Maserati Quattroporte Evo

Unter der Obhut des neuen Eigentümers Ferrari symbolisiert die überarbeitete Maserati-Limousine das Firmenwappen des Dreizacks: Der Quattroporte ist auf Zack.
Die Eingliederung von Maserati unter die Management- und Technikhoheit von Ferrari wurde in jenem Stil vollzogen, in dem die beiden Nachbarn aus Modena und Maranello früher miteinander umgegangen sind – im Renntempo. Während eines den Umständen entsprechenden zügigen Boxenstopps wurden Konstruktions- und Produktionsanlagen ebenso modernisiert wie die Maserati-Limousine Quattroporte.
Die Umrüstung der Fabrik bei stillgelegter Produktion dauerte von Sommer 1997 bis Frühjahr 1998 und kostete rund 20 Millionen Mark Investitionen. Selbst danach wirken die verwitterten Backsteinbauten äußerlich wie ein Industrierelikt aus dem Jahr 1940, während die neue Halleneinrichtung Grosszügigkeit und Fortschritt signalisiert. Nach ähnlicher Methode wurde der seit 1994 gebaute Viertürer aufgefrischt. Optisch und technisch unverändert, erheben rund 400 Neuerungen unter der Oberfläche den Anspruch auf die Zusatzbezeichnung Evoluzione.
Die Ferrari- Techniker haben in großem Stil Zulieferer ausgetauscht, Aggregate verändert, verbessert und Schwachpunkte beseitigt. Mit Teilen und Know-how von Ferrari kann es sich dieses Modell im Grenzbereich zwischen Familienlimousine, Gran Turismo und Sportwagen nun geradezu genüsslich leisten, weiter auf jede Kriegsbemalung zu verzichten. Die strenge Schlichtheit der Form wirkt exzentrisch wie ein rasierter Glatzkopf, die Typenbezeichnung Maserati Quattroporte Evoluzione klingt wie eine Serenade, und der Preis von 137 800 Mark für die V8-Version ist angesichts der Fahrleistungen nicht überzogen.
Fast 90 Grad öffnende Türen sprechen die unverzügliche Einladung aus, den glatten Flächen und schnörkellosen Linien außen keinen Blick zuviel zu widmen. Statt dessen soll jeder bequem eintreten in die exotische Welt eines handgemachten Italieners mit anglophiler Innenarchitektur. Ein Armaturenbrett aus mattpoliertem Kirschholz, Instrumenten- und Türdekors aus Alcantara sowie Sitzbezüge aus Connolly-Leder zeigen, daß Behaglichkeit nicht nur über Ergonomie und teuer genarbtes Plastik oder Chromzierat geschaffen werden kann.
Leider fiel die elliptische Analoguhr dem Rationalisierungselan zum Opfer. Der Ersatz – eine mickrige Digitalanzeige, beinahe unsichtbar vor dem Schalthebel tief unten in der Mittelkonsole plaziert – belegt, daß auch die Kollegen aus Maranello manchmal danebentreffen. Dennoch fühlt man sich nicht in einem Club britischer Pensionäre mit Millionenrente. Die Sitzposition verhindert entsprechende Entspannung, stammt sie doch noch aus der Ära der Froschhaltung. Das Lenkrad läßt sich in der Höhe und axial verstellen, allerdings in einem so kleinen Bereich, daß die korrekte Position des Oberkörpers zu angezogenen Beinen führt. Genügend Schenkelauflage entschädigt nicht für den geringen Seitenhalt der Lehnen, so daß in schnellen Kurven der glatte Holzkranz des Volants auch als Haltegriff dienen darf. Die rot lackierten Zylinderkopfdeckel scheinen von den sechs Brüdern Maserati signiert.
Unter Dreizack-Wappen und Markenschriftzug sind die Idealmaße verewigt: 8V–4AC–32v, also V-Achtzylinder mit vier obenliegenden Nockenwellen und 32 Ventilen. Die Fahrleistungen des 3,2 Liter- V8-Biturbo würden die 1725 Kilogramm schwere Limousine auch als Sportwagen etablieren. Die Elastizitäts- und Beschleunigungswerte liegen im Bereich von BMW M Coupé und Porsche Carrera. Dabei vermittelt der Aluminium-Motor nie die Bürde eines hohen Leistungsund Erwartungsdrucks, sondern spielerischen Umgang mit dem Ladedruck – allerdings um den Preis deftigen Benzinkonsums.
Die standfesten Bremsen und das gut abgestufte Getriebe halten jenen Sportwagencharakter, den lediglich die Lenkung etwas verwässert. Sehr leichtgängig und indirekt, bietet sie zu wenig Rückmeldung und Widerstand und animiert zum Überkorrigieren. Die elektronische Regelung der Dämpfer kostet 3420 Mark Aufpreis. Die härteste Stufe hält in Kurven die Querneigung in Grenzen, ohne das Fahrwerk in ein Bügelbrett zu verwandeln. Allerdings stuckert der Quattroporte gerne über kurze Bodenunebenheiten.
Auch die Fahrdynamikversuche Slalom, Wedeln und VDA-Ausweichtest bewältigt der Quattroporte wie ein Absolvent der Sporthochschule. Je nach Drosselklappen- und Dämpferstellung pendelt der Fahrgenuß zwischen Sportwagen und Limousine. Die Platzverhältnisse sind auch auf den hinteren Rängen dank gut konturierten Schalen bequem, der Kofferraum faßt mit 495 Liter Volumen die üblichen Utensilien für Reise und Vergnügen.
Diese Alltagstauglichkeit entpuppt sich rasch – nämlich im Maserati-Tempo – als wasserdichtes Alibi für ein Fahrvergnügen, das sonst nur ausgewählte Coupés bereiten. Kleine Mängel wie die schwer zu erreichende elektrische Sitzverstellung oder jenes Knistern im Leder, das die Übertragung von Karosseriebewegungen verrät, bestätigen Handarbeit, Kleinserie und jede Menge Charakter. Der ist nicht vordergründig laut, sondern so gediegen, wie es bei dieser Verbindung alten Autoadels zu erwarten ist.