Toyota Land Cruiser 100 V8 im Test

Der neue Toyota Land Cruiser folgt einem in den USA vorgezeichneten Trend: Er soll den Komfort einer Luxuslimousine bieten, ohne die Offroad-Qualitäten zu vernachlässigen.
Glänzende Holzverkleidungen am Armaturenbrett, feines Leder auf den Sitzen, hochwertige Teppiche auf dem Wagenboden – der neue große Land Cruiser 100, der den bisherigen Station (Typ 80) ablöst, hätte es eigentlich verdient, das Label der Toyota. Edelmarke Lexus zu tragen. In den USA, wo luxuriöse und teure Sport Utility Vehicles im XXL-Format derzeit einen überwältigenden Boom erleben, bietet Toyota neben dem Land Cruiser tatsächlich eine technisch identische, aber noch reichhaltiger bestückte Lexus-Version unter der Bezeichnung LX 470 an, für die der Kunde noch mal 10.000 US $ mehr auf den Tisch legen muß als für den bereits 45.000 US $ teuren Cruiser.
Doch schon als Toyota zählt der mächtige Allradler zur Creme der Geländewagen, eindeutig zugeschnitten auf jene Gutsherren-Klientel, die bisher allein im britischen Range Rover eine angemessene Motorisierung fürs Shopping in der City, für die Ausübung des edlen Waidwerks oder zum Ziehen eines Pferdeanhängers fand. Ein Auto also, das fürs Kraxeln im schweren Gelände ebenso taugt wie für lange Urlaubsreisen mit der Familie. Die Kapazität des Kofferraums ist riesig, aber das Beladen fällt nicht ganz leicht, weil die Heckklappe horizontal geteilt ist. Das ergibt zwar einen hübschen Campingtisch, macht aber vor allem dann Mühe, wenn schwere Gepäckstücke aus der Tiefe des Raums geholt werden müssen. Die Serienausstattung läßt keine Wünsche offen: Eine Klimaanlage gehört ebenso dazu wie eine separate Heizung für den geräumigen Fond, eine wohltönende Soundanlage samt CD-Wechsler und die elektrische Sitzverstellung mit Memory-Funktion.
Viel Spielraum für Extras bleibt da nicht. Zu empfehlen ist lediglich die per Knopfdruck bedienbare Niveauregulierung. Sie erlaubt es nicht nur, die Bodenfreiheit für schweres Gelände um fünf Zentimeter zu erhöhen, sondern ermöglicht auch im Stand eine Absenkung um den gleichen Betrag, wodurch der Einstieg beträchtlich erleichtert wird. Die Sitze erweisen sich auch auf langen Strecken als bequem, die Bedienung ist problemlos. Daß die Dämpferhärte manuell verstellt werden kann, darf jedoch allenfalls dem Bemühen zugute gehalten werden, eine überdurchschnittliche, dem stattlichen Preis angemessene Ausstattung zu bieten. Denn die Differenzen zwischen den einzelnen Abstimmungen sind kaum spürbar. Generell wirkt der große Land Cruiser klar unterdämpft, was sich nicht nur in Form unangenehmer Vertikalbewegungen auf langen Bodenwellen, sondern auch durch starkes Wanken in schnellen Wechselkurven bemerkbar macht. Das VDA-Ausweichanöver, die normierte Ausführung des Elchtests, ist nicht Sache des Toyota.
Wie alle Geländewagen seiner Gewichtsklasse gerät er dabei in akute Kippgefahr. Das vorher einsetzende Ausbrechen des Hecks darf als unmissverständliche Warnung gelten, die Sache nicht zu weit zu treiben. Abgesehen davon befriedigt die aktive Fahrsicherheit. Der Geradeauslauf bei hohen Geschwindigkeiten ist gut, in Kurven schiebt die schwere Fuhre mit laut aufschreienden Reifen über die Vorderräder und kündigt damit den Grenzbereich der Bodenhaftung an, bevor die Situation wirklich prekär wird.
