Rover 75 1.8
Der reich verchromte und nobel aufgemachte Rover 75 soll der britischen BMW-Tochter den Weg in eine gesicherte Zukunft ebnen. Die ersten Fahreindrücke lassen vermuten, daß die Chancen nicht schlecht stehen: Er ist der beste Rover, den es je gab.
Die ersten Monate im Leben des Rover 75 waren alles andere als berauschend. Erst drohte ihm der neue Jaguar S-Type bei der Premiere auf der britischen Motorshow in Birmingham im Oktober vergangenen Jahres die Schau zu stehlen.
Dann mußte die Firmenleitung einräumen, daß die Lage des Unternehmens weit ernster ist, als angenommen. Und schließlich führten Qualitätsprobleme in der Vorserie zu einer zweimonatigen Verschiebung des Auslieferungstermins – vor Juni dieses Jahres wird das Schmuckstück nicht zu haben sein. Selbst die Modellbezeichnung machte Sorgen.
Überrascht, weil Ausländer die Zahl 75 in ihrer Landessprache und damit phonetisch unter Niveau aussprachen, sah sich Rover gezwungen, den Namen stets mit dem Zusatz „sprich: seventy-five“ zu versehen. Ein nicht ganz optimaler (sprich: pretty messy) Start also, aber noch hat der Rover 75 seine Bewährungsprobe ja vor sich.
Im Gesundungsplan – der neue Rover-Chef Werner Sämann verspricht „substantielle Kosten- und dramatische Qualitätsverbesserungen in den nächsten drei Jahren“ – wird dem Rover 75 naturgemäß eine tragende Rolle zukommen. Er ist der erste Rover, der von Anfang an unter der Ägide von BMW entwickelt wurde. Außerdem soll er kraft seines Aussehens und seiner Fähigkeiten den Grundstein für das künftige Markenimage legen: Rover, als Garant für britisches Flair, gepaart mit deutscher Qualität und gehobenem Komfort.
So müsse sich der Rover 75 ohne Wenn und Aber dem sogenannten QZQualitätssystem von BMW unterwerfen – eine Maßgabe, die auch die Verzögerung beim Auslieferungsbeginn erklärt. Ansonsten entspricht der Rover, so der erste Eindruck, schon jetzt weitgehend der Zielsetzung. Seine konservative Formgebung bietet zwar keine Überraschungen, ist aber gefällig und strahlt Hochwertigkeit aus. Wirkung erzielt sie durch ihren üppigen Chromschmuck und durch die Tatsache, daß sie mit 4,75 Meter Länge und ei nem Radstand von 2,75 Metern ganz schön stattlich daherkommt.
Ein Fünfer von BMW ist kaum größer. Das passende Konkurrenzfeld sieht Rover aber eher in der Klasse darunter. In Deutschland wird er als ausgefallene Alternative zum Audi A4, zur Mercedes C-Klasse und – wenn es denn sein muß – auch zur BMW Dreier-Reihe antreten.
Spätestens beim Anblick des Innenraums sollen dann selbst hartnäckige Rover-Skeptiker schwach werden. Schwellende Polster in kontrastieren- den Farben, hochglanzpoliertes Walnußwurzelfurnier „ als integraler Bestandteil des Armaturenbretts“ (Chef-Innendesigner Wyn Thomas), dazu eiförmige Instrumente mit cremefarbenen Zifferblättern und Chromrändchen – im breiten Grenzbereich zwischen Kitsch und Klassik zieht Rover sämtliche Register großbürgerlicher Innenarchitektur.
Richtig schön wird es aber erst mit der aufpreispflichtigen Lederausstattung samt farblich abgesetzten Keder. Derart aufgemöbelt würde das Auto selbst in der Luxusklasse eine gute Figur machen. Aber auch was den Umfang der Ausstattung betrifft, brauchen künftige Rover 75-Besitzer auf nichts zu verzichten.
