Lotus Esprit
In "Der Spion, der mich liebte" fährt James Bond Lotus. Der Dienstwagen von 007 taucht dabei sogar als U-Boot - jetzt sind wir mit einem Esprit aus den Dreharbeiten unterwegs in tödlicher Mission.
Im Lotus Esprit ist 007 ganz und gar rücksichtslos. Wobei das nicht Commander Bonds Arbeitsweise anzulasten ist, sondern der von Autodesigner Giorgio Giugiaro. Der verteilte in den Siebzigern gern Keile, und Lotus bekam mit dem Esprit einen heftigen ab. In ihm steckt der Fahrer stets in einer beinahe aussichtslosen Lage. Aus dem hüfthohen Sportwagen sieht er zur Seite nur das Allernötigste, nach vorn höchstens das Allerwichtigste, nach hinten nicht das Allergeringste. Das tangiert den besten Agenten des britischen Geheimdienst MI6 natürlich nicht bei seiner Mission. Immerhin soll er ja die Welt retten und nicht auf dem Supermarktparkplatz rangieren. Marketing-Coup Zu Bonds mondänem Auftritt passt der Esprit – dachte sich 1976 der damalige Lotus-Pressesprecher Don McLauchlan. Er parkte einen Prototypen des neuen Sportwagens vor den Pinewood-Filmstudios, der dort wie erhofft entdeckt und für den Bond-Streifen „Der Spion, der mich liebte“ gecastet wurde .Im zehnten 007-Abenteuer spielt Roger Moore zum dritten Mal Commander James Bond. Diesmal verschwinden ein britisches und ein sowjetisches Atom-U-Boot. Curt Jürgens hat sie stibitzt – das heißt, er spielt den Reeder Carl Stromberg, der sie klaut und nun die Welt in einen Atomkrieg reißen möchte, um danach eine neue Welt auf dem Meeresgrund aufzubauen. Das muss verhindert werden. Also raufen sich Sowjets und Briten nach ein paar Querelen zusammen, was sie auch von ihren besten Agenten verlangen, also von James Bond 007 und Anja Amasova Triple X – gespielt von Barbara Bach. Das klappt bei den beiden sogar ganz gut, und die Welt wollen sie nebenbei ebenfalls retten.
Natürlich mit Hilfe des heroischen Einsatzes des Lotus Esprit. Der hat einen sehr prominenten Auftritt bei einer vielminütigen Verfolgungsjagd auf sardischen Bergstraßen. Für die Szene lieferte Lotus mehrere weiße Esprit der ersten Serie an den Set. Roger Becker, späterer Fahrwerks-Chefentwickler bei Lotus, brachte einen davon und sollte eigentlich als Barbara Bach-Double während der Stunts auf dem Beifahrersitz posieren.„Allerdings“, erzählte Becker der britischen Autozeitung TopGear, „war der Stuntman nicht gut.
Dauernd sprach er mit dem Esprit, am häufigsten: ‚Komm schon, Auto, das schaffen wir‘. Eines Tages war der Stuntman verschwunden, als das Auto den Berg hochgefahren werden sollte. Also machte ich das. Und ließ es ordentlich brennen – weil ich ja wusste, dass mir kein Fahrzeug entgegenkommen konnte. Das Team war begeistert über die Fahrt. Aber als ich ausstieg, sagte der Regisseur: ‚Huch, das warst ja du.‘ Von da an war ich Bonds Stuntman.“ Im Film versucht erst ein Motorrad mit Torpedo am Beiwagen den Esprit abzuschießen, was Bond durch ein wagemutiges Überholmanöver verhindert. Anschließend rasen ein paar Schießwütige im Ford Cortina hinter dem Lotus her. Denen klatscht 007 eine Ladung aus dem von Q eingebauten Zementsprüher auf die Scheibe. Damit hat sich das auch erledigt. Also muss ein Hubschrauber her, der den Lotus von der Straße schießen soll. Bond tänzelt mit dem Auto zwischen den Salven die Kliffstraße entlang, rast schließlich über einen Steg. Als der Esprit ins Mittelmeer platscht, quiekt das Bond-Girl auf. Derweil schießt James Bond den Helikopter ab. Für die Szenen, in denen der Esprit als U-Boot die Unterwasserwelt vor Sardinien ergänzt, wurde ein einen Meter langes, fernlenkbares Modell gebaut.
