Mercedes-AMG C 63 S (2015) und Mercedes C 43 AMG
1997 zwängt AMG erstmals einen V8 in die C-Klasse, 18 Jahre später kommt nun der unvermeidliche Turbomotor in den Mercedes-AMG C 63 S. Aufwärmrunden aus ungewohnter Perspektive.
Jetzt muss dann aber auch Schluss sein mit dem Gejammer. Schon klar, mit dem 6,2-Liter-AMG-V8 ist mal wieder ein Großer von uns gegangen, nicht wenige meinen, sogar ein Großartiger; und das muss man natürlich erst mal verarbeiten. Aber, werte AMG-Jünger, ein Grund, gleich Hals über Kopf zur Konkurrenz zu konvertieren, ist es nicht.
Denn zum einen beendete man die Ära schieren Hubraums nicht, weil man in Affalterbach nun plötzlich weniger als mehr erachtet, sondern schlicht und einfach wegen kommender Verbrauchs- und Emissionsgesetze. Zum anderen steht der neue Mercedes-AMG C 63 S trotz und gerade wegen seines vergleichsweise possierlichen Vierliter-Biturbo-V8 nach wie vor voll in der Markentradition: stärker als die anderen, lauter als die anderen und auf diese stilvolle Art vulgär.
Mercedes-AMG C 63 S holt sich Grammy
Treu ist er sich damit geblieben, ganz der Alte ist er nicht. Denn auch wenn sich der AMG-Offizielle um alles in der Welt nicht vom Fahrersitz locken ließ (die Idee einer gewaltsamen Übernahme wurde am Vorabend mit knapper Mehrheit im Redaktionsplenum abgelehnt), meint man, den Vorzeichenwechsel sofort zu spüren. Das dumpfe Poltern beim Anlassen des Mercedes-AMG C 63 S massiert sich zwar immer noch bis tief in die Eingeweide, danach verlagert sich die Klangkulisse jedoch einen Tick weiter in den Fondbereich. Ganz wichtig für die Herren Puristen: Nichts davon entsteht durch Resonatoren oder das Audiosystem, sondern einzig und allein in der Abgasanlage, die das V8-Thema mithilfe von drei Akustikklappen entweder balladig oder schwermetallisch abmixt.
Über die Stilrichtung des Mercedes-AMG C 63 S entscheidet das Fahrprogramm: Schon im Comfort-Modus wummert es herzergreifend ums Heck, Sport schärft die Bässe, ehe ab Sport+ endgültig die Dämme brechen: herrisches Röhren beim Ausdrehen, Rabatzen beim Hoch-, finsteres Bollern und Gurgeln beim Runterschalten. Sorry, Audi RS4, sorry, BMW M3 – ihr klingt fantastisch alle beide, der Grammy geht aber auch dieses Mal an AMG.
Dabei gehört diese – freundlich formuliert – eher extrovertierte Art, sich auszudrücken, beileibe nicht zum Erbgut. Im Gegenteil, die Geschichte beginnt eher ruhig: im Jahr 1993 mit einem äußerst diskreten Reihensechszylinder im C 36 und – vier Jahre später – im Mercedes C 43 ebenfalls auf Basis des W202.
Kräftiger C 43 mit 306 PS
Er verkörpert das erste von inzwischen vier Kapiteln V8-C-Klasse und mit großer Sicherheit das gediegenste. Im Innenraum der schrullige Charme DIN-formatierter Komponenten, draußen züchtige Scheibenräder und ein verschmitztes Doppelrohr, das das sachte Brodeln des 4,3-Liters als kaum weniger sachtes Brodeln entlässt. Motto: Lieber Tarnkappe als Bomber. Dennoch: Gemessen an den Kräfteverhältnissen seinerzeit steht der Mercedes C 43 AMG gut im Saft.
Hauptberuflich schafft sein M113-Dreiventiler mit Doppelzündung im E 430 und erfährt durch AMG Saugmotor-Tuning in klassischer Manier: Einzeln geschmiedete Nocken, doppelflutiger Ansaugtrakt mit geweitetem Saugrohr, gegendruckreduzierte Abgasanlage – das bringt in Summe 306 statt 279 PS und wölbt das um 10 auf 410 Nm angewachsene Maximalmoment weitflächiger in die Kraftentfaltung.
Entsprechend forsch legt der 1.495 Kilo schwere Mercedes C 43 AMG ab, zuckt gelegentlich mal mit den Hinterrädern und dreht dann nicht übermäßig hastig, aber entschlossen bis rund 6.000/min, wo ihm der fünfstufige Wandlerautomat beim Schalten für einen recht ausgedehnten Moment den Kraftfluss abschnürt. Glaubhafte 6,5 Sekunden auf hundert prophezeit man ihm, Schluss ist bei politisch korrekten 250 km/h, über die sich damals noch nicht verhandeln ließ.
