BMW X4 xDrive 35d im Test
313 PS, 630 Newtonmeter, Allradantrieb, Achtgangautomatik – die Eckdaten des neuen BMW X4 xDrive 35d klingen so vielversprechend, dass er mühelos in einem japanischen Animations-Monsterfilm mitspielen könnte.
Sie wissen nicht, was ein Tokusatsu ist? Macht nichts, man muss schon ein sehr abgehobener Nerd sein, um Gefallen zu finden an diesem japanischen Filmgenre, in dem künstlich animierte Monster Großstädte verwüsten oder anderes Unheil anrichten. „X-Bomber“ beispielsweise ist eine Fernsehserie aus den frühen 80ern, und sie handelt im Wesentlichen davon, dass sich X-förmige Raumfahrzeuge zu Robotern zusammensetzen, um dann diese und andere Welten zu retten. Die Piloten Dr. Benn und Bongo Heracles könnten genauso BMW X4 xDrive 35d benutzen statt ihrer Fluggeräte. Solche Gedanken kommen dir, wenn du in den aufpreispflichtigen Sportsitzen lümmelst und gewaltige 630 Newtonmeter fein dosiert mittels der zu Recht viel gelobten Achtstufenautomatik auf die Autobahn loslässt.
BMW X4 mit herausragenden Fahrleistungen
Rund zwei Tonnen wiegt der BMW X4 samt Piloten, doch das ist ihm weder auf der Autobahn noch bei fixer Landstraßenfahrt anzumerken. Dabei sind es nicht nur die überragenden Fahrleistungen (0–100 km/h in 5,4 s, Vmax 247 km/h), die faszinieren. Noch beeindruckender ist die Lässigkeit, mit der der X4 aus jedem beliebigen Tempo nach vorn schiebt. Der Vorwärtsdrang lässt erst bei Geschwindigkeiten merklich nach, die im heutigen Autobahnverkehr ohnehin nur selten erreicht werden.
Das alles kann der X3 mit dem großen Diesel genauso gut. Der Unterschied in den Fahrleistungen ist so minimal, dass man ihn getrost der Tagesform, der Außentemperatur und dem Wetter zuschreiben kann. Beispiel gefällig? Tempo 80 bis 130 durchbeschleunigt: Das schafft der BMW X4 in 3,3 Sekunden, der gleich motorisierte X3 benötigte im Test vor Jahresfrist zwei Zehntel mehr. Ähnlich nahe liegen die Testverbräuche der beiden Probanden: 9,9 Liter Diesel je 100 km (X4) zu 9,8 (X3).
Wo liegt er nun, der Reiz des Allrad-Coupés, dem offenbar nicht zu wenige erliegen? Immerhin verkaufte sich der sehr ähnlich konzipierte, doch rund 20.000 Euro teurere X6 seit seinem Debüt 2008 über 250.000-mal. Billig ist der BMW X4 natürlich dennoch nicht. Zum Grundpreis von 60.100 Euro kommt beim Testwagen in Mineralweiß (Metallic: 840 Euro) noch das xLine-Paket für 2.200 Euro. Es umfasst 19-Zoll-Räder, Shadow-Line-Dekor an den Fenstern, diverse Alu-Blenden rundum sowie Stoff-/Lederpolster mit roten Nähten.
Gesellen sich im Interieur etwa das Navi Professional (2.390 Euro) und die Sportsitze (550 Euro) dazu, hat sich längst ein Kaufpreis für den BMW X4 jenseits der 65.000 Euro eingestellt. Und dabei war noch gar nicht die Rede von so empfehlenswerten Extras wie Adaptivdämpfern (1.100 Euro), dem um-fassenden Assistenzpaket Driving Assist Plus (1.620 Euro) oder den adaptiven LED-Scheinwerfern.
