Porsche Panamera 4S (2016) im Fahrbericht
Der Buckel ist weg, der Innenraum extrem schick, auch große Menschen sitzen im neuen Porsche Panamera sportlich bequem mit gutem Seitenhalt und Platz für Kopf und Beine. Im Turbo mit neu entwickeltem Achtzylinder-Motor sind wir schon auf der Rennstrecke mitgefahren (siehe unten), jetzt setzen wir uns beim 4S selbst hinters Steuer.
Leise säuselt der Sechszylinder-Biturbo, die breite Navikarte leuchtet vom Armaturenträger und der Panamera klebt geradezu auf der Straße. Über den Fahrmodus-Drehsteller am gut in der Hand liegenden Lenkrad drehen wir uns durch die Einstellungen Komfort, Sport und Sport plus. Komfort macht seinem Namen alle Ehre, in Sport und Sport plus geht der Panamera deutlich straffer mit dem Untergrund um – ohne bretthart zu werden. Selbst in Sport plus haben wir das Gefühl, mit der großen Limousine bis zum Ende der Welt und wieder zurück fahren zu können. Die optionale Wankstabilisierung hat unser Modell nicht an Bord, also wird ein bisschen gewankt. Das stört aber auch in der hart genommenen Voralpen-Kurve nicht.
Porsche Panamera 4S mit Sechszylinder-Biturbo
Der Lenkung gehorcht der Panamera 4S gerne und sehr präzise (die optionale Hinterachslenkung ist in unserem Testwagen nicht verbaut). Ihr Widerstand steigt angemessen von Komfort zu Sport plus – allerdings hinterlässt das elektromechanische System in jeder Einstellung einen leicht synthetischen Eindruck. Und die besagten Einstellungen beeinflussen natürlich auch den Motorsound. In Komfort auffallend unauffällig, klingt der Sechszylinder in Sport und Sport plus deutlich lauter und leicht schärfer. Außerdem gesellt sich ein freudiges Endrohr-Glucksen zum Soundteppich. Aber der Klang eines Sechszylinders bleibt der Klang eines Sechszylinders – daran ändert auch die Vierteldrehung des Fahrmodus-Schalters auf Sport plus nichts. Wer den Wagen von außen erlebt, bekommt da mehr auf die Ohren. Beim Losspurten im Sport-plus-Modus gibt es ein ordentliches Gebrabbel und Geröhre auf die Ohren.
Der Sechszylinder-Biturbo des Panamera 4S leistet 440 PS und generiert ein maximales Drehmoment von 550 Newtonmetern von 1.750 bis 5.500/min. Wie beim großen V8-Bruder der Turbo-Variante sitzen die beiden Lader im heißen Innen-V des Triebwerks. Allerdings war laut den Porsche Entwicklern bei dem kleineren Aggregat eine Ausführung als Twin-Scroll-Turbo nicht nötig, da bei einem Sechszylinder die Abgasimpulse nicht so dicht beieinander liegen wie bei einem Achtzylinder-Aggregat.
In 4,4 Sekunden mit 1,9 Tonnen auf Tempo 100
Beim Tritt aufs Gas schießen die Antriebsmomente an alle vier Räder, unser mit dem Sport-Chrono-Paket ausgerüsteter 4S knallt in 4,4 Sekunden auf Tempo 100 – der Sechszylinder hat mit der 1,9-Tonnen-Limousine nie ein Problem und wird es dank Allradantrieb auch auf winterlich verschneiten Pässen nicht haben. Das allen Panameras gemeine neu entwickelte Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe ist ein unglaublicher Streber: Es macht immer alles richtig und selbst in Sport plus werden die Gänge nicht reingeknallt – Reisekomfort zählt beim Panamera ganz gewaltig. Paddlebefehle setzt die Schaltung augenblicklich um. Das Aggregat hängt willig am Gas und gibt sich arbeitsfreudig, ohne brutal zu wirken. Bei Sport und Sport plus sind wir in einem deutlich höheren Drehzahlniveau unterwegs als bei Komfort, zudem lauert der Motor noch wacher auf Gasstöße, ohne nervös zu wirken.
