Bentley Continental und Ferrari FF im Test
Der Ferrari FF mit Allradantrieb, Heckklappe und V12 tritt gegen
den Bentley Continental Supersports an. Wer ist das größere
Alphatier? Der Vergleichstest wird es zeigen.
Reden wir über den Kofferraum von Ferrari FF und Bentley Continental Supersports. Ja genau, die Stelle an Sportwagen, über die man sonst nicht gerne redet, weil Autos mit einem großen Gepäckabteil meist so dynamisch wie Birkenstock-Sandalen wirken.
Als Antipoden dürfen vor dem geistigen Auge jetzt gern ein Ferrari 458 und ein Renault Kangoo auftauchen. Nun hat sich die Scuderia aber dazu entschlossen, mit dem Ferrari FF ein Modell zu bauen, dessen Differenzierungspunkt nicht zuletzt das so geschmähte hintere Abteil ist: Streng genommen spielt der Ferrari FF den Kombi unter den Supersportlern. Er wedelt mit einer großen Heckklappe und protzt mit einzeln umlegbaren Fondsitzen, 450 Liter Basisvolumen sowie einem opulenten Getriebekasten mitten im Gepäckabteil. Diese Macke leistet er sich, weil er zwar gerne das Schweizer Taschenmesser in der Cavallino-rampante-Flotte mimt, aber natürlich nicht auf sein Transaxle-Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (Getrag-Basis) verzichten möchte.
Der Ferrari FF bietet mehr Platz
Der gewaltige V12-Motor kauert dagegen tief unten im Frontabteil des Ferrari FF – ungefähr die einzige Gemeinsamkeit, die die 4,91-Meter-Italo-Yacht mit ihrem ungeliebten Vorgänger Scaglietti teilt. Und wo man in Maranello schon mal dabei war, den ersten wirklich praktischen Ferrari zu bauen, bekam dieser gleich noch einen äußerst innovativen Allradantrieb implantiert. Hat sich Norditaliens Stolz also bis vor kurzem auf den Garagenplätzen solventer Kunden noch freundschaftlich neben Englands germanophiler Ehre, einem Bentley Continental Supersports, aufgereiht – der eine für St. Moritz, der andere für die Nordschleife -, so stehen da nun plötzlich Konkurrenten.
Im Fall des Bentley Continental Supersports jedoch einer, der mit seinem 370-Liter-Gepäckraum und schmaler Ladeluke im pragmatischen Transportkampf um das übliche Luxusensemble an Golfbags und die Louis-Vuitton-Gepäck-Armada so geräumig wirkt wie ein Ankleidezimmer neben einem Fabrikhaus-Loft.
Im edlen Fond des Ferrari FF reist und flaniert es sich nicht nur viel würdiger als in der gediegenen Steppnaht-Engstelle des Bentley Continental Supersports, sondern auch sportlicher und bequemer. Dieser Kapitelsieg verdient ein fettes, ferrarirotes Kreuz im Kalender, als wäre Fernando Alonso soeben spanischer Meister im Euro-Paletten-Stapeln geworden.
Trotzdem bleibt der FF ein Ferrari, was im Interieur eine 98-prozentige Zufriedenheit mit der Verarbeitung bedeutet. Es duftet ledrig-lecker, und auch das sündhaft teure Sichtcarbon beeindruckt. Doch von der Perfektion und Solidität eines Bentley Continental Supersports mit seinen massiven Bullseye-Luftauströmern und den teesiebfeinen Spaltmaßen ist er noch so weit entfernt wie die Emilia Romagna von Crewe. Manchmal knarzt es auch noch im Ferrari FF-Gebälk.
Ferrari FF glänzt mit extremer Querdynamik
Auf kurze Anregungen gestikuliert das adaptive Fahrwerk des Ferrari FF hektischer, feuriger, eben italienischer, während der Bentley Continental Supersports schon wegen seiner immensen 2,4 Tonnen und trotz seines gestrafften Adaptivfahrwerks Wellchen einfach niederbügelt wie die Queen Mary jeden Seegang. Dafür wogt er auf längeren Wellen bewegter als der passgenau gedämpfte Ferrari FF. Dessen stoische Ruhe in schnellen Kurven versteht jeder, der die Bergstraßen rund um Maranello kennt.
