Lexus IS-F im sport auto-Supertest
Der Lexus IS F zielt unverhohlen auf die deutsche Sportlimousinen-Elite: Wie BMW M3 , Mercedes C63 AMG und Audi RS4 versucht er die vernünftigen Tugenden einer Limousine mit den Talenten eines Sportwagens zu kombinieren.
Die Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit, mit der japanische Entwickler ihre Ziele verfolgen, hat den in den westlichen Hemisphären tätigen Kollegen schon seit langem das süffisante Lächeln aus dem Gesicht getrieben. Die im gebürtigen Autoland Deutschland früher noch weit verbreitete Arroganz ist mittlerweile höchstem Respekt gewichen, vor allem deshalb, weil es sich seit geraumer Zeit herumgesprochen hat, dass es zur fernöstlichen Methodik in der Großserienproduktion keine Alternative gibt.
Das von Porsche in Zeiten des drohenden Niedergangs ohne falschen Stolz von Toyota übernommene Kaizen-Modell, das die althergebrachte Fertigungslogistik bei der Herstellung von Autos – unter anderem mit umfassender Teilelagerhaltung und kostenträchtigen Nachbesserungstationen – völlig auf den Kopf stellt, ist gewissermaßen Inbegriff des Wandels, der durch den fernöstlichen Einfluss initiiert wurde.
Von Japanern zu lernen heißt auf der anderer Seite aber auch, Dinge so zu nehmen, wie sie sind – oder anders ausgedrückt: das Verfolgen von Zielen ohne den ablenkenden Blick nach links oder nach rechts. Ist die Entscheidung im Land der aufgehenden Sonne erst einmal getroffen, besteht in Folge weder Anlass noch Grund für Kritik. Was das alles mit dem Lexus IS F zu tun hat? Nun, ein klassischer Sportwagen sieht gemeinhin ja etwas anders aus als diese immerhin fast fünf Meter lange und gut 1,7 Tonnen schwere, viertürige Limousine, die auf Basis der IS-Baureihe im direkten Umfeld des Fuji Speedways, der Toyota-eigenen Rennstrecke am Fujiyama, entstanden ist.
Dennoch beharrt die bislang auf Fahrzeuge des Komfort- beziehungsweise Luxussegments spezialisierte Toyota-Tochter darauf, einen wahrhaftigen Sportwagen entwickelt zu haben, der – das musste sein – die klassischen Lexus-Tugenden, nämlich „ faszinierende Technologie, höchste Sicherheit, erstklassige Effizienz und akribische Genauigkeit“, verkörpern soll.
Er will ein wahrhaftiger Sportwagen sein
Von höchster Fahrdynamik ist im Anforderungsprofil zunächst nicht die Rede, was aber vielleicht damit zusammenhängt, dass dieser wichtige Aspekt schwerpunktmäßig dem neuen Sportcoupé LF A vorbehalten bleiben soll, das Ende Mai im Prototypenstadium beim 24-Stunden-Rennen am Ring schon eifrig Grenzbereicherfahrungen sammelte und der in Form eines rassigen Zweisitzers seine Serienreife voraussichtlich Anfang 2009 erlangen wird.
Wie dem auch sei: Im Grunde genommen macht Lexus nichts anderes, als das von Audi, BMW und Mercedes schon seit geraumer Zeit angewandte Prinzip zu verfolgen, aus einer klassisch konzipierten Großserienlimousine ein veritables Sportgerät zu machen. Dass dabei ein wie auch immer gearteter Kompromiss herauskommen muss, versteht sich von selbst.
„Konzipiert ein Fahrzeug, das jedes Mal aufs Neue faszinierenden Fahrspaß bietet und in dem ich auch nach zehn Runden noch weiterfahren möchte“ – so lautete die Vorgabe des Lexus-Chefentwicklers Yukihiko Yaguchi an das Entwicklungsteam, das fortan auf dem firmeneigenen Fuji Speedway und anschließend auf der Nürburgring-Nordschleife emsig Erprobungsrunden drehte.
Der Weisung Yaguchis zufolge lässt der IS F tatsächlich keinen Zweifel aufkommen, dass er den fahrdynamischen Ansprüchen einer Rennstrecke entsprechen kann, und zwar durchaus auf dem Niveau der europäischen Sportlimousinenkonkurrenz, wie die Rundenzeitvergleiche ausweisen.