Wer zackig fährt, muss auch zackig bremsen können. Bei unserem Testwagen blitzen die knallgelben Bremssättel der fast 9.000 Euro teuren Keramikbremsanlage durch die Felgen. Beim entspannten Heranfahren an die rote Ampel dringen ganz sanfte Schabegeräusche ans Ohr der Fahrers. Treten wir bei höheren Geschwindigkeiten aufs Bremspedal beißen die Zehnkolben-Bremsen zu, als würden sie die Erdrotation beenden wollen.
Fazit Porsche Panamera 4S
Sound und Drehwilligkeit und Performance: Der 4S ist ein sportlicher Langstrecken-Reisewagen. Der ultimative Sportlimousinen-Kick bleibt dem Panamera Turbo mit 550 PS aus einem kernigen Achtzylinder-Motor vorbehalten.
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Mitfahrt Porsche Panamera Turbo auf dem Lausitzring
Wankstabilisierung mit 48-Volt-Bordnetz, Hinterachslenkung, 550 PS aus einem V8-Twin-Scroll-Biturbo: Wir waren im neuen Porsche Panamera Turbo auf dem Lausitzring unterwegs.
Die weit öffnenden Türen schlägt kein Windstoß unvermittelt gegen das Nachbarauto: Der neue Panamera hat stufenlos arretierende Türbremsen. Das ermöglicht uns einen bequemen Einstieg in den Panamera – leider nur auf der rechten Seite. Selber fahren ist noch nicht. Aber wir sind dabei, wenn die Porsche-Entwickler den neuen Luxus-Liner über den Lausitzring jagen. Luxus-Limousine? Die tiefe Sitzposition fühlt sich fast an wie in einem Elfer, man sitzt auch in den Sportsitzen komfortabel, obwohl man hier auf die Massagefunktion mit fünf Programmen verzichten muss.
Porsche Panamera: Allradlenkung in Aktion
Massieren wird uns Florian Stahl, Erprobungsleiter Gesamtfahrzeug-Entwicklung. Er sitzt entspannt hinterm Steuer, vor uns der graue Asphalt des Lausitzrings. „Eine Runde in der Einstellung Normal“, sagt er. Der Panamera Turbo schiebt unwiderstehlich an, drückt uns die Sitzlehne ins Kreuz. Noch heftiger wirkt der Geschwindigkeitsboost beim Blick auf die digitale Geschwindigkeitsanzeige auf dem Dreizoll-Display unter dem zentralen Drehzahlmesser. Gierig frisst sich der Panamera in die erste Kurve und wankt spürbar – die optionale Wankstabilisierung probieren wir später. Trotz der Seitenneigung lässt sich der Wagen offenbar exakt dirigieren. Porsche hat viel Mühe in die elektromechanische Servolenkung gesteckt, um die Präzision und die Rückmeldung auf ein Top-Niveau zu heben. Zumal unser Wagen mit der optionalen Hinterachslenkung unterwegs ist. Damit lassen sich die Hinterräder in einem Winkel von bis zu 2,8 Grad lenken. Bis zu einer Geschwindigkeit von 70 km/h lenken die Hinterräder entgegen der Richtung der Vorderräder, um den Radstand virtuell zu verkürzen, bei höheren Geschwindigkeiten in die gleiche Richtung wie die Vorderräder, um den Radstand virtuell zu verlängern. Auf dem Lausitzring lenkt unser Panamera vehement ein, wirkt kurveneingangs wie ein deutlich kleinerer Wagen.
Neuer Porsche Panamera: Hellwaches Ansprechen
In einer Biege müssen wir über Curbs. Wir spannen vorsorglich die Rückenmuskulatur an, aber werden dann doch nicht durchschüttelt. Unaufgeregt bügelt der große Porsche den Kurvenrand weg. Florian Stahl stellt auf Sport plus. Die Jalousie vor dem Kühler schließt sich, die Karosse sackt zehn Millimeter Richtung Asphalt und nutzt nur noch eine Kammer der Dreikammer-Luftfeder – jetzt ist der Panamera im Kampfmodus. Beim Tritt aufs Gaspedal springt die zwei Tonnen schwere Limousine los, als sei ihr ein Güterzug ungebremst ins Heck gerauscht. Der V8-Twin-Scroll-Biturbo mit vier Litern Hubraum hängt am Gas wie ein Kettenhund vor dem Metzger, seine 21-Zoll-Reifen hacken jeden Gasstoß verzögerungsfrei in den Brandenburger Asphalt. In 3,6 Sekunden stehen 100 km/h auf dem Digitaltacho. Und dann ist noch lange nicht Schluss: Die Geschwindigkeits-Anzeige rattert durch wie die Schuldenuhr vor Wolfgang Schäubles Dienstantritt, bei über 230 km/h freut sich das Triebwerk immer noch über Gaspedal-Tritte. Das neue Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe schaltet blitzschnell und unmerklich, beim PaddleEingriff gefühlt noch direkter. Derweil kümmert sich der große ausfahrbare Heckflügel um die Aerodynamik: Bei 90 km/h fährt er in die Eco-Stellung, ab 205 km/h stemmt er sich steiler in den Wind (Performance-Stellung). Unter 180 km/h verlässt der Spoiler die Performance-Stellung wieder, ab 60 km/h fährt er komplett ein.