Angesichts des zulässigen Gesamtgewichts (3.260 Kilogramm) können sich auch die Bremsen sehen lassen. Nach zehn Vollbremsungen aus 100 km/h mit voller Zuladung liefern sie noch eine Restver- zögerung von 7,7 m/s². Das ist, gemessen an dem, was moderne Limousinen zu leisten imstande sind, nicht überwältigend, aber im Kreis der Geländewagen leistet sich der Toyota damit wenigstens keinen groben Ausreißer. Abseits asphaltierter Pisten ist er ohnehin der König. Weil die Kraft seines Motors per Zentraldifferential permanent auf alle vier Räder übertragen wird, muß der Fahrer für den Offroad-Einsatz nur mit einem kurzen Schalthebel die Geländeübersetzung aktivieren.
Damit ist gleichzeitig das mittlere Differential voll gesperrt, für ganz schwere Fälle steht überdies eine 100 Prozent-Sperre an der Hinterachse zur Verfügung. So gerüstet kennt der Cruiser auch in schwierigstem Terrain kein Pardon. Außerhalb der Wertung nahm er am großen Geländewagenvergleich im südfranzösischen Château Lastours teil und bewies dabei, daß seine Offroad-Qualitäten zur Spitzenklasse gehören. Abgesehen von der nicht voll befriedigenden Federung bewährt er sich auch auf der Straße – nicht zuletzt dank dem überdurchschnittlichen Antriebskomfort.
Der große Achtzylinder, der eine eigene Konstruktion darstellt und nicht auf dem V8 der Lexus-Limousine basiert, schiebt den schweren Toyota mit einer bemerkenswerten Mühelosigkeit voran. Er sorgt für eine kraftvolle Anfahrbeschleunigung und wird auch dann nicht störend laut, wenn der Fahrer die Leistungsreserven voll ausnutzt. Die Vierstufenautomatik ist für dieses Triebwerk ein harmonischer Partner. Sie reagiert schnell und läßt auch unter Vollast nur geringe Schaltrucke spüren.
Manuelle Eingriffe erübrigen sich, denn die elektronisch gesteuerte Kraftübertragung ist in der Lage, aus verschiedenen Parametern wie Drehzahl, Geschwindigkeit und Drosselklappenstellung den Fahrstil des Piloten zu erkennen und das Schaltverhalten entsprechend anzupassen. Das funktioniert gut – nur in starken Gefällen empfiehlt es sich, die oberen Fahrstufen mit dem Wählhebel zu sperren. Wer einen derart aus dem vollen schöpfenden Antrieb genießt, darf sich über entsprechende Benzinrechnungen nicht wundern. Unter 15 Liter auf 100 Kilometer kommt der Land Cruiser nur, wenn er gleichmäßig im Bereich der deutschen Autobahn-Richtgeschwindigkeit bewegt wird. Schnelles Reisen läßt den Verbrauch auf 18 bis 20 Liter pro 100 Kilometer ansteigen, auch in der Stadt muß mit Werten dieser Größenordnung gerechnet werden. Und im Gelände ist es besser, in Liter pro Stunde zu rechnen, wie es erfahrene Offroader tun.
Denn auf 100 Kilometer gehen leicht 70 oder 80 Liter drauf. So angenehm das Fahren mit dem kultivierten Achtzylinder auch sein mag, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten stellt der V8 für einen schweren Allradler natürlich keine ideale Antriebsquelle dar. Immerhin aber bietet Toyota eine Alternative an: einen Sechszylinder- Turbodiesel mit Vierventiltechnik und Direkteinspritzung, der mit einer Leistung von 204 PS stärker ist als alle bisher im Offroad-Segment angebotenen Dieselmotoren. Mit dem könnte der Landcruiser, ein Test wird es zeigen, seine jetzt schon unbestreitbare Spitzenstellung unter den exclusiven Geländewagen noch weiter ausbauen.