Großer Unterschied zwischen Mercedes C 63 S und C 43
Doch es ist nicht nur die nominelle Potenz, die den besonderen Reiz einer C-Klasse von AMG ausmacht. Vor allem ist es die Gegensätzlichkeit der Welten, die sie seit jeher in sich vereint. Auf der einen Seite die urschwäbische Auffassung von Mittelklasse: statussymbolisch, diskret und nicht immer ganz unspießig. Auf der anderen die – lieb gemeint – Grobmotoriker vom Powernhof: Motorsportler, Hightechniker und Benzinblütige, die das, was sie anfassen, am liebsten so herrichten, dass für Hutablagen-Wackeldackel ein HANS-System vorgeschrieben gehört. Im C 55 waren die beiden Einflusssphären noch recht gleichgewichtet, seit dem C 63 dominiert ganz klar AMG, der C 43 hingegen bleibt trotz des Workouts ganz und gar Mercedes.
Das tiefergelegte Fahrwerk mit verstärkten Drehstäben und speziellen Gasdruckstoßdämpfern bringt zwar etwas Straffheit in die ansonsten eher lockere Beziehung zwischen Mercedes.Fahrer und Asphalt, dennoch daimlert man eher mit geringen AMG-Kräften um Hockenheim. Über der Ideallinie steht die Sternstandarte, drinnen bemühen sich Bicolorleder, Verstell-Sitzwangen, weiße Zifferblätter und auffoliertes Kohlefaserplagiat um Performance-Flair, während die verwaschene Kugelumlauf-Lenkung recht unentschlossen zwischen geplantem, eingeschlagenem und tatsächlichem Radius hin- und herpendelt. Wirklich dynamisch ist das nicht, unerotisch aber ebenso wenig.
Doch nicht nur im Was, auch im Wie und im Wie viel liegen die beiden AMG am Ende weiter auseinander, als es der Altersunterschied von 18 Jahren vermuten lässt. Auch ihre Entstehungsgeschichte verläuft komplett konträr: Damals arbeitet AMG als (Haus-)Tuner am fertigen Produkt, heutzutage sitzt man von Beginn an der Modellentwicklung bei, sodass Performancerelevantes schon von vornherein berücksichtigt werden kann. Kurzum: Statt ihm nachträglich die Gene zu verändern, steckt AMG dem 63er schon in der DNA.
Biturbo-V8 aus dem AMG GT
Dreh- und Angelpunkt ist der neue Biturbo-V8 (M177) mit heißer Innenseite und Closed-Deck-Kurbelgehäuse, der bis auf den Trockensumpf praktisch direkt aus dem AMG GT übernommen wird. Er splittet sich in eine zivilere 476-PS-Stufe mit 650 Nm und eben jenen C 63 S, der sich über einen auf 1,2 bar angehobenen Ladedruck 510 PS und 700 Nm entzieht. Zum Verständnis: BMW steht mit dem M3 aktuell 79 PS respektive 150 Nm unterhalb.
Neben dem Leistungsgipfel vereinnahmt das S-Modell auch alle neuen Dynamikfeatures exklusiv: die elektronische Steuerung der rein progressiv arbeitenden Hinterachssperre zum Beispiel oder aber die aktiven Motorlager, die den Langhuber je nach Gangart entweder – flapsig gesagt – entspannt im Bug hängen lassen oder zugunsten der Dynamik fest an die Karosse zurren. Hinzu kommen ein extraspitzer Race-Modus, 50 Prozent leichtere Keramikbremsscheiben für die Vorderachse sowie – hört, hört – Cup-Reifen.
Mercedes-AMG C 63 S wiegt 1.655 kg
Bis auf Letztere hat das brillantblaue Vorserienauto alles aufgezogen, was schneller macht. Umso bitterer, tatenlos danebenzusitzen, während der Biturbo über die Strecke dampfhämmert. Verlässliche Aussagen zum – Zitate Pressetext – „optimalen Ansprechverhalten“ und den „spontaneren Reaktionen“ der überarbeiteten Automatik lassen sich deshalb noch nicht treffen. Nur so viel: Die Traktion imponiert ebenso wie das – in den Sportstufen – knochentrockene Fahrwerk und die Kraftentfaltung.
Zwar hämmern die Drehmomente einem nicht mehr ganz so unverfälscht entgegen wie im Sechs-Zwo-Selig, die Athletik beim Ausdrehen lähmen die beiden Turbos aber offensichtlich nicht. Und auch das Drumherum begünstigt den leichtfüßigen Eindruck – wenigstens in der Theorie: 1.655 Kilo nennt AMG für den C 63 S. So weit so sehr gut. Bloß lasten gemäß offiziellen Angaben 54,7 Prozent davon vorn. Zum Vergleich: Beim Vorgänger waren es gewogene 0,7 weniger im Schnitt – trotz oder gerade wegen des voluminöseren Saugmotors.