Morgan Aero 8

Die Zukunft hat begonnen: Der Morgan Aero 8 nähert sich der Vollendung. auto motor und sport fuhr Prototyp Nummer drei.
Spätestens beim Durchschalten vom Vierten in den Fünften stellt sie sich, die Frage, die Freunde der Marke fürchten: Wo bin ich? Das grandiose Panorama voraus ist eindeutig Morgan. Besser Über-Morgan: Die lange Motorhaube pfeilt noch zielstrebiger dem Horizont entgegen, die Kotflügel schwingen noch eleganter. Und die Frontscheibe bleibt, was sie immer war: ein Sehschlitz. Aber schon die ersten Meter machen stutzig, denn so wie der Aero 8 galoppierte bislang noch kein Morgan los. Dabei bockt er nicht einmal, zittert nicht, springt nicht – Spuren von Komfort werden erkennbar. Auch im Cockpit: Selbst groß Gewachsene können aus halb liegender Position heraus Lenkrad, Schaltung und Pedalerie gut bedienen. Im Zwielicht unter dem Armaturenbrett entdeckt man eine Klimaanlage. Und die Außenschultern der Insassen, dort, wo es bislang nur frische Luft respektive aufgesteckte Schiebefenster gab, verhüllen nun hochbordige Türen mit elektrisch betätigten Fenstern. Dazu ein fest installiertes Klappverdeck und ein Kofferraum an Stelle des Gepäckträgers. Dekadenz bei Morgan? Ist die letzte Bastion des klassischen Sportwagens britischer Prägung gefallen? Ein Studium der Inneneinrichtung beruhigt. Die Tradition des Kutschenbaus lebt, worauf Firmenchef Charles Morgan auch großen Wert legt. So ließ er innen das Holzgerüst der Karosserie freilegen. Leder, Aluminium und der helle Ton der zähen Esche, die sich bei den Crashtests offenbar bestens bewährte, dominieren. Banausen, die das an schwedische Möbel erinnert, werden das Eschenholz auch dunkel gebeizt bekommen. Der Aero 8 trägt den Stempel ehrwürdiger Werkmannsarbeit, auch wenn Chris Lawrence, der Mann auf dem Beifahrersitz, fortwährend betont, dass es sich hier um einen Prototyp handele, einen frühen zumal. Genauer gesagt die Nummer drei (von bislang sechs).
Lawrence leitet die Entwicklung, kümmert sich also um alles. Zahlreiche Details, versichert er, würden bis zum Auslieferungsbeginn im Oktober noch geändert, auch außen. Das Bürzelheck soll durch eine elegantere Lösung ersetzt werden. Und vorn wird alles noch ein wenig schlanker. Die schielenden Scheinwerfer aber – sie stammen vom VW Beetle – bleiben. Denn ohne sie sei die ganze Aerodynamik ruiniert. Immerhin schafft die klassische Form einen cW-Wert von 0,39. Außerdem zeige sie, so Lawrence, bei hohem Tempo praktisch keinen Auftrieb, wie sich auf deutschen Autobahnen und auf dem Testgelände von BMW bestätigte. Die bisherigen Modelle kommen auf cW 0,53 und haben viel Auftrieb. Ob Aerodynamik bei einem Morgan sein muss, steht derweil nicht mehr zur Debatte. Der Aero 8 stürmt derart vehement in dreistellige Geschwindigkeitsbereiche, dass die Vorzüge selbst den konservativsten Morganisten einleuchten dürften. Wer es darauf anlegt, könne in unter zwölf Sekunden 100 Meilen pro Stunde (160 km/h) erreichen, behauptet Lawrence. Spitze? „Über 250 km/h.“ Natürlich spielt da auch das Gewicht eine Rolle. Prototyp Nummer drei wiegt nur 1.003 Kilogramm, trotz einiger Karosserieteile aus Kunststoff. Der finale Aero 8, der bis auf das Holzgerüst ganz aus Alu sein wird, soll unter 1.000 Kilogramm liegen. Kein Wunder, dass der 4,4-Liter-V8 mit 286 PS, der sich bei BMW mit schweren Limousinen abmüht, ungeahnte Kraftreserven zeigt. Egal, in welchem der sechs Gänge und bei welcher Drehzahl man beschleunigt: Das Resultat ist immer atemberaubend. Überraschend aber auch das neue Fahrwerk mit Doppelquerlenkern und trickreicher Cantilever-Betätigung der Feder-Dämpfer-Einheiten: So hartnäckig verharrte noch kein Morgan am Boden. Vom präzisen Handling und dem enormen Grip ganz zu schweigen. Tröstlich für Hartgesottene, dass Charles Morgan die alten Ideale nicht ganz über Bord wirft. Elektronische Hilfestellung, von ABS über ASR bis zu ESP, möchte er dem Aero 8-Fahrer ersparen: „Wo bleibt da der Spaß?