Die ergebene Beherzigung der Zielvorgabe hat allerdings zufolge, dass ein anderer wichtiger Aspekt nicht mit der gewohnten Sorgfalt in den Fokus gerückt worden ist. Auf der Rundstrecke überzeugend, weil sportlich-straff, agil und dabei extrem gutmütig unterwegs, offenbart der IS F im vergleichsweise eher harmlosen Alltagsstress doch deutliche Lücken bei der Erfüllung eines für diese Art Sportgerät sicher mindestens genauso wichtigen Anforderungsprofils.
Die starken Stabilisatoren, die kurzen Federwege sowie die generell straffen Kennlinien der Feder-Dämpfer-Elemente sorgen auf dem im Westen der Republik mittlerweile doch eher mäßig ausgebildeten Straßennetz bei der Besatzung auf Dauer doch eher für zunehmenden Unfrieden als für gesteigerte Zuneigung.
Querfugen auf der Autobahn oder kurz hintereinander folgende Fahrbahnwellen werden von den Federelementen unzureichend absorbiert und so nahezu ungefiltert in die Karosserie weitergegeben. Sportlichen Eindruck allein mit Härte zu schinden, ist in Zeiten adaptiver Dämpfersysteme aber wohl kaum mehr obsolet. Schade drum, dass den IS F-Entwicklern sozusagen auf den letzten Metern die Luft ausgegangen ist, denn im Vergleich zu dem überaus anspruchsvollen Programm, das sie bis dahin bewältigt haben, wäre eine an die praktischen Erfordernisse angepasste Setup-Bestimmung wohl eher ein Kinderspiel gewesen.
Fahrbahnwellen kommen im Inneren an
Womit wir beim Herzstück des Lexus-Sportmodells, beim Antrieb, wären. Der gewissermaßen zu Füßen des Fahrers liegende Fünfliter-Achtzylinder ist mit seinen 423 PS und seinem Drehmoment von 505 Newtonmeter nicht nur leistungsmäßig auf Augenhöhe mit M3 und Co, sondern erfüllt auch allerhöchste Ansprüche hinsichtlich seines, nennen wir es Softwareprogramms: Das Ansprechverhalten, die Laufkultur und nicht zuletzt die Akustik sind Bestandteile eines überaus unterhaltsamen V8-Beitrag, der zuweilen geradezu herzergreifende Momente bereithält.
Wenn etwa bei 4.000/min der zweite Einlasskanal im Ansaugsystem öffnet und der mit einer Saugrohr- und einer Direkteinspritzung arbeitende Kurzhuber wie gedopt schlagartig und ungeniert seine Drehfreude herausschreit, dann besteht an der Legitimation dieses geschmeidigen Fünfliteraggregats kein Zweifel mehr. Die sich in den Fahrleistungen sichtbar niederschlagende, beeindruckende Leistungscharakteristik geht laut Hersteller auch mit auf das Konto eines innovativen, äußerst kompakt bauenden Ventiltriebs mit wellengelagerten, leichten Kipphebeln sowie extrem leichten Ventilen aus Titan.
Das hochkarätige Motorenprogramm wäre aber nur halb so unterhaltsam ohne die ans Triebwerk gekoppelte neue Achtstufen-Automatik, die das dynamische Potenzial des V8 perfekt in Szene zu setzen weiß. Dank ihrer Synthese aus enger Stufung auf der einen und langer Getriebeübersetzung auf der anderen Seite bildet sie sozusagen den Schlüssel zu dem beeindruckenden Beschleunigungs- und Durchzugsvermögen.
Während nämlich der erste Gang zugunsten eines energischen Vortriebs aus dem Stand sehr kurz gehalten wurde, ist der achte Gang besonders lang ausgelegt, um die Verbrauchswerte bei hohem Tempo wenigstens tendenziell zu minimieren. Genau genommen handelt es sich also um eine Overdrive-Übersetzung. Die knappen Drehzahlsprünge zwischen dem kurzen ersten und dem langen achten Gang ergänzen sich in sportlicher Hinsicht zu einem perfekten Getriebearrangement, das auch in Sachen Bedienbarkeit als vorbildhaft durchgeht.
