Lancia Ypsilon 0.9 Twinair im Test
Zwischen Testen und Messen findet für den Lancia Ypsilon die eigentliche Bewährungsprobe im Spurt von Café zu Café statt: Ist er belebend wie ein doppelter Espresso oder nur ein Schaumschläger?
Café Racer – so nennen die Zweiradbrüder abgestandene Serienmotorräder, denen sie die Verkleidung abnehmen und Tank und Räder gezielt austauschen. Das alles mit dem Ziel, maximal eigenständig und stylish vorm Lieblingscafé aufzukreuzen. Die fahrerischen Qualitäten sind dabei absolut unwichtig.
Was der Lancia Ypsilon damit zu tun hat? Als auffälliger Mini-Italiener ist er der geborene Café Racer auf vier Rädern. Neben dem praktisch-talentierten Panda hat ihn Lancia Mitte der Achtziger als designstarke Alternative installiert; er blieb allerdings bis heute ein seltenes, auffälliges Wägelchen ohne besondere Fahreigenschaften.
Lancia Ypsilon hat seinen Luxus verloren
Die Welt des kleinen Café Racers hätte so unberührt sein können, wäre nicht der Fiat 500 aufgekreuzt. Der quirlige, niedliche Plattformbruder mit Stil, Charme und jeder Menge lustiger Gimmicks. Genau genommen machte er die Lancia-Handtasche mit Alcantara-Inlet überflüssig – höchste Zeit für den Lancia Ypsilon, sich neu zu erfinden.
Pffffffff. Wenn der Druck aus der Kaffeebohnentüte entweicht, schießt dieser starke aromatische Duft in die Nase und belebt den Geist. Das schafft der Lancia Ypsilon nicht. Wer eine seiner vier Türen aufzieht, schnuppert die Ausdünstungen von Kunststoff. Glatt oder leicht genarbt überziehen sie den halben Innenraum und lassen beim Tätscheln keine Luxusgedanken aufkommen. So besonders der Lancia Ypsilon äußerlich auftritt, so trist ist sein Innenraum geworden. Wo sind die hochwertigen Schalter, die sich besser anfassen als in jedem Fiat? Was ist mit den edlen Alcantara-Verkleidungen der Vorgänger passiert? Eigenständigkeit heuchelt die Zubehörliste vor mit Details wie Duftspender (48 Euro), Ventilkappen mit Lancia Ypsilon-Logo (30 Euro) und einem Schlüsselcover mit blauen Swarovski-Kristallen (61 Euro).
Ungünstige Platzverhältnisse
Die Treue hält Lancia den zentral angeordneten Instrumenten. Auf Kritik an der mäßigen Ablesbarkeit reagiert man in Italien etwas beleidigt, denn nun thronen auf dem Armaturenträger zwei Uhren groß wie Espresso-Unterteller – was immerhin allen an Bord gleiche Chancen zum Ablesen lässt.
Ungünstig verteilt sind die Platzverhältnisse: Während man vorn verhältnismäßig bequem sitzt und eine gute Übersicht genießt, müssen Fondpassagiere ab 1,80 Meter den Kopf bis zum Aussteigen einziehen. Die Variabilität des neuen Ypsilon ist ebenso mäßig. Abgesehen von der serienmäßig geteilt umklappbaren Rückbank lässt sich nichts verrücken, falten, ausbauen.
Munterer Motor, hakendes Getriebe
Zssssccchhhzzzz. Die Espressomaschine zischt und jault im Lieblingscafé dem Mittag entgegen, so dass selbst der Zweizylinder des getesteten Lancia Ypsilon wie ein Kätzchen schnurrt. Der 875 Kubikzentimeter-Benziner mit 85 PS brummt im Stand uncharmanter als im Fiat 500. Unter der Lancia Ypsilon-Haube kommt er neben dem bekannten 1,2-Liter-Basisbenziner mit 69 PS und dem 1,3-Liter-Diesel (95 PS) erstmals zum Einsatz. Und wie: Ab 2.500 Umdrehungen puscht ihn sein Turbolader so angenehm leicht nach oben, dass man ihn gern bis 6.000 Touren drehen lässt. Schneller Spurwechsel in der Stadt oder über Land? Ein Klacks. Beschleunigung – nullhundert in 13,3 Sekunden – und Elastizitätswerte sind fast so belebend wie der eben servierte zweifache Espresso.
Sollte der Durchzug mal nicht reichen, hilft schnelles Runterschalten. Obwohl genau das zum Verhängnis werden könnte, denn trotz des überdimensionalen Schaltknaufs hakt das Fünfganggetriebe ab und an. Sechs Schaltstufen gibt es nicht; gegen 900 Euro Aufpreis hängt Lancia dem Zweizylinder (und nur dem) ein automatisiertes Schaltgetriebe namens „Dolce Far Niente“ an, was nicht ganz passend süßes Nichtstun bedeutet.
Lancia Ypsilon ohne Innenraum.Chic
Serienmäßig ist dagegen in jedem neuen Lancia Ypsilon die Start-Stopp-Technik. Beim Testwagen hat das System jedoch manchmal Mühe, den Zweizylinder nach der Ampelpause schnell genug zu starten. Auf unserer Normrunde genügen dem rund 1.070 Kilogramm schweren Zwerg fünf Liter für 100 Kilometer. Eine Tankfüllung reicht demnach für fast 800 Kilometer.
Auf dieser Strecke lernt man die Vorzüge und Schwächen des Lancia Ypsilon-Fahrwerks kennen, das kleine Schlaglöcher anständig wegsteckt, größere dagegen an die Insassen weiterleitet. Die Lenkung lässt sich auf Kopfdruck in den bekannten, sehr leichtgängigen Citymodus schalten, in dem zwei Finger zum Rangieren genügen. Oder man lässt parken.
Als wir am späten Nachmittag noch einen Tisch am Straßencafé ergattern, wird der Lancia Ypsilon direkt davor von zwei Schönheiten angelächelt. Sein Charme funktioniert. Auch seine Technik muss sich nicht verstecken. Was dem edlen Café Racer fehlt, ist das Aha-Erlebnis im Innenraum. Ein wenig Leder, etwas Holz, ein bisschen Alu – nicht die Menge macht‘s, sondern der Einsatz. Den hat Lancia innen vergessen.