Bentley Continental GT im Test
Die Fans des Bentley Continental GT wollten ein neues Modell, aber trotzdem sollte alles so bleiben wie gehabt. Die Mannschaft aus Crewe hat den Wunsch erhört und schickt eine verfeinerte Neuauflage an den Start.
Bentley Continental GT – ein Auto für die Zeit nach der Krise. Für jetzt also. Die Unternehmensgewinne sprudeln wie ein Schokobrunnen, manche jubeln über dreistellige Zuwächse. Nach innen. Nach außen wird natürlich konsolidiert. Wobei wir uns ausdrücklich von einem Zitat des Lothar de Maizière distanzieren möchten, der behauptet, Geld würde die Gesetze der Schwerkraft ignorieren und immer nach oben fallen.
So ein Quatsch – doch trotzdem muss ja nicht gleich jeder Mitarbeiter oder Kunde mitbekommen, dass der jüngste Bonus und/oder Gewinn locker für den neuen Bentley Continental GT (Grundpreis 183.974 Euro) gereicht hat. Also nichts wie rein damit in die beheizte Mehrfach-Garage.
Modellpflege oder Neuauflage?
Ob es am VW-Konzern liegt, dass wir beim Anblick dieses Bentley zwischen Modellpflege und Neuauflage schwanken? Egal, der Bentley Continental GT ist wieder ein echter Dirk van Braeckel, der als Designchef für die Formensprache verantwortlich zeichnet. Der Grill steht etwas steiler, womit der Designer das Verhältnis zwischen Haube und Frontscheibe dramatisiert. Firmengründer und Lokomotiven-Fan W. O. Bentley hätte es sicher gefallen, wie der Bentley Continental GT seinen verchromten Maschendraht durch den Wind schiebt.
Ohne durch den Wind zu sein, denn das Fahrwerk des Bentley Continental GT bekam ein spürbares Update – unter anderem mit einer breiteren Spur vorn und hinten. Die 21-Zoll-Räder lassen sich trotzdem nicht zum Qualmen bringen: Der neue Bentley Continental GT basiert wie die Erstauflage von 2003 auf dem VW Phaeton, besitzt damit Allradantrieb und unerschütterliche Anfahrtraktion.
Befürchtungen, der 2,4-Tonner würde beim ersten schärferen Lenkeinschlag stumpf der Massenträgheit folgen, erweisen sich als unbegründet. Die vormals paritätische Grundkraftverteilung hat sich nach hinten verlagert, Verhältnis 40 zu 60 Prozent. Klingt theoretisch, bis man dem Bentley Continental GT mal Leine gibt.
Ein Gran Turismo, der seinen Namen verdient
Was ist nicht alles schon als Gran Turismo unterwegs gewesen. Dieser hier ist einer. Gran, weil der Bentley Continental GT 4,81 Meter lang ist. Turismo, weil es in seiner Kabine wie in einem Club-Salon zugeht. Wer den Viersitzer besteigt, ist eingenommen. Was zum einen an der intensiven Duftnote des reichlich verwendeten Leders liegt, zum anderen an dessen feinen Oberflächen. Ob gesteppt, glatt oder auf Stoß vernäht – das Betasten kann längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Nähte am Armaturenbrett des Bentley Continental GT haben genau jene Unregelmäßigkeit, die Handgemachtes adelt. Dazwischen Inseln glänzenden Aluminiums – von den Türgriffen über die Abdeckungen der Belüftungskanäle in den Türen bis zu den Endkappen der Sitzschienen. Sie sehen: Wir krabbeln beim Testen mit Freude in den letzten Winkel.
Jetzt ist es genug – Zeit, den Startknopf zu drücken. Überraschung: Ihre Sechsliter-W12-Majestät lässt sich bei rüden Kommandos – vor allem in „D“ bitten. Der Antriebsstrang braucht einen Moment, bis er Druck aufbaut – trotz der nach oben verschobenen Drehmomentkurve des neuen Bentley Continental GT. 700 Newtonmeter bei 1.700/min: Wer da meckert, müsste eigentlich umgehend mit der ärmellosen Jacke abgeholt werden.