Bei der Verfolgungsjagd hingegen wurden nur echte Autos eingesetzt. Eines davon war der Esprit, den ich jetzt so gern fahren würde. Dazu müsste ich erst mal reinkommen. Das Lenkrad steht nur etwas schief, jedoch umso weiter in den Innenraum. An ihm kommt kein Schienbein ohne blauen Fleck vorbei. Bitte einsteigen - raus kommt man nicht so leicht wieder Ist der Fahrer unter Aufbringen aller körperlichen Flexibilitätsreserven in den Lotus gekrochen, bereitet dieser gleich wieder Kopfzerbrechen. Das liegt nicht an einer zu geringen Kopffreiheit, sondern an einer nicht vorhandenen. Die Decke drückt den Scheitel platt – jetzt ist klar, warum Barbara Bach keine Dauerwelle toupiert bekam. Der Versuch, im Esprit eine passende Sitzposition zu finden, ist zum Scheitern verurteilt. Es gilt, sich eben so geschickt zu verkeilen, dass man ihn fahren kann. So klemmt er dann im Lotus, der Fahrer, und blickt auf ein Cockpit, das zeigt, wie antiquiert der Futurismus der Siebziger heute wirkt. Der Leichtmetall-Vierzylinder-Mittelmotor schießt scharf Fast alle Anzeigen und die meisten Schalter drücken sich in einem bumerangförmigen, kreuzschlitzverschraubten Guckkasten herum. Alles sieht sich besser an, als es sich bedienen lässt. Und wie die ganze Verarbeitung am Esprit wirkt auch die im Interieur nicht wirklich kugelsicher. Der Leichtmetall Vierzylinder-Mittelmotor schießt dafür scharf. Er hat wohl schlecht geschlafen, poltert ungehobelt los, als ihn der Anlasser wachrüttelt. Auch danach gibt er sich nicht gerade geheimnisvoll darüber, wie er sich so fühlt da hinten. Bollert, brodelt, rotzelt oder kreischt je nach Drehzahlniveau, liegt dabei dem Agentenpaar ständig in den Ohren. Die Vorderachse ist weit in Richtung Cockpit gerückt. Darum ragen die Radkästen tief in den Fußraum und stehen sich die Pedale auch so nahe.
Mit etwas Übung lässt sich die schwergängige Kupplung so dosieren, dass nicht sie, sondern der Fahrer entscheidet, ob er den Motor leben oder absterben lässt. Weil der Lotus ein Rechtslenker ist und die Sache mit der Übersichtlichkeit schon erwähnt wurde, fädeln wir linksblind in den Verkehr, der aus der Fahrerposition über sich hinauswächst. Auf buckeligen Straßen werden Bond und Girl von der trocken abgestimmten Federung geschüttelt und gerührt. Die Sitzblöcke zwischen 007 und Triple X trennt der unüberwindbare Getriebekanal – das dürfte Miss Moneypenny beruhigen. Auf dem eisernen Vorhang reckt sich der Schalthebel. Über ihn lässt sich die Fünfgang-Box aus dem Citroën SM knochig-langwegig, aber präzise und schnell schalten. Der Esprit will immer gefahren werden, als sei ein Helikopter hinter ihm her. Da kann er die Qualitäten seines Fahrwerks zeigen. Er kreist so schnell um Kurven wie die Roulettekugeln im Casino Royale. Bei Lastwechseln tickt das Heck auch nicht gleich aus. Die zielsichere Lenkung spielt mit dem Fahrer Armdrücken. Meist gewinnt sie mit ihren enormen Rückstellkräften. Und es braucht einen starken Tritt auf das Bremspedal, damit der Lotus verzögert. Ein Art Mission ist das Fahren in ihm schon. Aber 007 bändigt U-Boote, Panzer und Space Shuttles – da wähnt er sich im Lotus nicht im Angesicht des Todes. Major Amasova und Commander Bond übrigens retten die Welt. Herr Stromberg stirbt dramatisch über seinem Tiramisu. Und nicht nur 007, sondern auch der Esprit kehrt zurück. Erst zu Beginn von „In tödlicher Mission. geht der weiße Esprit drauf. Und wenn 007 ein Auto nicht gleich beim ersten Einsatz kaputtmacht, muss es der Spion wirklich geliebt haben.