Steyr-Puch 650 TR
Vor 40 Jahren gewann der Pole Sobieslaw Zasada im Steyr-Puch 650 TR die Rallye-EM. Zum Jubiläum trafen sich eine Rallye und eine Renntourenwagen-Version in Hockenheim.
Neue Dächer statt Motoren
Ein Puch.Fahrer, heißt es, könne jederzeit mit einem Porsche schnell fahren - umgekehrt sei das indes nicht unbedingt der Fall. Meint auch Georg Hummel, als er die Fahrertür seines roten 1967er Steyr-Puch 650 TR aufhält und nochmals fürsorglich warnt: "Pass auf, er ist wirklich giftig." Motoren, so der 58-jährige Karlsruher, bräuchten Puch.Piloten eher selten. Neue Dächer dafür umso häufiger. Solche Sprüche sorgen für Respekt, während sich der Zweizylinder-Boxermotor im Heck langsam warmgrummelt.
Kompromisslose Rennsemmel
Nebenan brummt, etwas lauter, der Motor von Günther Volles gelbem 650 TR, ein 1963er Exemplar, mit dem der 67-jährige Freiburger und vor allem sein Sohn Michael seit Jahren Pokale in der Historischen Tourenwagen- und GT-Trophy sammeln. Rein äußerlich unterscheidet sich der gelbe vom roten TR nicht nur durch die hinten an der B-Säule angeschlagenen Türen, sondern insbesondere durch seinen kompromisslosen Aufbau als Renntourenwagen nach Anhang K des FIA-Regelwerks.
Feste Größe im Rallyesport
Der im Rallye-Trimm angetretene Steyr-Puch von Hummel wirkt dagegen weit weniger wild. Weshalb er nun auch den Vortritt erhält: Schließlich war es die Rallye-Version des kleinen Kugelblitzes, die vor 40 Jahren den größten sportlichen Erfolg für die in Thondorf bei Graz beheimatete Steyr-Daimler-Puch AG einfuhr: Nach einer nervenaufreibenden Saison eroberte der Pole Sobieslaw Zasada 1966 den Rallye-Europameistertitel der Gruppe 2-Tourenwagen vor dem Finnen Mäkinen auf BMC-Cooper und dem Schweden Trana auf Volvo. Zu diesem Zeitpunkt waren die kleinen Puch bereits seit vielen Jahren eine feste Größe auf den Renn- und Rallyepisten sowie bei Bergrennen.
Dabei hatte der unter Erich Ledwinka, dem Sohn des österreichischen Automobilpioniers Hans Ledwinka gebaute Steyr-Puch bei seiner Vorstellung Ende 1957 in der Serienausführung gerade mal 16 PS aus einem halben Liter Hubraum unter seiner bei Fiat gefertigten Blechhülle zu bieten. Was sieben unerschrockene Puch.Piloten nicht davon abhielt, knapp anderthalb Jahre später die ersten sieben Plätze bei der Semperit-Rallye zu belegen. Puch.Siege in Serie gab es 1959 auch bei der Österreichischen Alpenfahrt, der Tauernfahrt und dem Wurzenpassrennen.
Einfache Konstruktion aus bestem Material
Zu diesem Zeitpunkt diskutierte die Fachpresse noch, ob die 20 PS der neuesten Version wirklich nötig sind. Vollends zum Schrecken größerer Wagen entwickelten sich die Puch ab 1962, als der hauseigene Boxermotor auf 650 cm3 aufgebohrt wurde. Dieser Zweizylinder mit seiner zahnradgetriebenen, untenliegenden Nockenwelle und den Zylindern aus Grauguss war im Grunde zwar eine simple Konstruktion - die allerdings, wie bei Porsche, überaus sauber und aus besten Materialien gefertigt wurde und auch heftigste Tuning-Maßnahmen überstand.
Mit diesem Puch 650 T waren Pöltinger/Merinsky bei der Rallye Monte-Carlo 1963 in ihrer Klasse mit Abstand die Schnellsten. Einen Pokal gab es dennoch nicht - die Österreicher hatten schlicht vergessen, das neue Modell bei der internationalen Sportbehörde zu homologieren. Künstlerpech. Dafür konnten engagierte Puch.Treter ab Dezember 1963 eine weiter verschärfte Version erwerben, den 650 TR mit stolzen 27 PS. Dieser unterschied sich in rund 130 Teilen vom T, davon allein 57 im Motor.