Die Sanftmut dient aber nicht allein dem Komfort, sondern ist ein Baustein der für einen 1,9-Tonner schier unfassbaren Querdynamik, die auf Ausgeglichenheit und staubsaugerartigem Bodenkontakt beruht. Wie macht Ferrari das? Der Ferrari FF liegt mit 1,95 Metern breit wie ein Truck auf der Straße, was ihn zusammen mit dem niedrigeren Schwerpunkt und den 25 Zentimeter mehr Radstand schon architektonisch nach vorn bringt. Von 388 Kilo weniger Karosseriespeck nicht erst zu reden.
Klappt man die Motorhaube auf, so endet der in einem ungewöhnlich breiten Zylinderwinkel von 65 Grad arbeitende 6,3-Liter-V12 an der Stelle hinter der Vorderachse, wo der W12-Biturbo (72 Grad Bankwinkel) des Bentley Continental Supersports noch ein ganzes Sixpack Zylinder vor sich hat. Nur, der Ferrari FF ist ein reines Frontmittelmotor-Auto mit leicht hecklastiger Gewichtsbetonung, und das, obwohl an der Vorderachse noch ein mechanisch autarkes Zweigang-Doppelkupplungsgetriebe werkelt. Es unterstützt in den ersten vier Gängen zusammen mit der ferrarieigenen Gripkontrolle F1-Trac und dem elektronisch geregelten Hinterachsdifferenzial (E-Diff) die Traktion – an allen vier Rädern einzeln. Dieses Mechanik-Meisterstück verleiht dem Ferrari FF auf öffentlichen Straßen und selbst auf Schnee unfassbare Neutralität.
Bentley Continental kennt keine Hektik
Mit der viel direkter als im Bentley Continental Supersports übersetzten Lenkung lässt der Ferrari FF sich wie ein Slotcar durch Kurven zentrifugieren. Der Pilot wird von Endorphinen durchflutet, und Beifahrer rufen Halleluja. Leider kommt der Viersitzer von diesem Trip nie ganz runter. Auch während ruhiger Passagen – soll es ja in Ferraris ebenso geben – gebärdet sich die super-standfeste Keramikbremse bissig, und die hyperaktive Hydrauliklenkung des Ferrari FF verweigert den sauberen Kurvenstrich. Ein gieriger Italo-Gaul eben – selbst mit Kofferraum.
Der Bentley Continental Supersports breitet dagegen ruhig seine Flügel aus, schaltet per Ölbadwandler sanfter, verzögert einen Tick bedächtiger und verteilt seine Kraft mechanisch selbstsperrend über ein Torsen-Differenzial. Gleichzeitig führt er mit feinster Abstimmungsgüte seiner hydraulischen Lenkung ums Rund. Untersteuern? Sicher, zum Teil mächtig – aber später als erwartet. Das Handlingfeuer köchelt auf mittlerer Stufe. Aber heißer wollen es Bentley-Chauffeure eher nicht genießen.
Geradeaus darf die Rakete zünden. Ehrfurchtsgebietend dumpf grollend und mit zarter Turboverzögerung schnupft der Bentley Continental Supersports kraft seiner 630 PS und 800 Nm die Straße auf. Gegen die Macht der 660 Ferrari-PS bleibt er trotzdem chancenlos. Nicht nur, dass der grundlegend weiterentwickelte V12-Sauger des Ferrari FF einem mit euphorischem Verbrennungsgesang und völlig ansatzloser Ansprache permanent Glücksschauer über den Rücken jagt, er ist auch 2,9 Sekunden schneller auf Tempo 200. Mit welcher Freude er dabei Sprit gurgelt, zeigt die Tankuhr: 20,8 Liter/100 km, über zwei Liter mehr als der Bentley Continental Supersports – trotz Start-Stopp. Doch wer darüber diskutiert, kann sich eh keinen der beiden leisten.
Reden wir lieber über den Charakter: Sie sind reich, brauchen Platz und Feuer im Leben? Nehmen Sie den Ferrari FF. Sie haben keine Hektik nötig? Dann den Bentley Continental Supersports.