Zwar hält sich das serienmäßige Angebot an die in dieser Klasse üblichen Gepflogenheiten, aber spätestens bei den Extras erfüllt Rover sämtliche Wünsche – vom Navigationssystem mit Bildschirm bis hin zu kosmetischen Kleinigkeiten wie unterschiedlichen Lenkrädern und Schaltknäufen. Im übrigen legt man bei Rover Wert auf die Feststellung, daß neben all dem Luxus die Grundwerte der Karosserie nicht zu kurz kommen. So soll sie in Folge ihrer soliden Bauweise steifer ausfallen als jede andere Karosserie in dieser Klasse. Der cw-Wert von 0,29 kann sich sehen lassen, und natürlich achtete man auch bei der Sicherheit auf Niveau. Fahrer-, Beifahrer-, Seiten- und Kopfairbags sind serienmäßig.
In Sachen Raumausnutzung hielt sich der Ehrgeiz bei Rover dagegen in Grenzen. Die Platzverhältnisse entsprechen jenen der kompakteren Konkurrenz. Immerhin gibt es einen ordentlich bemessenen Kofferraum (432 Liter), und bei Bedarf läßt sich die – allerdings ungeteilte – Rücksitzlehne vorklappen. Eine Luke hinter der Mittelarmlehne erlaubt das Durchladen langer Objekte. Technisch zeigt sich der Rover rundum up to date, ohne freilich durch eminente Innovationen aufzufallen. Immerhin bedient sich die Elektrik zweier Datenbus-Systeme, aber das Fahrwerk mit McPherson-Vorderachse, einer von der BMW Dreier-Reihe abgeleiteten Dreilenker- Hinterachse und der linear übersetzten Zahnstangenlenkung mit Servounterstützung hält sich an technische Konventionen.
Als Erbstück von den Vormodellen bleibt nur der Front- antrieb. Ansonsten ist dieser Rover auch in seinen Fahreigenschaften nicht wiederzuerkennen. Vor allem der Federungskomfort beeindruckt.
Der 75 rollt samtig ab und bügelt Unebenheiten gelassen aus. Im übrigen ist er nicht der Handlichste in seiner Klasse, überzeugt aber durch ausgeprägte Fahrstabilität bei geringer Untersteuerneigung. Den vom Fahrwerk bestärkten Wunsch nach gepflegter Motorisierung beantwortet Rover mit vier Antriebsvarianten. Neben dem aus MGF und Rover 600 bekannten 1,8 Liter- Vierzylinder mit 120 PS darf zwischen zwei hausgemachten V6-Motoren gewählt werden, einem Zweiliter mit 150 PS und einem 2,5-Liter mit 177 PS.
Beide verfügen über einen Zylinderwinkel von 90 Grad, nicht aber über vibrationsmindernde Ausgleichswellen. Hinzu kommt der aus dem BMW 320 d bekannte Zweiliter- Turbodiesel, der im Rover jedoch nach dem Common Rail-Prinzip befeuert wird und nur 116 PS abgibt. Alle Motoren können wahlweise zum manuellen Fünfganggetriebe auch mit einer beim japanischen Zulieferer Jatco eingekauften Fünfgangautomatik kombiniert werden. Die ersten Kostproben vom Topmodell 2.5 V6 und der Diesel- Variante 2.0 CDT lassen vermuten, daß der Rover 75 auch in der Laufruhe keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Der Sechszylinder gefällt durch ausgeprägtes und zugleich kultiviertes Drehvermögen, wirkt aber im unteren Drehzahlbereich etwas durchzugsschwach. Vergleichsweise bullig dagegen der Turbodiesel, dessen Drehmoment von 260 Nm bei 2000/min vom Top-V6 (240 Nm bei 4000/min) nicht erreicht wird. Auch hier beeindruckt die Laufkultur, die dem Rover im Dieselvergleich eine Spitzenposition sichern dürfte.
Ungeachtet dieser Qualitäten wird der Erfolg des britischen Hoffnungsträgers aber letztlich auch eine Preisfrage sein. Verbürgt ist bisher nur der Preis für das Basismodell Rover 75 1.8 von 44 900 Mark und die Absicht, die teuerste Variante, den 2.5 V6, für knapp unter 60 000 Mark anzubieten. Bei 2.0 V6 und 2.0 CDT darf mit weniger als 50 000 Mark gerechnet werden. Damit liegt der Rover 75 – preislich zumindest – auf BMW Dreier- Niveau.