Gassner Lancer Evolution im Test
Er brennt geradezu darauf, den elitären Edelsportlern in die Parade zu fahren. Das technische Zeug dazu hat der Gassner-Mitsubishi Lancer Evolution allemal – dank seiner 390 PS und auch aufgrund seiner betörenden Leichtfüßigkeit
So fühlt sich also der Odysseus der Moderne. Draußen singen schrill die Sirenen, und du selbst bist sicherheitshalber festgebunden. In der heutigen Zeit natürlich nicht am Mast, sondern am bestens ausgeformten, anschmiegsamen und auch zupackenden Gestühl. Wohl behütet vor dem verlockenden, seltsamen Heulen, das nahezu alle sonst üblichen akustischen Kundgebungen des Fahrzeugs gänzlich übertönt.
Weit entfernt verliert sich noch ein zartes Grummeln aus den beiden Endrohrhöhlen des Auspuffsystems. Das permanente Fräsen des drehwütigen Vierzylinders dringt nur noch stark unterdrückt in die Ohrmuscheln. Vom ersten Meter der Bewegung an dominiert dieses gespenstische, hochfrequente Sirren die Szenerie. Ein Gesang, der davon zeugt, dass der von Rallye- Profi Hermann Gassner in Szene gesetzte Mitsubishi Lancer Evolution als legitimer Abkömmling aus der Rallye-Profi-Liga zu werten ist.
Auch die Bereifung stammt aus dem Rallye-Sport
Hinsichtlich seiner speziellen Pirelli-Bereifung hat diese Behauptung auch Bestand. Jenes 235 Millimeter breite, schwarze Gold stammt tatsächlich aus der Rallye-WM, trägt auf den Flanken allerdings auch eine e-Kennung und ist sodann öffentlich einsetzbar. Jedoch eben mit dem Nebeneffekt, dass sich die Anordnung der Profilblöcke wenig um eine Geräuschemission schert, wenn sie auf den Asphalt klatscht.
Es sind höhere Ziele, welche die Reifen, das einstellbare Öhlinsfahrwerk und die stärkeren Eibach- Stabilisatoren im Verbund verfolgen. Das nächste Eck ist ihre Begierde. Und dieses Ansinnen wird sogar schon auf der Geraden klar.Was die letzten Evolutionsmodelle nach der Evo VII-Ära vermissen ließen – hier lebt es wieder auf. Diese geradewegs pervers direkte Reaktion auf die auch noch so kleinste Aktion am Lenkrad ist wieder da. Zackig, knackig, willig schlägt der Gassner-Evo Haken. Für schnelle Autobahnetappen ist seine Kurvengier sogar etwas hypersensibel, aber das ist schließlich auch nicht sein bevorzugtes Terrain.
Die wahre Heimat sind die verwinkelten Zwischenetappen. Geschwungene Landstraßen-Strickmuster, auf denen das stumpfe, mächtige Kühlluftmaul über der schlanken Kohlefaser-Lippe alle Kurvenradien in sich einsaugt. Eine betörend lustvolle Fahrmaschine, nimmermüde für das nächste Eck und durchaus mitteilungsbedürftig, was die Straßenbeschaffenheit betrifft. Von tatsächlich ruppigen Manieren spricht sich das Fahrwerkssetup dennoch frei. Satt und trocken nimmt es kurze Stöße auf, aber ohne sie gleichfalls grob in den Rücken der Besatzung weiterzuleiten.
Die Fahrt im Gassner-Evolution gestaltet sich als unterhaltsame Reise zurück zu den süchtig machenden, charismatischeren und polarisierenden Evo-Zeiten. Zurück zu der Ära der fünf manuell verwalteten Gänge beispielsweise, weil der hier vorfahrende weiße Riese rudimentär ausgestattet und ohne SST-Getriebe antritt. Ein technischer Verzicht jedoch, der ihm zumindest etwas beim Abspecken hilft. Auch wenn immer noch 1.576 Kilogramm auf der Habenseite stehen.
Neue Auspuffanlage mit Metall-Katalysator
Aber der Masse rückt auch ein beträchtliches und exzellent zubereitetes Pfund zuleibe: eine technisch fein zusammengestellte Melange aus einer modifizierten Motorelektronik, einer geänderten Ansaug- und Ladeluftführung inklusive der komplett erneuerten Auspuffanlage mit Metall-Katalysator. Was auf dem Papier 390 PS und 460 Newtonmeter beschreibt, öffnet in der Praxis das gute alte Turboloch.
Bedächtig und zunächst verhalten betritt der mit maximal 1,8 bar aufgeladene Vierzylinder die Bühne. Er zelebriert diese eigene Art der Ruhe vor dem Sturm geradewegs. Und plötzlich brechen die Dämme. Sobald die Nadel des Drehzahlmessers den Dunstkreis der 4.000 erreicht, ist der Teufel los. Wie ein ausgereizter Saugmotor fräst sich der Vierventiler in turbountypische Sphären hoch. Die angewandte Formel ist plausibel: Drehzahl entspricht Fahrspaß.
Der Zenit des maximal Möglichen ist schnell überschritten
Es geht voran – wütend, entschlossen und stürmisch bis an die 7.500er-Klippe heran. Dann flacht die Sturm-und-Drang-Phase ab. Aber es reicht allemal, um sich mit einem Evo in der automobilen Upper-Class der Edelsportler zu profilieren. Einzig der große Drehzahlsprung zwischen viertem und fünftem Gang vereitelt die Großtat beim 200er-Sprint. Und womöglich hat jene spezielle Bereifung sogar noch Größeres in Hockenheim vereitelt. Denn die weiche Gummimischung scheint für die engen Ecken auf dem Kleinen Kurs nicht die beste Wahl zu sein: Der Zenit des maximal Möglichen ist schnell überschritten.
Aber wer auf den 2,6 Kilometern mit einer Rundenzeit von deutlich unter 1.14 Minuten brilliert, hat trotzdem mehr als nur das gewisse Etwas. Dieser einvernehmenden, verführerischen Wirkung des Gassner-Evo ist eben nicht zu entkommen. Bedingt natürlich durch die Drogen Fahrdynamik und Vortrieb – nicht durch den Gesang der vier 18-Zoll-Sirenen. der Habenseite stehen.