Leichtfüßiges Allrad-Coupé
Alles in allem ist der BMW X4 also ein 70.000-Euro-Auto, eine Tatsache, die noch ein wenig erstaunlicher wird, wenn man bedenkt, dass er im Grunde ein 3er-BMW ist. Und etwa ein X3 xDrive 35d rund 4.000 Euro billiger ist, beim 335d xDrive Touring sind es gar 8.000 Euro. Doch das wird die meisten X4-Interessenten vermutlich eher weniger kümmern, ebenso wie das knappere Raumangebot des Allrad-Coupés. Interessanter dürfte dagegen für viele die Anhängelast sein: 2.400 kg, das ist mehr als reichlich.
Doch wäre es durchaus schade, von den vielfältigen Talenten des BMW X4 nur jenes als Grubenpony zu nutzen. Es gibt nicht viele Autos dieser Gewichts- und Fahrzeugklasse, die sich so leichtfüßig durch Kurven jagen lassen. Die variable Sportlenkung ist nicht zu leichtgängig, dafür aber exakt und mitteilsam. Das schwere Coupé folgt ihr so agil, als habe sich das Gewicht auf wundersame Weise beim Einlenken halbiert.
Satte Traktion in allen Lebenslagen und ein fast unerschütterlich neutrales Fahrverhalten erhöhen zudem den Spaß am BMW X4. Nur im Extremfall dreht sich das Auto sanft zum Scheitelpunkt, deutet leichtes Übersteuern an, bevor das ESP nachlenkt. Auf trockener Fahrbahn gelingt das jedoch fast nur auf der Teststrecke, für den öffentlichen Straßenverkehr ist man dann meist viel zu schnell.
Apropos Teststrecke: Wie gut der BMW X4 liegt, lässt sich mit nackten Zahlen gut belegen. In allen im Rahmen unserer Tests gemessenen Dynamikübungen war das Coupé deutlich schneller als ein vorher gemessener X3 xDrive 35d, beim ams-Wedeltest etwa fast 12 km/h (X4: 132,9; X3: 121,1). Allerdings war der X3 zarter bereift: mit 18-Zöllern statt der optionalen 19-Zoll-Räder des X4-Testwagens (xLine-Paket, 950 Euro).
Keine weiteren Wünsche also an den BMW X4? Doch, etwas heftiger bremsen könnte er schon, mehr als 37 Meter sind kein herausragender Wert für ein so schnelles Auto. Was immerhin Dr. Benn wenig gestört haben dürfte, da gab es nicht viel zu bremsen.
BMW X4 und X3 sind ungleiche Plattform-Brüder
Wenn du eine Weile mit X3 und X4 unterwegs warst, dann sitzt du da und überlegst vielleicht, woran es liegt, dass sich der X4 viel unmittelbarer einprägt. Schließlich sind beide Allradler Plattform-Brüder mit beinahe identischer Basis, Motor und Antrieb sind gleich, nur die Fahrwerksabstimmung leicht unterschiedlich. Doch es sind diese Nuancen, die den Unterschied machen. Der BMW X4 ist kaum schneller, Fahrleistungen und Verbrauch sind praktisch dieselben, und doch fühlt er sich deutlich handlicher, direkter, lockerer an als der ernsthaft bemühte, ein wenig gravitätisch anmutende X3.
Wenig Unterschiede gibt es beim Federungskomfort, beide sind geschmeidiger und feiner abrollend als gedacht, wobei sich der BMW X4 mit seinen 19-Zoll-Rädern etwas hölzerner gibt. Auch das großzügigere Raumangebot des X3 ist kaum entscheidend. Allenfalls der Sitzkomfort im Fond fällt bei ihm deutlich besser aus. Doch ob man nun 550 (X3) oder 500 Liter (X4) in den Kofferraum packt, ist relativ egal. Die große Ladeöffnung spricht für den X3. Doch das Allrad-Coupé bietet insgesamt das intensivere Fahrvergnügen. Allerdings auch zu einem viel höheren Preis. Den X3 35d gibt es ab 56.300 Euro.
FAZIT: Vorteil für den X4
Trotz seiner Nachteile beim Raumzuschnitt ist der BMW X4 xDrive 35d das rundere Angebot. Bei einem so starken und schnellen Auto darf es gern das fahrintensivere Coupé sein. Für alles andere reicht auch ein X3 xDrive 20d, den gibt es ab 43.350 Euro.