Mercedes-AMG GT R Pro
Mit 7.07 Minuten toppt das auf 750 Exemplare limitierte Sondermodell namens Pro die Nordschleifen-Zeit des normalen Mercedes-AMG GT R. Wie das trotz gleicher Motorleistung gelingt, verrät der Supertest.
Déjà-vu im Hatzenbach. DER hier fühlt sich auf der Nordschleife verdächtig nach DEM an, den Bernd Schneider, Patrick Simon, Jethro Bovingdon und ich mit der Startnummer 190 beim 24h-Rennen 2018 auf Gesamtrang 22 sowie zum SP-8T-Klassensieg geprügelt haben. Auch wenn es nach einer typischen Plattitüde des Motorjournalismus klingt – selten hat das Fahrverhalten eines Sportwagens mit Straßenzulassung so stark seinem GT4-Rennsport-Pendant geähnelt wie das des Mercedes-AMG GT R Pro. Auf geht’s – ich nehme euch mal mit auf eine schnelle Nordschleifen-Runde in der neuen Spezialversion des AMG-Überfliegers.
Schon kurz nach dem Start auf die flotte Eifel-Runde merkst du, dass die AMG-Fahrdynamikentwickler noch einmal mächtig nachgelegt haben. Kurzer Uhrenvergleich. Midcornerspeed Hatzenbachbogen im „ normalen“ GT R? 151 Kilometer die Stunde. Und im GT R Pro? 168 Kilometer die Stunde.
Das ist mal eine Ansage, denn schon die Ausgangsversion ohne Pro-Kürzel war ja alles andere als eine Schnecke. Wir erinnern uns kurz an den Supertest 5/2017. Seinerzeit kegelte der Mercedes-AMG GT R mit einer Rundenzeit von 7.11 Minuten den bis dato schnellsten Porsche 918 Spyder (7.13 Minuten) vom Nordschleifen-Thron des Supertests. Damals eine faustdicke Überraschung.
Überraschen kann auch der Mercedes-AMG GT R Pro – beispielsweise damit, wie er in den Hatzenbach-Wechselkurven mit seinem phänomenalen mechanischen Gripniveau auf der Ideallinie klebt. Hier rutscht, versetzt oder schiebt nichts – die Fahrpräzision fühlt sich nach einem lebensgroßen Slotcar an, das mit Leitkiel der vorgegebenen Linie folgt.
Vorsprung dank Feintuning
Und was der GT R schon gut konnte, kann der GT R Pro noch besser. Er vermittelt dir sofort viel Vertrauen, das dich schnell in den Grenzbereich vorstoßen lässt. Neben dem weitgehend neutralen Fahrverhalten liefert die Lenkung ein präzises, aber um die Mittellage nicht zu hektisch ansprechendes Feedback. Die bereits aus dem GT R bekannte, per Drehregler neunfach einstellbare Traktionskontrolle arbeitet unmerklich im Hintergrund mit. Alles Bausteine, die zur einfachen Fahrbarkeit am Limit beitragen.
Wie ist die nochmals gesteigerte Querdynamik gelungen? Verrate ich gleich nach dem Einbiegen auf den Streckenabschnitt Quiddelbacher Höhe. An den Reifen liegt es definitiv nicht. Der Mercedes-AMG GT R Pro trägt mit dem Michelin Pilot Sport Cup 2 ZP den gleichen Track-Optionsreifen mit Straßenzulassung, mit dem auch schon der normale Mercedes-AMG GT R besohlt war.
Großen Anteil an der optimierten Performance hat das neue Gewindefahrwerk mit seinem spezifischen Setup. Anders als beim GT R lässt sich das Gewindefahrwerk nicht nur in der Höhe justieren, sondern bietet nun weitere Einstellmöglichkeiten zur individuellen Abstimmung.
Statt der aus dem GT R bekannten Adaptivdämpfer von Sachs trägt der Pro dreifach manuell einstellbare KW-Dämpfer. Nicht nur die Federbasis kann jetzt mechanisch verändert werden, sondern auch die Zug- und Druckstufe der Dämpfer (Verstellbereich Zugstufe: 16 Klicks). Die Einstellung der Druckstufe ist zudem nach Highspeed (Verstellbereich: 15 Klicks) und Lowspeed (Verstellbereich: 12 Klicks) getrennt.
Die Justierung kann ohne Werkzeug per Klicksystem mit fest eingebautem Einstellrad am Dämpfer vorgenommen werden. Klickeinstellung für die Nordschleife? Jeweils von „ganz zu“ kommend, folgende Klicks „wieder auf“: 6, 6, 6 vorne und 6, 8, 8 hinten. Außerdem kommen in der Pro-Version einstellbare Stabis (vorne zweifach verstellbar, hinten dreifach verstellbar) zum Einsatz. Einstellung Nordschleife? Vorderachse: hart, Hinterachse: Mitte.