Die als Backup selbstverständlich vorhandene Automatikfunktion verblasst in ihrer praktischen, unauffälligen und geschmeidigen Funktionalität geradezu angesichts des alternativ wählbaren manuellen Modus. In welch verschliffener Eleganz dieses Automatikgetriebe seiner Funktion nachkommt, ist ebenso bemerkenswert wie die Schnelligkeit, in der es die über griffig angebrachte Schaltpaddel am Lenkrad eingeforderten Gänge sortiert.
Die Automatik besticht durch Eleganz und Schnelligkeit
Der Clou dieser sogenannten Achtstufen-Direktschaltautomatik besteht darin, dass der Drehmomentwandler nur in der ersten Gangstufe tätig ist, also ab dem zweiten Gang kurzerhand mechanisch überbrückt wird. Die vom Lenkrad aus nach Gusto gemanagten Gangwechsel werden so innerhalb von nur einer Zehntel Sekunde ausgeführt, was sich am Ende akustisch in etwa so anrührend anhört, als werde hier ein echtes sequenziell geschaltetes Renngetriebe bedient.
Kurz vor dem Erreichen der Maximaldrehzahl (6.800/min) erinnert ein akustisches Signal an das fällige Hochschalten, was in Anbetracht der kurz hintereinander gestaffelten Gänge zwei bis sieben und der Drehfreude des Motors durchaus Sinn macht. Sich aus dem Stand in knapp fünf Sekunden auf Tempo 100 zu schießen, ist ein Akt von geradezu unspektakulärer Leichtigkeit – und wegen der markigen Akustik so unterhaltsam zugleich, dass man es gleich mehrmals probieren möchte.
Zu den technisch hochkarätigen Gimmicks gehört im weiteren Umfeld auch das komplexe Fahrdynamikmanagement namens VDIM. Durch eine vernetzte Regelung aller dynamischen Komponenten wie des ABS, der Antriebsschlupfregelung, des elektronisch gesteuerten Bremsdifferenzials sowie des Stabilitätsprogramms VSC soll es laut seiner Entwickler neben der generellen Sicherung der Fahreigenschaften auch der Rennstreckenperformance zuträglich sein.
Die Ansage, wonach der im Grenzbereich der Rennstrecke mit voller Elektronikunterstützung fahrende IS F mindestens genauso schnell unterwegs ist wie ohne VDIM, konnte zwar nicht verifiziert werden. Aber es steht außer Frage, dass die Annäherung an den physikalischen Grenzbereich mit kaum einem Fahrzeug dieser Leistungs- und Gewichtsklasse so gefahrlos gemeistert werden kann wie mit dem Lexus IS F. Ein ausbrechendes Heck – undenkbar. Bösartiges Schieben über die Vorderräder – keine Spur.
Die Elektronik hält das Heck im Zaum
Der 1,7-Tonner verhält sich am Limit so vorschriftsmäßig gelassen, dass es nicht den geringsten Grund für feuchte Handflächen gibt. Das mit begrenztem Schlupf arbeitende, elektronisch gesteuerte Bremsdifferenzial bleibt zwar auch bei deaktiviertem Sicherungssystem aktiv, zeigt sich aber bei rennstreckentypischer Handhabung doch etwas überfordert.
In den langsameren Kurven kommt es also zuweilen vor, dass das entlastete kurveninnere Antriebsrad die Haftung verliert, der Beitrag an Vortrieb also partiell einseitig ausfällt. Wie hoch die daraus resultierenden zeitlichen Verluste bei den Rundenzeiten in Hockenheim und auf der Nordschleife sind, ist schwer zu beziffern. Auf der anderen Seite kann fest davon ausgegangen werden, dass dem japanischen Herausforderer die Annäherung an die vom aktuellen BMW M3 vorgelegten Rundenzeiten deutlich besser gelungen wäre, wenn er wie die bayerische Konkurrenz auch mit Sportreifen unterwegs gewesen wären.
So gesehen verfügt der Lexus IS F also durchaus noch über weitere wertvolle Ressourcen, wenn es darum geht, nicht nur Anschluss an die europäische Sportlimousinen-Elite zu finden, sondern vielleicht auch deren Demontage zu bewerkstelligen.