Zeit für den Umstieg in einen Panamera mit Wankstabilisierung.
Mit Spannung gegen Wanken
Die optionale Wankstabilisierung (4.700 Euro) ist in jedem Fahrmodus aktiv, bei Sport plus soll sie Wanken komplett ausschließen können. Um der Seitenneigung einer so großen Limo Herr zu werden, hat Porsche eigens ein 48-Volt-Bordnetz installiert. Nur so lassen sich entsprechend schnelle und kräftige Reaktionen realisieren. Das 48-Volt-Netz ist ausschließlich für die Wankstabilisierung da, alle anderen elektrischen Funktionen bekommen ihre Energie über ein 12-Volt-Netz. Unsere erste wank-stabilisierte Lausitzring-Runde nehmen wir in der Einstellung „ Normal“ unter die Räder – das Wanken hat schon jetzt fast ein Ende. Unglaublich, wie wenig der Panamera sich schon so in die Kurve neigt, zumal das Fahrwerk mit den erwähnten Curbs nach wie vor sehr verbindlich umgeht. Dann Sport plus. Wieder schießt der Panamera wie aus einem Gewehrlauf abgefeuert über den Asphalt. Der Motor gröhlt uns ins Ohr: Da geht noch was! Dann kommt die erste enge Kurve. Und tatsächlich: Hier geht ein ganz steifes Brett um die Biege. Der Verstand muss sich ein wenig anstrengen, die Querbeschleunigung und das stoisch horiziontale Armaturenbrett in Einklang zu bringen. Wow!
Man spürt förmlich, dass die dynamische Steifigkeit der Karosse zugelegt hat (um acht Prozent) und vorne eine neue Domstrebe den Aufbau zusätzlich hart macht. Dieses sich unwirklich anfühlende Nichtwanken, der ungehemmt bollernde Motor, die feinfühlig direkte Gasannahme und die präzise Lenkung zwingen den Fahrer, seine eigenen Grenzen zu akzeptieren – der Wagen scheint keine zu kennen. Er funktioniert scheinbar perfekt.
Kurz erklärt: Die Technik hinter der Wank-Vernichtung
Das PDCC Sport (Porsche Dynamic Chassis Control Sport) arbeitet mit elektromechanischen Stabilisatoren. Das System soll erheblich schneller regeln als Systeme, die mit hydraulischen Aktuatoren arbeiten. Zu der Versteifung der Stabilisatoren kommt noch Porsche Torque Vectoring Plus (PTV Plus). Dabei sorgt die elektronisch gesteuerte Hinterachs-Differenzialsperre für eine perfekte Verteilung der Antriebsmomente zwischen den Hinterrädern, während radselektive Bremseingriffe ein zusätzliches Lenkmoment an der Hinterachse erzeugen.
Zum dynamischen Fahren gehört auch dynamisches Bremsen. Die Serienbremsen des Panamera arbeiten jetzt mit kupferfreien Bremsbelägen, wie es die EU ab 2021 will. Wer knapp 9.000 Euro investiert, reduziert die ungefederten Massen um 20 Kilogramm: Die Keramik-Bremsanlage ist unsagbar teuer und richtig gut. Vorne drücken bei jedem Rad zehn Kolben 160 Quadratzentimeter Bremsbelag gegen die Keramik-Scheiben. Der Tritt auf die Bremse verzögert die gigantische Fuhre, als sei sie in ein massives Fangnetz gefahren.