Weitere Feintuning-Details des Fahrwerks: Bereits der normale Mercedes-AMG GT R trägt Uniball-Gelenklager an den unteren Querlenkern der Hinterachse. Beim Pro kommen besagte Lager nun auch für die oberen Querlenker zum Einsatz. Außerdem wurden die elektronisch geregelten Motor- und Getriebelager neu abgestimmt.
Und wie sieht’s mit dem Gewicht aus? Mit 1.657 Kilo war der normale GT R ja bekanntlich kein Leichtgewicht. Ein direkter Vergleich fällt schwer, denn der Basis-R trat einst zum Supertest ohne „Track Package“ mit geschraubtem Überrollbügel an, beim Pro gehört dieses rennstreckenspezifische Paket zum serienmäßigen Lieferumfang. Die nun beim Pro serienmäßige Keramikbremsanlage trug auch bereits der Testwagen des normalen GT R, dort allerdings als optionales Detail, welches das Gewicht um 15 Kilo senkt.
Das Karbon-Dach und die AMG-Schmiederäder kennen wir ebenfalls vom Standard-R. Sowohl das Karbon-Dach (nun in der Mitte abgesenkt) als auch die Schmiederäder (titangrau, matt lackiert) wurden für den Pro allerdings etwas anders gestaltet. Insgesamt nutzt der Pro noch etwas mehr Karbon-Teile serienmäßig. Unterm Strich ist der Mercedes-AMG GT R Pro zehn Kilo leichter als der normale GT R.
Anfahrt Flugplatz, hier merkst du auf der Nordschleife das erste Mal, dass nicht nur die Fahrdynamikabteilung, sondern auch die Aerodynamik-Experten beim Pro nochmals Hand anlegen durften. Der aerodynamische Auftritt des Mercedes-AMG GT R Pro erinnert optisch schon schwer an seinen GT4-Rennwagenbruder.
So nutzt der Pro einen länger nach vorne gezogenen Splitter, der von kleinen Metallstreben gehalten wird. Seitlich sitzen nun jeweils zwei kleine Flics an der Frontschürze. Auf den vorderen Kotflügeln finden sich zudem jetzt Louvers, um die Radhausentlüftung zu optimieren. Neue Aero-Details am Heck: Ein zusätzlicher Gurney auf dem einstellbaren Heckflügel und seitliche Aero-Elemente, die vom Diffusor vertikal am Radausschnitt bis fast zu den Rückleuchten hochgezogen wurden.
271 Kilometer die Stunde: Fuchsröhre geht voll
Der Gesamtabtrieb bei 200 Kilometer die Stunde steigt von 21 Kilo beim normalen GT R auf nun 76 Kilo. Im Vergleich zur Konkurrenz ist auch der Mercedes-AMG GT R Pro zahlenmäßig kein Abtriebstier. Wichtig ist jedoch nicht, was auf dem Technikdatenblatt steht, sondern wie die Realität aussieht. Der aerodynamische Grip und die Fahrstabilität bei hohen Geschwindigkeiten konnte im Vergleich zum Mercedes-AMG GT R nochmals optimiert werden. Und, was ganz entscheidend auf der Nordschleife ist: Der Abtrieb fühlt sich auf Bodenwellen und Kuppen konstant an.
Flugplatz, erste Rechtskurve. Erneuter Uhrenvergleich. Midcornerspeed GT R 176 Kilometer die Stunde, GT R Pro 179 Kilometer die Stunde. Dementsprechend mehr Schwung nimmt die Pro-Version aus der Flugplatz-Doppelrechts in Richtung Schwedenkreuz mit. 279 Kilometer die Stunde liegen auf der Schwedenkreuz-Kuppe an. Der normale GT R war hier 2 Kilometer pro Stunde langsamer unterwegs, obwohl er längsdynamisch noch besser als der Mercedes-AMG GT R Pro ging. Ein querdynamisches Highlight folgt in der schnellen Links nach der Schwedenkreuz-Kuppe. Mit 212 Kilometer pro Stunde Midcornerspeed ist der Mercedes-AMG GT R Pro nur unwesentlich langsamer als sein GT4-Rennbruder mit Slick-Bereifung.
Motorseitig greift die neue Speerspitze der GT-Baureihe weiterhin auf den intern M 178 DE 40 AL genannten Vierliter-V8-Biturbo zurück. Nicht nur die Nennleistung bleibt im Mercedes-AMG GT R Pro bei den bekannten 585 PS, auch die gute Dosierbarkeit und weitgehend gleichmäßige Leistungsentfaltung des Aggregats kennen wir bereits aus dem normalen GT R.
