Mercedes SLK 350 gegen Porsche Cayman S
Der nun 320 PS starken Mittelmotor-Versuchung Porsche Cayman S
kann man nur schwer widerstehen. Doch der Mercedes SLK 350 könnte
ein Grund sein: Er leistet 305 PS und ist deutlich günstiger.
Den ganzen Tag schon sitzt ihm der SLK im Nacken. Und das nervt den Cayman. Nach dem Ortsschild, im Niemandsland zwischen Irgendwo und Janzweitdraußen, da wartet die Serpentine. Und hier soll dieser hartnäckige Blechdach-Roadster von Mercedes sehen, wie sich ein Porsche in die Berge absetzt - im wendigen Wechselschwung. Dafür hat sich der Cayman S gerüstet: mit dem traktionsfördernden Sperrdifferenzial (1.131 Euro), den verstellbaren Stoßdämpfern PASM (1.547 Euro), dem Sport-Chrono-Paket samt Launchcontrol (1.095 Euro) für den Rennstart und den Sportsitzen (1.898 Euro). Er überlässt nichts dem Zufall. Mehr Leistung hat der Mittelmotor-Zweisitzer nach dem Facelift ohnehin: jetzt 320 statt 295 PS, nach wie vor aus 3,4 Liter Hubraum.
Seit kurzem verteilt der Boxer seine Kraft auf Wunsch über das Doppelkupplungsgetriebe PDK; es kostet 2.945 Euro und ersetzt den bisherigen, bei Sportfahrern unbeliebten Wandlerautomaten Tiptronic. In voller Sport-Ausrüstung wird aus dem 61.493 Euro teuren Grundmodell ein Hardcore-Dynamiker für 71 638 Euro und mit dem Spoilersatz des Aerokit (4.165 Euro) fast schon eine Art GT4 .
Der Anfang 2008 geliftete Mercedes bleibt gelassen, kontert mit einer Gegenrechnung: Zu 46.975 Euro Grundpreis addieren sich die Siebengang-Automatik für 2.261 Euro, die Direktlenkung mit variabler Servo-Unterstützung (315 Euro) sowie das Sport-Paket (1.267 Euro) samt größerer Bremsanlage, 18-Zoll- Alufelgen und Sportlenkrad - aber ohne Sportfahrwerk. Macht zusammen 50.818 Euro und eine Punktlandung im Kostenkapitel.
Zusätzlicher Bonus: Der SLK ist Coupé und Cabrio in einem. Die neue Roadster-Variante des Cayman, der Boxster, ist dagegen erst in einigen Wochen lieferbar. Und weiter bilanziert der SLK, nennt seine niedrigeren Unterhaltskosten, die günstigere Einstufung bei den Kaskoversicherungen, die weniger hohen Wartungs- und Reparaturkosten - und seinen um drei Zehntel niedrigeren Durchschnittsverbrauch von 12,2 Liter auf 100 Kilometer.
Kosten- und Umweltkapitel gehen an Mercedes
Zusätzlich zum Kosten- entscheidet der Mercedes auch das Umweltkapitel für sich, da er weniger akustisches Aufsehen erzeugt als der Boxer des Cayman. Kritik an seiner Lautstärke lässt ein Porsche nicht gelten. Die Dezibel des Cayman sind emotional und lassen sich nicht in Punkten bewerten. Und zum Thema Preis würde Firmenchef Wendelin Wiedeking wohl anmerken, dass der Status des Sportwagen-Fahrers eben mit einer erheblichen Investition erworben werden müsse. Gleiches gelte schließlich für Individualisten, die ihrem Cayman durch teure Optionen eine besondere Note verleihen wollten. Bei schnöden Kostenrechnungen und in spaßfreien Umweltbetrachtungen könnten die edlen Produkte eben nicht brillieren - dafür auf anderen, emotionsfixierten Gebieten. Etwa beim Antrieb.
Der Boxer produziert keine Lautstärke, sondern den Ton der Verlockung. Geradezu sirenisch. Wenn der Fahrer den Schlüssel - traditionell links vom Lenkrad - umdreht, ist das kein Startvorgang, sondern ein Erweckungserlebnis. Der Sechszylinder erwacht schnatternd, sägt sich die Drehzahlleiter hinauf und fügt ab 4.000/ min heulende Übersteuerung hinzu.