Bentley Continental GT – handzahm und leistungsfreudig
Dennoch: Der Punch des Bentley Continental GT kommt nicht wie ein Faustschlag, sondern ähnelt einer Welle, die sich hör- und fühlbar in den Tiefen des Motorraumes zusammenbraut. Dumpf ansaugend, hypnotisch pfeifend und autoritär grollend baut der W12 Druck auf, der sich dann über den ZF-Sechsgangautomaten entlädt. Der soll die Stufen nun schneller wechseln, rupft aber manchmal zart dabei. Wer sich darauf eingeschossen hat, erlebt das Biturbo-Tier ebenso handzahm wie leistungsfreudig.
Beim Stadt-Geschiebe hängt der Sechsliter sanft am Kabel, reagiert gelassen wie ein großer Hund. Beim Sprint auf 100 kann es empfindlichen Beifahrern mal kurz komisch werden, doch das ist schon nach 4,7 Sekunden wieder vorbei. Nichts Beeindruckendes für GT-Kenner also. Wenn nicht Entwicklungschef Ulrich Eichhorn mal wieder an den richtigen Rädchen hätte drehen und den Bentley Continental GT frischer als bisher abstimmen lassen.
Die Lenkung des Bentley Continental GT erinnert an einen Oxford-Ruderer: dynamisch, aber mit besten Manieren. Wachsam aus der Mittellage setzt sie Kommandos um, ohne die Durchschlagskraft des Wagens zu verschweigen. Das Fahrwerk mit Luftfederung, Adaptiv-Dämpfern und Aluminium-Lenkern verbindet Rückmeldung und distinguierten Komfort, stellt lediglich Querfugen stoisch durch.
Bentley Continental GT kann auch sportlich
Sollte es dem Gentleman am Steuer mal pressieren, streift der Bentley Continental GT den Trainingsanzug über, legt Lastwechselschwenks hin, drängt leicht mit dem Heck nach außen. Was nichts am hohen Gewicht ändert. Der Bentley Continental GT taucht beim Bremsen ein, neigt sich bei Kurvenfahrt zur Seite. Nicht umsonst setzen andere bei ihren Sumos auf Wankstabilisierungen oder Aktivfahrwerke.
Trotzdem: Es geht bei Bedarf mit dem Bentley Continental GT sogar mal länger am Stück. Bevor sich der metropole Geschäftsmann in muffige Züge oder enge Flieger zwängt, überwindet er kontinentale Distanzen in weiten Sätzen, hervorragend geräuschisoliert, mit 18,7 Liter Durchschnittsverbrauch jedoch wenig ökonomisch.
Leichtere und noch bequemere Sitze im Bentley Continental GT
Dass die Vordersitze des Bentley Continental GT mit neuem Formschaum bequemer und rund einen Zentner leichter sind, dürfte GT-Piloten dabei mehr interessieren, als dass sie Fond-Gästen mehr Beinraum zubilligen. Hinten sitzen geht jedoch ab sofort. Infotainment auch. Die elektronische Steinzeit ist vorbei, das neue System mit Acht-Zoll-Berührungsbildschirm auf Stand, navigiert und musiziert standesgemäß über die digitale Naim-Anlage.
Sicherheitshalber mokieren wir uns jetzt noch über den Mangel an Assistenzsystemen im Bentley Continental GT – und lassen zur Entschädigung einfach die vier Seitenscheiben runter und den W12 grollen. Ist doch schön, dass die Krise vorüber ist.
Assistenzsysteme? Nur das Nötigste
Der Bentley Continental ist ein sympathischer Vertreter seiner Gattung, dem man seine VW-Abstammung nirgends anmerkt. Im Gegenteil, sein britisch angehauchter Charakter begeistert. Aber bei einem alltagstauglichen Fullsize-Coupé jenseits der 180.000 Euro darf man dann doch ein Assistenzsystem-Angebot auf Ford Focus-Niveau erwarten. Nicht einmal Adaptivlicht befindet sich im Katalog der Extras. Dabei läge die neueste, toll funktionierende Technik schon im Konzernregal. Gleiches gilt für Spurwechsel- oder Spurhalte-Assistenz, Verkehrsschilderkennung und aktuelle Presafe-Technik. Hier sollte der Kunde zumindest die Möglichkeit haben, diese zu ordern.