwertige Materialien, kein Knistern im Gebälk, kein Flattern in der Kapuze, kein Zittern im Lenkrad. Das Auto – eine Trutzburg. Das alles gilt uneingeschränkt bis zum Punkt X, an dem man das Wägelchen beginnt zu fordern. Dann stellt sich schon auf der Landstraße ganz schnell ein Gefühl ein, als wolle man Brot mit einem stumpfen Messer zerteilen – der Audi S3 ist schon abseits der Rennstrecke ein klassisches 85-Prozent-Auto.
BMW 235i aggressiver am Gas
Bevor wir in den BMW umsteigen, halten wir kurz inne und bahnen der Fairness einen Weg: Der Audi S3 ist kein Modell der Quattro GmbH, er ist "nur" ein "normaler" Audi. Erst die RS-Modelle tragen den wahren Zorn in sich.
Auch bei BMW ist es kompliziert: Zwischen M-Performance-Kits und reinrassigen M-Modellen hängt der M235i ein wenig in der Luft. Er kommt zwar von M, ist aber kein M2, trotzdem ist er schärfer abgeschmeckt, als es ein Audi S3 jemals sein dürfte. Der Unterschied ist auf Anhieb zu spüren, spätestens in Kurve zwei. Die von jeglicher Antriebslast freigestellte Lenkung, das wissbegierig drängelnde Heck, die sofort spürbare, fein austarierte Balance zwischen Vorder- und Hinterachse – ja, dieses Auto will schnell fahren, unbedingt.
Der M235i spornt den Fahrer an, die 85-Prozent-Gefilde sofort hinter sich zu lassen. Der Motor klatscht dabei Applaus: Er dreht oben wie ein Sauger, büffelt in der Mitte wie ein Turbo, belohnt jeden Millimeter mehr Gas mit noch frenetischerem Sechszylinder-Jodeln. Zwei Pötte mehr und dazu ein voller Liter mehr Hubraum – ja mei, da kann der Audi S3 nimmer hinschmecken. Auch beim Getriebe geht das Duell zugunsten von BMW aus, auch wenn uns die reine Begrifflichkeit – Achtgangautomatik-Wandlergetriebe, stöhn! – zögern lässt, das zuzugeben.
Im dösigen Alltag funktionieren zwar beide Getriebe lässig und souverän, aber wie der BMW-Automat bei gespreiztem Galopp die Gänge nachlädt, das macht schon Laune. Gleichzeitig fährt der M235i pantherweich an, das DKG im Audi S3 nähert sich dem Thema eher ruckelnd und rasiert lange nicht so souverän wie der BMW durch seine Gangstufen.
Nein, diese Cabrios sind keine Trackday-Heroes, aber ja, bei sport auto nehmen wir sie trotzdem in die Mangel. In Hockenheim werden die Befürchtungen der Landstraße zur Gewissheit: Der Audi S3 schiebt mit seiner frontlastigen Gewichtsverteilung und ohne das Sportdifferenzial der RS-Modelle stumpf untersteuernd geradeaus. Vielleicht leicht in die Kurve hineinbremsen, um den S3 zum Einlenken zu bewegen? Nein, auch auf der Bremse schiebt der Audi über die Vorderräder, die avisierte Linie wird von der nicht rennstreckentauglichen ABS-Regelung verwischt.
Audi S3 Cabrio 2,7 Sekunden langsamer als die Limousine./strong>
Da hilft es auch nicht, dass er auf Lastwechsel mit Übersteuern reagiert, denn jeder Lastwechsel kostet halt Zeit, wenn die Uhr tickt. So steht eine enttäuschende Rundenzeit von
1.19,2 Minuten auf dem Datenblatt – volle 2,7 Sekunden langsamer als die S3 Limousine. Da es an der Bereifung aber nicht liegen kann, muss das zusätzliche Cabrio-Pfund das Performance-Fenster des Audi S3 verschoben haben – viel stärker als beim BMW M235i. Denn der nagt sich wie ein Frettchen durch das Kurvengeschlängel von Hockenheim – der M235i ist mindestens ein 97-Prozent-Auto. Zwar untersteuert auch er, spult das Pensum aber völlig stoisch ab, der kraftvolle Motor und die standfesten Bremsen verdienen ein besonderes Lob.
Jedenfalls bleibt die Stoppuhr bei 1.16,6 Minuten stehen, und zieht man abermals den Vergleich zum Ausgangsprodukt (M235i Coupé), so verliert das Cabrio nur 1,3 Sekunden. Noch mal: Der Gewichtszuwachs liegt in beiden Fällen auf fast identischem Niveau, bei 170 Kilogramm – das Resultat aber könnte unterschiedlicher kaum ausfallen.
Audi S3 um zwei Liter durstiger als BMW 235i
Das gilt übrigens auch für den Slalom: Während der BMW mit Lotus-gleicher Schwipslaune von seiner guten Balance profitiert und neutral durch die Pylonengasse wieselt, dabei am Limit immer leicht und keck mit dem Heck drückt, kämpft der Pilot des Audi S3 mit dem synthetischen Richtungssteller namens Lenkung, einer spürbaren Lastwechselneigung und einer recht unschönen Tendenz zum Aufschaukeln.
Eine spitzbübische Anmerkung zum Kapitel Verbrauch: Ist es nicht herrlich, dass der Sechszylinder mit drei Litern Hubraum den Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum beim Verbrauch schlägt? Nur bei den Messfahrten in Hockenheim samt Rundenzeit unterbot der Audi S3 den BMW, um 0,3 Liter oder 1 Prozent.
Wir halten fest, was wir schon vorher wussten: Ein Cabrio ist immer ein Kompromiss. Ein amerikanischer Schriftsteller, der lange nicht so berühmt ist wie der Herr von Goethe und damit auch nicht für sich in Anspruch nehmen kann, immer und unbedingt Recht zu haben, bemerkte einst: "Ein Kompromiss ist ein guter Schirm – aber ein schlechtes Dach." Das stimmt leider auch dann, wenn es sich öffnen lässt.