Mercedes hat einen wohlig warmen Auspuffton komponiert; doch dem 3,5-Liter-V6 fehlt die Melodramatik des Cayman - im Vortrieb ebenso wie im Klang. Dessen Boxer-Sound schürt die Drehzahl-Lust, bei 4.000/min folgt der Point of no return: Wie Getriebene wollen die Kolben weiter bis an den Begrenzer. Dann feuert das Porsche. Doppelkupplungsgetriebe (PDK) den nächsten Gang hinein - bis in den langen siebten Gang. Dieser ist eine verbrauchssenkende Legitimation, auch künftig Sportwagen fahren zu dürfen. Schlimm, dass der manuelle Modus die Entscheidung für PDK erschwert.
Drei Schaltprogramme
Die Lenkrad-Bedienung über Klötze statt Paddel ist so grotesk unergonomisch wie bei der bisherigen Tiptronic, die Richtungs-Logik des Hoch- und Runterschaltens verdreht. Dazu kommen drei Schaltprogramme: Normal steht für den sparbetonten Alltag, Sport plus nur für den Pisten-Einsatz. Auf Stellung Sport hängt der Boxer markentypisch hechelnd am Gas; doch hier bleibt PDK unnötig lange in niedrigen Gängen und die Drehzahl im hohen Bereich. Wer nicht wie ein Fahranfänger wirken möchte, aber dennoch das echte Porsche-Gefühl sucht, muss sich weiterhin fürs Handschaltgetriebe entscheiden.
Beim SLK ist die Automatik dagegen eine gute Wahl. Passend zur sedierteren Art der Fortbewegung fehlt jegliche Schalthektik; meist greift die Wandler-Box zur passenden Übersetzung - notfalls lässt sich von Knöpfen hinter dem Lenkrad aus nachhelfen. Doch selbst dann reichen die Leistungs- und Drehzahlreserven nicht aus, einem entfesselten Cayman auf freier, unlimitierter Autobahn zu folgen - was dem SLK zwar die Niederlage im Antriebskapitel beschert, seinem Fahrer aber keinen allzugroßen Verdruss bereiten dürfte: Er reist bequem hinterher und kommt etwas später, dafür entspannter an.
Besserer Komfort im SLK
Abgesehen von den höheren Windgeräuschen ist der Reisekomfort deutlich besser. Der Porsche lässt seine Fahrgäste an derben Bodenwellen unmissverständlich teilhaben, die Federung des Mercedes berichtet dagegen nur rudimentär - und die bequemen Sitze schlucken einen weiteren Teil lästiger Information. Anerkennung für das Bemühen des SLK um das Wohl seiner Fahrgäste ist der Sieg im Kapitel Fahrkomfort.
Für den Cayman spricht, dass er sich verstärkt um den Schutz seiner Besatzung sorgt. Seitenairbags, Notruf und die effektivere Bremsanlage hat er seinem Konkurrenten voraus, ebenso Kurvenlicht sowie das modernere Bediensystem. Und damit geht nach dem Antriebs- auch das Sicherheits-Kapitel an den Porsche. Die Kehrseite: Bei Fahrkomfort, Umwelt und Kosten liegt der Mercedes vorn. Ebenso in der Summe der bisher zu verteilenden Punkte. Wenigstens die Eigenschaftswertung will sich der Cayman sichern, sozusagen die Sportwagen-Ehre.
Auf dem Feld der Fahrdynamik gibt der Porsche alles. Er stürzt sich in den Pylonen-Parcours, verschenkt keinen Zentimeter von der Ideallinie und lässt dank Sperrdifferenzial kein Newtonmeter in der Fahrdynamikregelung verglühen. Über die Reifen fließen Grip und Grenzbereichs-Infos ans Fahrwerk, von der Vorderachse in die präzise Lenkung und von der Hinterachse in den Sitz. Ganz so wie später auf der Serpentine: Wo der Cayman anmutig tänzelt, schwingt sich der SLK etwas schwermütig um die Vorderachse hinterher, benötigt im Scheitelpunkt mehr Platz, ist unpräziser.
Gegen die wachen Reaktionen des Mittelmotor-Sportlers wirkt der Frontmotor-SLK mit seinem schweren Sechszylinder träger und in schnellen Wechselkurven sogar ein wenig taumelig. Vielleicht hat der Mercedes unterwegs bereits einen Schluck aus der Champagner-Pulle genommen - in Vorahnung des Gesamtsieges über den Porsche. In diesem Falle: Wohl bekomm's.