Kleinserie: Nur 120 TR2 Europa mit 40 PS
Mitte 1966 schließlich kam es zum Modellwechsel mit vorn angeschlagenen Türen. Und ein Sondermodell mit dem klangvollen Namen 650 TR2 Europa leistete dank Monte-Carlo-Auspuffanlage und Einzelgenehmigung 40 PS. 120 Exemplare sollen entstanden sein, eines davon ist der rote Puch von Georg Hummel. "Das Auto wurde in den Sechzigern in Österreich bei Rallyes eingesetzt, bei einem Unfall zerknüllt und stand dann jahrelang in der Scheune", erzählt der Betriebswirt, der nebenbei auch die Zeitschrift Thondorf des Steyr-Puch-Freundeskreises herausgibt. 1994 kaufte Hummel den nun frisch restaurierten Wagen und damit gewissermaßen seine Jugendliebe zurück, schließlich war schon sein erstes Auto ein Puch. Diese frühe Liaison allerdings endete nach sechs Wochen in einer Konfrontation mit einem Bus und sehenswertem dreifachen Überschlag.
Langstreckentauglich: 52,5 PS treiben 500 kg an
Damit Hummel nun nicht gleich wieder ein neues Dach benötigt, rollt man zunächst eher zaghaft aus der Boxengasse. Dabei überrascht als Erstes der zornige Vorwärtsdrang des Puch, kein Wunder, denn die gemessenen 52,5 PS müssen lediglich 500 Kilogramm um den kleinen Kurs drücken. Zudem hat Hummel den Motor auf rund 780 cm3 aufgebohrt, schließlich dient der Flitzer abseits von Rennstrecke und Rallyepiste auch als Langstreckenauto. "Der Puch hat bereits Lissabon gesehen, stand vor dem Guggenheim-Museum in Bilbao und an der italienischen Riviera", sagt Hummel stolz. Und aktuell kommt er gerade vom Nordkap zurück.
Durch den Hubraumzuwachs lässt sich der Puch auch auf der Rennstrecke erstaunlich schaltfaul fahren. Im Prinzip könnte man - in Verbindung mit der für den kleinen Kurs viel zu langen Übersetzung - die gesamte Runde im dritten Gang zurücklegen. Und weil auch die vier Trommelbremsen beruhigend kräftig und wohl dosierbar zupacken, steigern sich Selbstvertrauen und Geschwindigkeit von Umlauf zu Umlauf. Doch selbst in enthusiastisch angegangenen Ecken wird der Puch nie wirklich böse, was wohl vor allem an den vergleichsweise breiten Straßenreifen liegt.
Erfahrener Puch.Pilot
Mit schmaleren Pneus würde die Sache ganz anders aussehen, wie der gelbe TR von Günther Volle verdeutlicht: HTGT konform mit dürren Dunlop Racing bestückt, zeigt sich der Renntourenwagen deutlich nervöser. Womit sein Besitzer sicherlich kein Problem hat: Der Freiburger Karosseriebau-, Fahrzeugbau-, Lackierer- und Sattlermeister zählte bereits in den sechziger Jahren zur ganz schnellen Garde der Puch.Piloten. "Damals war der Puch eine der preiswertesten Möglichkeiten, erfolgreich Motorsport zu betreiben", sagt er. Am Schauinsland hält Volle mit 22 Klassensiegen nach wie vor den Rekord, in Südbaden und im Elsass hat er fast jedes Bergrennen gewonnen.
Den Tourenwagen hat er zusammen mit Sohn Michael 1994 im eigenen Betrieb aufgebaut und damit ein wirklich blitzsauberes Rennauto auf die Räder gestellt: Der 676er-Motor schiebt mit seinen 60 PS kräftig an und ist bis weit über 7.500 Touren drehzahlfest. Der Gangwechsel gelingt weich und exakt, die Bremsanlage lässt auch nach mehreren Runde nicht Besorgnis erregend nach, die Lenkung gibt sich zielgenau und direkt. Mit jeder Runde wächst der Fahrspaß, wirklich bösartig wirkt auch dieser Puch nicht. Das gilt allerdings für die aufgezogenen, bekannt gutmütigen Dunlop Racing. Mit den derzeit beispielsweise im FHR-Langstreckencup favorisierten, überaus haftfreudigen Yokohama könnte sich das Fahrverhalten dagegen in Gemein und Gefährlich ändern.
Doch egal, auf welchen Gummis Puch.Piloten auch unterwegs sind - ob auf der Rundstrecke, einer Rallye-Sonderprüfung oder zum Nordkap: Porsche-Fahrer tun gut daran, Puch.Bändiger respektvoll zu grüßen. Sie haben es in jedem Fall verdient.