Bei Geschwindigkeiten über 200 Kilometer die Stunde macht sich die modifizierte Aerodynamik des Mercedes-AMG GT R Pro deutlich bemerkbar. Relativ lässig stürzt sich der GT R Pro beispielsweise mit einem Topspeed von 271 Kilometer die Stunde durch die Fuchsröhre (GT R: 263 Kilometer pro Stunde).
Dabei gibt die gewonnene Fahrstabilität noch höheres Vertrauen im Grenzbereich, und man kann in der Fuchsröhren-Kompression „ stehen“ lassen. Erst kurz vor dem Kerb auf der rechten Seite muss angebremst werden. Wenn Sie einer der 750 auserwählten Kunden sind: Bitte das Projekt „Fuchsröhre voll“ nicht gleich in der ersten Runde ausprobieren, sondern langsam ans Limit rantasten.
Dank der fast rennsportähnlichen Fahrwerksabstimmung stützt sich der Mercedes-AMG GT R Pro nicht nur besser als der Basis-R ab, sondern er schluckt auch Curbs besser. Ein gutes Beispiel dafür findet sich am Ausgang der Fuchsröhre in der schnellen Links. Mit 194 Kilometer pro Stunde bügelt der GT R Pro den Curb hier extrem fahrstabil weg. Uhrenvergleich mit dem normalen GT R: Der nahm besagten Curb mit 173 Kilometer pro Stunde.
Optimierte Bremsleistung./strong>
Die nächste Kurve, in welcher der Pro sein querdynamisches Können eindrucksvoll demonstriert und sich deutlich vom normalen GT R abhebt, ist die schnelle Metzgesfeld-Links. GT R: 171 Kilometer die Stunde, Pro: 178 Kilometer die Stunde.
Kallenhard, Spiegelkurve, Dreifachrechts, Wehrseifen – nicht nur die teilweise Neuasphaltierung der Strecke, sondern vor allem der Mix aus optimierter Fahrstabilität und verbesserter Brems-Performance hilft in diesen Streckenabschnitten. So verwundert es auch nicht, dass der Mercedes-AMG GT R Pro im zweiten Nordschleifen-Sektor von „Brücke Ausgang Aremberg“ bis „Posten 122 Ausgang Ex-Mühle“ einen Vorsprung von 4,2 Sekunden auf den normalen GT R rausfährt.
Stichwort Bremsleistung. Der Mix aus dem fast rennreifenähnlichen Gripniveau der Semislick-Bereifung vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 ZP und der gelungenen ABS-Abstimmung bescherte schon dem R-Standardmodell eine gute Verzögerung. Der Mercedes-AMG GT R Pro kommt bei der 100-bis-0-km/h-Warmbremsmessung zwar nicht auf einen Bremsweg von unter 30 Metern, bei dem derzeit die Benchmark liegt, mit 30,7 Metern steht er aber einen Meter früher als der normale GT R (31,8 Meter).
Aremberg, Kallenhard und Wehrseifen – speziell an diesen Stellen bremst man mit dem Mercedes-AMG GT R Pro fast so spät in die Kurven rein, wie mit seinem GT4-Rennwagenbruder mit Slicks. Die ABS-Regelung arbeitet im Pro dabei noch besser als im normalen GT R.
Wie stark die Performance auch von den äußeren Temperaturen abhängig ist, zeigt sich dann auf dem zweiten Teil der Nordschleifen-Runde. Während der Pro im ersten und zweiten Sektor bereits 5,1 Sekunden Vorsprung auf die Zeit des GT R rausgefahren hatte, verliert er im vierten Sektor wieder 0,9 Sekunden auf den GT R.
Ab hier baut das Gripniveau des ZP-Reifens diesmal etwas mehr ab. Grund: Der GT R hatte mit einer Lufttemperatur von vier Grad und einer Asphalttemperatur von acht Grad damals nahezu perfekte Bedingungen, während der Pro bei deutlich höheren Temperaturen (Luft 18 Grad, Asphalt 27 Grad) antreten musste. Ungeachtet dessen liegt der Vorsprung des Pro auf den normalen GT R im Ziel bei vier Sekunden. Dem Sondermodell gelingt mit 7.06,60 Minuten die drittschnellste je im Supertest gefahrene Rundenzeit. Chapeau, AMG!
Messdaten Motor & Fahrwerk
Mit 617 PS bei 6.010 Umdrehungen pro Minute übertrifft der V8-Biturbo die Werksangabe um 5,5 Prozent. Die Drehmomentkurve bewegt sich anfangs um 720 Newtonmeter und steigt oberhalb 5.000 Umdrehungen pro Minute auf 740 Newtonmeter an. Aus dieser Überhöhung resultiert die Mehrleistung, die sich aber noch im gesetzlichen Rahmen bewegt. Laut Werksangabe liegt das maximale Drehmoment von 700 Newtonmeter ab 2.100 Umdrehungen pro Minute bis 5.500 Umdrehungen pro Minute an.